Schwupp - wieder eine neue Nachricht zum Thema Schule. "Über 1.000 Lehrerneueinstellungen!" und schwupp wieder eine Meldung "die Oberschule läuft an". Und schwupp, schwupp, schwupp - am 26. August ist Schulanfang, am 22. September Bundestagswahl und alle sind sich einig: Jetzt sind die Kinder und Jugendlichen dran. Schwupp: "Schuljahr beginnt - jeder zweite Schulsozialarbeiter ist gekündigt". Warum? Mit Auslaufen des zweijährigen Bundesprogramms ist kein Geld mehr da in der sächsischen "Schulschwänzerhauptstadt".

Ob man das kontinuierliche Ansteigen der Stundenausfälle an Leipziger Schulen in den vergangenen Jahren auch als “Schulschwänzerei” des sächsischen Kultusministeriums bewerten sollte, lassen wir mal so dahingestellt. Auch die dafür hier und da anklingende Strafgeldzahlungsfantasien der CDU. Eine im September 2012 selbst erhobene Stundenausfallstatistik des Landesschülerrates zeigte jedenfalls, dass deutlich über 10% der Stunden in Sachsen ausfallen oder fachfremd vertreten werden. Wenn der Landesschülerrat – was anzunehmen ist – weiterhin fleißig ist, wird es wohl Ende September erneut frische Zahlen zu den jetzigen Versprechungen geben.

Und die sind vollmundig, im Kultusministerium nun unter Brunhild Kurth (CDU) brennt also noch Licht. Und so hieß es am 21. August: “Allein an den öffentlichen Schulen ist mit einem Anstieg um rund 4.000 Schüler auf ca. 378.000 (Vorjahr 374.276) zu rechnen. Im Verlauf dieses Jahres sind für die öffentlichen Schulen mit über 1.000 Lehrkräften so viel Lehrer eingestellt worden wie noch nie in den vergangenen 20 Jahren. Alle ausgeschiedenen Lehrer wurden ersetzt. Aufgrund steigender Schülerzahlen wurden die Lehrerstellen zum neuen Schuljahr um 257 auf 27.488 erhöht.”

Im Freistaat ist alles ok, man ist für das Schuljahr bestens gewappnet, alles klingt nach Unterricht bis täglich 20 Uhr. Die Opposition hat zu den 1.000 Neueinstellungen auch mal gerechnet und kommt auf etwas andere Zahlen, weil sie die Zeitachse mal etwas weiter als den etwas kurzatmigen Zweijahresrhythmus zieht.
Dr. Eva-Maria Stange, stellvertretende Vorsitzende und bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag sieht die Planung kurz vor Öffnung der Schultüren etwas anders. “Zu Beginn des neuen Schuljahres schmerzt es an allen Ecken und Kanten: Denn während die Schülerzahl im neuen Schuljahr 2013/14 erneut um ca. 3.600 ansteigt, bleibt die Zahl der Lehrkräfte weiter auf dem niedrigen Niveau von 2012/13 stehen. Im vergangenen Schuljahr haben 721 Lehrerinnen und Lehrer (das sind 590 Vollzeitäquivalente) den Schuldienst verlassen. Wenn jetzt 510 Lehrerstellen unbefristet besetzt und zusätzlich 82,6 Lehrerstellen entfristet werden, werden damit lediglich die 590 freigewordenen Lehrerstellen annähernd genau ersetzt.”

Womit der Anstieg bei den Schülerzahlen noch in der Luft hinge.

Stange weiter: “Der aktuelle Doppelhaushalt sieht für das beginnende Schuljahr 27.488 Lehrerstellen vor. Das sind zwar 257 Stellen mehr als im Schuljahr 2012/13, aber immer noch ca. 100 Stellen weniger als im Schuljahr 2011/12. Gemessen an den wachsenden Schülerzahlen müsste der Stellenzuwachs mindestens bei 300 Stellen liegen, um die Unterrichtsbedingungen von 2012/13 (Schüler je Stelle) wenigstens konstant zu halten; ganz zu schweigen von einem zusätzlichen Bedarf für die Verringerung des Unterrichtsausfalls und vernünftigen Integrationsbedingungen. Darüber hinaus werden diese 257 zusätzlichen Stellen nur befristet besetzt.”

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Dass gerade junge Lehrer Vertretungsspringer spielen werden, ist einkalkuliert. “Demnach sollen 200 meist junge Lehrkräfte bis zum 31. Dezember 2013 als Springer beschäftigt werden. Sie können in jeder Schulart und an jedem Ort innerhalb eines Regionalschulamtes – es sei denn, der Bedarf macht einen überregionalen Einsatz erforderlich – eingesetzt werden.” Die jungen Kollegen sollten also in Zeiten magerer ÖPNV-Förderung ein Auto mitbringen. Denn die Praxis könnte tatsächlich so aussehen, wie Stange es beschreibt. “D.h., ein frisch ausgebildeter Gymnasiallehrer kann am Montag in der Grundschule in Radeberg, am Dienstag in der Mittelschule in Bautzen und am Freitag am Gymnasium in Seifhennersdorf Mathe, Deutsch oder Geschichte mit voller Stundenzahl unterrichten. Damit umgeht Kurth alle Versetzungs- und Abordnungsregelungen. Wer solch ein Angebot annimmt, muss einen hohen Leidensdruck haben und ist spätestens zu Weihnachten total verheizt.”

Das klingt nun wieder nach fehlender Leistungsbereitschaft bei den Junglehrern, was in Zeiten von Effektivität und schnellen Erfolgen nicht angehen kann. Und nach einem gnädigen Angebot aus dem Ministerium – wenigstens müssen die jungen Leistungserbringer Sachsen nicht verlassen.

Zudem hat man mit den genannten Lehrerzahlen an den ehemaligen Mittelschulen des Landes noch ambitionierte Ziele abzudecken. Diese haben jetzt auf Wunsch der FDP einen schicken Namen bekommen und heißen nun (wieder) Oberschulen. Obs mit der Polytechnik klappt, wird sich zeigen müssen. Kultusministerin Kurth zu den Plänen: “Mit der Oberschule ist eine bessere individuelle Förderung und Berufsorientierung der Schüler sowie eine stärkere Leistungsorientierung verbunden. Das ist für mich eine deutliche Stärkung des zweiten Weges zum Abitur.”

Bislang ist von mehr Lehrern nichts zu lesen, die sind immer noch in den ominösen 1.000 enthalten.

“Für Oberschüler besteht ab der 5. Klasse fortan die Möglichkeit, in Leistungsgruppen eine besondere Förderung zu bekommen. Diese spezielle Förderung kann zum Beispiel in Deutsch, Mathematik, Englisch, aber auch in ganz anderer Form etwa als Methodentraining erfolgen. Über das jeweilige Unterstützungsangebot entscheidet allein die Schule. Zudem bietet jede der 281 öffentlichen Oberschulen in Sachsen eine zweite Fremdsprache an. Bisher war das nur bei etwa zwei Drittel der Schulen der Fall. Mit dem neuen Schuljahr können die Schüler die zweite Fremdsprache statt bisher mit zwei nun mit drei Wochenstunden erlernen. Damit wird der Übergang nach Klassenstufe 6 an das Gymnasium erleichtert.”

Scheint fast so, als ob der Landesschülerrat die Bleistifte spitzen und die Umfragezettel zum Schuljahresstart bereitlegen sollte. Ob diesmal die 10 Prozent Ausfall und sachfremde Vertretungsstunden unterboten werden, könnten sie so erneut von den Schülern erfahren. Junge Menschen neigen noch zum unverstellten Blick.

Zu Praxisberatern, ganze vielen Fremdsprachen, Inklusionsmodellregion Leipzig und einem zweijährigen Erfolg bei den Schulabbrechern ohne Fortsetzung in der Messestadt gleich.

Das komplette Papier “Immer mehr Schüler, immer weniger Lehrer!” inklusive Zahlenmaterial und Diagrammen:
http://spd-fraktion-sachsen.de/sites/default/files/downloads/2013-08%20Positionspapier%20Schuljahresbeginn.pdf

Gutachten von Prof. Dr. Klaus Klemm “Zum Einstellungsbedarf von Lehrerinnen und Lehrern im Bereich der öffentlichen Schulen Sachsens und zu Perspektiven der Bedarfsdeckung”:
http://spd-fraktion-sachsen.de/sites/default/files/downloads/2013-07-01%20Gutachten.pdf

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