Der Wahltermin 31. August nähert sich mit großen Schritten. Jetzt schlagen auch die Wahlveranstaltungen immer dichter auf. Am Mittwoch, 13. August, lud auch die IHK zu Leipzig ein zum Wahlforum. Auf ihre Einladung hin waren Ronald Pohle (CDU), Holger Zastrow (FDP), Petra Köpping (SPD), Antje Hermenau (B90/Grüne) sowie Luise Neuhaus-Wartenberg (Linke) gekommen. Eigentlich Kandidaten, mit denen es so richtig ans Eingemachte hätte gehen können.

Immerhin hatte die IHK genügend Diskussionsmaterial geliefert – unter anderem eine Hitliste der Hauptforderungen, die sächsische Unternehmen an die Politik des Landes stellen. 1.800 Unternehmen hatten dabei votiert. Und die Reihenfolge dessen, was Unternehmer von Sachsens Regierung erwarten, ist durchaus überraschend.

Das hier sind die “Top-Ten” der geforderten Maßnahmen:

1. Ausbau flächendeckender Breitbandversorgung mit hohen Übertragungsraten

2. Schuldentilgung weiterhin oberste Priorität einräumen

3. Kommunen mehr Landesmittel zur Verfügung stellen

4. Duale Ausbildung stärker als Alternative zum Studium kommunizieren

5. Förderung der Energieeffizienz in Unternehmen

6. Genehmigungsfiktionen stärker anwenden

7. Infrastrukturinvestitionen stärker für den Erhalt statt Ausbau verwenden

8. Behörden mit mehr Ermessensspielräumen ausstatten

9. Polizeipräsenz zur Erhöhung der Sicherheit der Wirtschaft verstärken

10. Sicherung des Berufsschulnetzes im ländlichen Raum
Gerade die Punkte 3, 7 und 9 zeigen, wie sehr Sachsens Unternehmer mittlerweile Wirtschaftspolitik auch als Sozial- und Infrastrukturpolitik begreifen. Gerade weil sie in ihren Regionen und Kommunen verortet sind, wissen sie, worunter ihr eigenes Einzugsgebiet leidet. Die Zeiten, dass Schul- und Verkehrspolitik oder gar die Kommunalfinanzierung irgendwie nur die Themen der großen Politik waren, sind in Sachsen längst vorbei. Eigentlich schon länger als fünf Jahre. Dass das Thema Kommunalfinanzierung jetzt auf Rang 3 der Unternehmer-Wünsche steht, erzählt Bände. Aber warum ist das so, dass die Kommunalverschuldung in Sachsen in den letzten Jahren wuchs, während die Landesregierung nicht nur locker 1 Milliarde Euro für das Landesbank-Desaster hinblättern konnte, sondern auch noch fast 8 Milliarden Euro an Rücklagen gebildet hat?

Warum steckt gerade eine Stadt wie Leipzig in der Klemme, weil die Stadt die notwendige Co-Finanzierung für viele Projekte von Schul- bis Straßenbau nicht hinbekommen hat. Warum änderte sich das nicht, als man auch in Dresden mitbekam, dass die drei Großstädte wieder wachsen und investieren müssen?

Manchmal sind es Details, die aufhorchen lassen. Diesmal war es eine Aussage von Ronald Pohle, der Leipzig für die CDU im Landtag vertritt und der auf das Kräfteverhältnis innerhalb der regierenden CDU-Fraktion verwies: Von 58 CDU-Abgeordneten kommen nur 12 aus den drei Großstädten Leipzig, Dresden und Chemnitz. “Da können Sie verstehen, wie schwer es ist, Mehrheiten in der Fraktion zu bekommen”, so Pohle.

Das heißt aber auch, dass im Grunde 46 CDU-Abgeordnete aus den Landkreisen in Sachsen die Landespolitik maßgeblich bestimmen.

Da wird vieles in der Politik der CDU/FDP-Regierung in Sachsen erklärlicher. Auch das, was Petra Köpping und Antje Hermenau aus ihrer Landtagserfahrung berichteten: Anträge und Gesetzesentwürfe von Grünen, SPD und Linken wurden in den vergangenen fünf Jahren fast komplett abgelehnt. Darunter – so Petra Köpping – auch rund 2.000 Vorschläge zum Bürokratieabbau in Sachsen.

Das Wort schreibt sich zwar gern die FDP auf die Fahnen – und Holger Zastrow gab durchaus souverän die Haltung seiner Partei wieder, mittlerweile auch gern mit dem Spruch: “Wir machen in Sachsen vieles anders als die anderen.” Da gab es auch ein paar Projekte, die unterm Label “Bürokratieabbau” verkauft wurden. Aber tatsächlich gehören sie – wie das “Baum-ab-Gesetz” eher in die Rubrik Kontrollabbau. Da, wo Bürokratieabbau tatsächlich wirtschaftlich wichtig gewesen wäre – beim Papierkrieg der Finanzämter etwa – ist nichts passiert. Und die Kommunen leiden unter der Bürokratie der Landesbehörden. Ein Thema, das Petra Köpping aus ihrer Arbeit als Bürgermeisterin und Landrätin mit in den Landtag nahm.

Auch das ein Wirtschaftsthema. Denn wenn Kommunen mit ihren Anträgen im Papierkrieg stecken, leiden auch regionale Aufträge darunter. Auch das sächsische Vergabegesetz wurde deshalb kurz thematisiert – mit schönem Selbstlob von Holger Zastrow. Und deftiger Kritik von Luise Neuhaus-Wartenberg, die für die Linke in Nordsachsen für den Landtag kandidiert – denn soziale und ökologische Standards fehlen in diesem Gesetz. Immerhin meldete sie sich selbst als Unternehmerin aus einem kleinen Familienunternehmen zu Wort. Aber als sie sich verquatschte mit “man müsse Unternehmen zwingen”, solche Standards einzuhalten, war das natürlich Munition für den Unternehmer Holger Zastrow, der “Seht ihr!” sagen konnte.

Im Grunde eine Stelle, an der mal richtig klar hätte debattiert werden können. Immerhin geht es hier um faire Arbeitsbedingungen, auch einen fairen Wettbewerb und um das Mega-Thema Mindestlohn. Aber das passierte nicht. Hatte sich Moderator Andreas F. Rook, den MDR-Zuschauer vom “Sachsenspiegel” kennen, zu viel vorgenommen? Oder waren schon seine Einführungsworte ein Fingerzeig, wie schwer es sei, im Wahlkampf allen Parteien gerecht zu werden – auf die Sendesekunde genau?

Wenn das so ist, sind MDR-Moderatoren für politische Debatten die schlechtesten Moderatoren, die man sich denken kann. Sie weichen den wirklich heißen Fragen aus, hüpfen von Thema zu Thema und hinterlassen nicht nur beim abendlichen Publikum das Gefühl, dass die Diskussion da vorn keine Linie hat.

Richtig sauer reagierte der Spediteur Peter Gebauer, der auch der Vollversammlung der IHK angehört. Er reagierte zwar erst, als aus dem Publikum auch noch das Thema Heidelberg Druck eingeworfen wurde. Aber auch die frühe Anfrage an das Publikum hatte den Abend zerflattern lassen. Dabei waren die Themen, die sich Rook eigentlich vorgenommen hatte, brisant genug. Der Breitbandausbau ist ein hochaktuelles Thema und entscheidet mit darüber, ob sächsische Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben. Fachkräfte sind derzeit sogar das Mega-Thema der Wirtschaft, Sicherheitspolitik spielt auch eine Rolle.

Aber schon bei Frage 1 bog die Diskussion kurzerhand rechts ab und hoppelte über das Feld Mitteldeutschland. Was schon verblüffte, weil keine der fünf vertretenen Parteien derzeit offen über eine Länderfusion diskutiert. Aber die fünf Kandidaten machten dann auch deutlich, woran es liegt. Denn für eine Fusion der Bundesländer Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen wären sie im Herzen schon. Die Förder- und Vergabepolitik ist in jedem Land eine andere. Jedes der drei Bundesländer hat Millionen verschwendet, indem es selbst in große Infrastrukturen investiert hat, wie z.B. Flughäfen. Aber immer dann, wenn die drei Länder versucht haben, Projekte gemeinsam zu stemmen, zeigte sich, wie sehr ihre Mühlen gegeneinander arbeiten. Selbst das Projekt Metropolregion hält Luise Neuhaus-Wartenberg für gescheitert.

Antje Hermenau und Holger Zastrow halten die unterschiedlichen Schuldenstände der drei Länder für das Haupthindernis für eine Fusion. “Damit wir so gut da stehen, wie wir es heute tun, haben wir auf vieles verzichtet”, betonte Zastrow. Die Bereitschaft, die Schulden der anderen mit zu bezahlen, sei also denkbar gering. Da müssten die anderen erst einmal auf einen ähnlichen Stand wie Sachsen kommen.

Logischerweise tauchten auch einige der Felder auf, bei denen “wir verzichtet haben”: bei Lehrern und Polizisten zum Beispiel.

Womit dann die in Sachsen seit 2010 gepflegte Personalpolitik auf einmal auf dem Tisch lag. Auch das ist Wirtschaftspolitik. Aber mehr dazu morgen an dieser Stelle.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar