Am 25. Mai wählten die Sachsen die neuen Kommunalparlamente. Die NPD erlangte 98 Mandate, von denen sie mangels ausreichender Bewerber 96 wahrnehmen kann. Nun ist es ein offenes Geheimnis, dass die Partei und ihre Umgebungsorganisationen als Tummelplatz für vorbestrafte Kameraden gilt. Wie kriminell sind die künftigen Kreis- und Gemeinderäte mit braunem Parteibuch? L-IZ.de hat nachgefragt. Mit überraschendem Ergebnis.

Wer könnte sich in Sachsen besser auskennen mit kriminellen Neonazis als das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV)? Behördenchef Gordian Meyer-Plath führte während seiner Dienstzeit in Brandenburg den Carsten Szczepanski als V-Mann, der nach einem Mordversuch an einem Nigerianer 1995 zu acht Jahren Haft verurteilt worden ist. Später hielt sich der militante Rechtsextremist im Umfeld des “Nationalsozialistischen Untergrunds” auf. Noch während der Haft dient dieser sich dem Geheimdienst an. Meyer-Plath chauffiert seinen Informanten vom Gefängnis zu Szenetreffen. Nach der Entlassung eröffnet der Neonazi in Königs Wusterhausen einen Rechtsrock-Handel, baut das Netzwerk “Blood & Honour” mit auf und bewegt sich im Umfeld der rechtsterroristischen “National-Revolutionären Zellen”.

Wer in Sachsen, wenn nicht Meyer-Plath, sollte um die Gefährlichkeit des rechten Milieus Bescheid wissen? Man darf annehmen, seine Behörde führe zu jedem bekannten Neonazi ein ausführliches Datenblatt in der Verfassungsschutz-Datei “NADIS”, in welchem auch etwaige Vorstrafen verurteilt wird. Die Beantwortung einer Presseanfrage nach den Vorstrafen der künftigen NPD-Mandatsträger sollte deshalb eine Kleinigkeit sein. Doch weit gefehlt. Pressesprecher Falk Kämpf meldet sich telefonisch. Natürlich mit unterdrückter Rufnummer. Man könnte ihn ja andernfalls zurückrufen. “Wir sind für dieses Thema nicht zuständig”, erklärt der Geheimdienstler. “Bitte wenden Sie sich an die Strafverfolgungsbehörden.”
Gesagt, getan. Wir richten dieselben Fragen an das Justizministerium. “Ich darf Sie bitten, sich zur Beantwortung der Anfrage zuständigkeitshalber an die Pressestelle der Generalstaatsanwaltschaft Dresden zu wenden”, antwortet Behördensprecherin Birgit Eßer-Schneider.

Dort jedoch heißt es: “Leider kann ich Ihre Anfrage nicht beantworten, da die Staatsanwaltschaften derartige Auswertungen nicht erstellen können”, so Oberstaatsanwalt Wolfgang Klein. In den Registern könnten zwar Straftaten mit extremistischem Hintergrund recherchiert, nicht jedoch eine entsprechende Personengruppe herausgefiltert werden. “Bei den Beschuldigten sind nur die allgemeinen Personalien und der Tatvorwurf verzeichnet, nicht jedoch eine bestimmte Parteizugehörigkeit oder Gesinnung”, so Klein.

Weiß also in Sachsen niemand, wie kriminell die neu gewählten NPD-Gemeinderäte sind? Tatsache ist: Das Landesamt für Verfassungsschutz hat Zugriff auf das Bundeszentralregister. Darin sind die Vorstrafen aller Menschen gespeichert, die von bundesdeutschen Gerichten verurteilt worden sind. Entweder ist der sächsische Verfassungsschutz unwissend oder schlicht zu faul, um die angefragten Informationen zusammen zu tragen.

Dass eine Behörde mit etwa 180 Mitarbeitern selbst nach NSU und diversen Tötungsdelikten durch Rechtsextreme in den vergangenen 25 Jahre die Vorstrafen nicht parat hat, spricht für sich. Auf der Seite des Landesamtes ist zu lesen: “Der gesamte Verbund der deutschen Sicherheitsbehörden hat seit Bekanntwerden der mörderischen Taten der rechtsterroristischen NSU einen enormen Vertrauensverlust erlitten. Der sächsische Verfassungsschutz möchte dazu beitragen, dieses verloren gegangene Vertrauen wieder aufzubauen.”

Drei Jahre sind seit dem Bekanntwerden des NSU und den hochvernetzten rechtsradikalen Strukturen in Deutschland wie in Sachsen ins Land gegangen. Zeit, damit auch mal ernsthaft zu beginnen, war eigentlich genug.

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