Koalitionen kennt man in der Bundesrepublik in der Regel nur aus dem Bundestag oder den Landesparlamenten. Ausnahme sind Großstädte wie München oder Frankfurt, wo sich auch im Stadtparlament Bündnisse finden, die dem Oberbürgermeister verlässliche Mehrheiten beschaffen - oder auch mal gegen ihn arbeiten. In Sachsen gab es so etwas bislang nicht. Aber in Dresden haben jetzt SPD, Linke und Grüne ein Pilotprojekt gestartet.

Das Wahlergebnis in der sächsischen Landeshauptstadt war am 25. Mai ganz ähnlich ausgefallen wie in Leipzig. Auch in Dresden gab es 70 Stadtratssitze zu vergeben. 21 gingen an die CDU, 15 an die Linke, mit 11 Sitzen wurden die Grünen drittstärkste Fraktion, die SPD kam auf 9 Sitze. Dahinter folgten die AfD mit 5 und die FDP mit 3 Sitzen sowie die Piraten, das Bündnis Freier Bürger und die NPD mit jeweils 2 Sitzen.

Rechnerisch haben also Linke, Grüne und SPD die Hälfte der Sitze – 35 von 70. Wenn man auch die beiden Piraten mit ins Boot holt, sind es 37 von 70 Sitzen.

In Leipzig ist das ja alles noch nicht so klar, drei Klagen liegen bei Gericht gegen die Neuansetzung der Kommunalwahl im Wahlkreis 9. Es könnte auch passieren, dass die Neuwahl am 12. Oktober wieder abgeblasen wird. Dann gilt das Ergebnis vom 25. Mai, das Rot-Rot-Grün in Leipzig sogar eine Mehrheit verschaffen würde: Wie die CDU käme die Linke auf 18 Sitze, die SPD auf 14 und die Grünen bekämen 11. Was eine Mehrheit für Rot-Rot-Grün von 43 Sitzen ergäbe.

Natürlich haben die Dresdner auch nicht gleich einen Koalitionsvertrag geschlossen. Es ist erst einmal eine Kooperationsvereinbarung zur Zusammenarbeit von Linken, SPD und Grünen. Dahinter steckt natürlich auch der eigene Frust über das jahrelange Hickhack zwischen den Fraktionen, was teilweise auch die Stimmung belastete. Und das Ergebnis war ganz dasselbe wie in Leipzig: Verwaltung und Oberbürgermeisterin konnten ihre Politik machen – eigene Stadtratsinitiativen scheiterten am Kleinklein der Fraktionen.

Dem wollen Grüne, Linke und Sozialdemokraten jetzt mit einem Kooperationsausschuss begegnen, der jetzt zumindest erst einmal in den drei eher linken Fraktionen gemeinsame Themen und Schwerpunkte abklärt. Wo keine Klärung herbeizuführen ist, wird weiter unterschiedlich abgestimmt. Aber bei Themen, bei denen man im Wesentlichen einen Konsens hat, soll es künftig gemeinsam in die Abstimmung gehen. Dann stehen nicht mehr verschiedene Anträge zum selben Thema in Konkurrenz, was auch in Leipzig regelmäßig passiert, sondern ein gemeinsamer Antrag, in dem man sich vorab auf den Wortlaut geeinigt hat.Das findet auch die Landesspitze der Grünen sinnvoll.

“Erstmals sind in der Dresdner Kommunalpolitik demokratische Mehrheiten ohne die CDU nicht nur möglich, sondern werden auch ernsthaft umgesetzt. Die Kommunalwahl im Mai hat den beteiligten Parteien dafür ein klares Mandat gegeben”, erklären Landtagsfraktionschefin Antje Hermenau und Landesvorsitzender Volkmar Zschocke. “Wir wünschen dieser neuen Mehrheit viel Erfolg. – Die vorliegenden Verhandlungsergebnisse zeigen, dass es in dieser Kooperation möglich ist, grüne Inhalte zum Wohle der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger umzusetzen. Mehr Ökologie in Stadt- und Verkehrsplanung sowie mehr Klimaschutz durch mehr Solardächer und stärkeres Energiesparen sind in der Vereinbarung ebenso verankert wie die Einladung zu mehr Bürgerbeteiligung und Transparenz oder die Einführung der Ortschaftsverfassung. Die Stadtpolitik wird auch sozialer, wie die Initiative für bezahlbares Wohnen und die Einführung einer Ombudsstelle beim Jobcenter Dresden zeigen.”

Was einen wesentlichen Punkt benennt: das politische Klima, das in Dresden ganz ähnlich gewitterschwanger war wie in Leipzig. Da zerfetzte man sich dann am linken Flügel heillos, während die Verwaltungsspitze sich einfach die Mehrheiten zusammenorganisierte und beschließen ließ, was die Verwaltung wollte.

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Für Zschocke und Hermenau ist das Ganze auch ein Experiment, das die größere Bühne im Landtag vorweg nimmt: “Wir Grüne sehen Chancen in diesem Wechsel in der Landeshauptstadt. Denn erstmals in Sachsen wird der Versuch gestartet, aus einer zahlenmäßigen Mehrheit jenseits der CDU auch eine feste Zusammenarbeit zu machen.”

Auch in Leipzig haben die Grünen schon deutlich gemacht, dass sie Interesse an so einer Zusammenarbeit hätten. Doch in Leipzig ist die Konstellation etwas anders: Die SPD stellt den Oberbürgermeister und unterstützt in ihrem Abstimmungsverhalten eher Verwaltung und OBM, als eine eigene, davon abweichende Linie zu fahren. Es wäre zumindest eine echte Überraschung, wenn sich die Leipziger SPD-Fraktion bereit fände, mit Grünen und Linken über eine ähnliche Kooperation zu verhandeln. Denn das hätte zumindest zur Folge, dass sich die Politik von OBM Burkhard Jung (SPD) deutlich hin zu grünen und linken Positionen verschieben müsste, sonst bekäme er keine Mehrheiten mehr zusammen. Bislang nimmt er eher Rücksicht auf die große Fraktion der CDU und tariert seine Politik so aus, dass er aus dem bürgerlichen Lager nicht allzu viel Gegenwind bekommt.

Für den Bürger bleibt deshalb oft sehr diffus, wer eigentlich welche Politik im Rathaus macht.

Die Kooperationsvereinbarung auf der Website der Dresdner Grünen-Fraktion: http://gruenedresden.de/userspace/SN/kv_dresden/Dokumente/14_08_12_abschliessender_Entwurf_Kooperationsvereinbarung.pdf

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