Am Donnerstag, 11. Dezember, legte der Sächsische Rechnungshof Teil 2 seines "Jahresberichts 2014" vor. Aber auch wenn Leipzig darin mit dem - zu klein geratenen - Neubau für die Pablo-Neruda-Grundschule besonders hervorgehoben wurde, ist das eigentlich brisante Thema ein anderes: die dauerhafte Unterfinanzierung der Kommunen in Sachsen. Wer von der Hand in den Mund lebt, kann nicht strategisch planen.

Der Rechnungshof hinterfragt diesmal auch das ewige Lied vom ach so sparsamen Sachsen und der guten Finanzpolitik der Staatsregierung, die schon deshalb glaubt, klug mit Geld umzugehen, wenn sie die Ausgaben zusammenstreicht und dann über alles eine lächerliche “Verschuldungsbemse” verhängt.

Die Kosten, die ja trotzdem entstehen, lösen sich eben nicht in Luft auf, auch wenn das 2013 zwei Drittel der sächsischen Landtagsabgeordneten glauben wollten, als sie ihre Hand hoben zur Veränderung der Verfassung. Der Freistaat hat es in den letzten Jahren ganz genauso gehalten wie der Bund: Kosten auf die Kommunen abgewälzt, seine eigene Co-Finanzierung aber zurückgefahren.

Und wohin verschieben die Kommunen die Kosten, wo sie ja nun allesamt von den Landesdirektionen gezwungen werden, ihre Haushalte auszugleichen? – Logische Antwort: In ihre kommunalen Gesellschaften und Eigenbetriebe. Und während dann die öffentlichen Schulden scheinbar herrlich sinken, wächst die Schuldenlast in den ausgelagerten Haushalten immer weiter an.

Im Rechnungshofbericht heißt es dazu zum Beispiel: “Werden allein die Schulden der Kommunen betrachtet, hat Sachsen nach Baden-Württemberg und Brandenburg den niedrigsten Schuldenstand je EW (Einwohner, d. Red.). Unter Hinzunahme der Schulden der Eigenbetriebe, Eigengesellschaften und Zweckverbände weist Sachsen von allen neuen Bundesländern die höchsten Schulden je EW aus.”

Die Schulden wachsen also genau dort, wohin die Kommunen auch die größten Teile ihrer Infrastrukturinvestitionen ausgelagert haben. Und weil das alles hübsch privatrechtlich getrennt ist, kann daraus dann eine so schizophrene Diskussion entstehen wie in Leipzig, wo die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) jedes Jahr die Fahrpreise erhöhen, weil die Stadt nur noch die “Verkehrsleistung” finanziert.

“Die Kommunen leiden unter chronischer Unterfinanzierung”, kritisiert denn auch André Schollbach, kommunalpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Landtag. “Gerade im sozialen und kulturellen Bereich fehlt es vielfach an einer angemessenen Finanzausstattung. Besonders deutlich treten die finanziellen Probleme der Kommunen bei den Investitionen zutage: So sinkt die Investitionsquote der kommunalen Ebene auf den historischen Tiefstand von 11,2 Prozent.”

Dass die Kommunen viele ihrer einstigen Kernaufgaben gezwungenermaßen ausgelagert haben in Eigengesellschaften, findet er höchst problematisch und auch undemokratisch, denn die Kontrolle durch die gewählten Volksvertreter wird damit deutlich erschwert: “Problematisch sind zudem die Schattenhaushalte. In ihrer Not lagern viele Städte immer neue Schulden in kommunale Unternehmen aus und schaffen damit Schattenhaushalte. So finden sich 77,6 Prozent der kommunalen Verbindlichkeiten in ausgelagerten Bereichen wieder, für die es keine unmittelbare Kontrolle durch die Kommunalparlamente gibt. Daher ist der Aufbau eines qualifizierten Beteiligungsmanagements von wesentlicher Bedeutung. Hier hat der Rechnungshof die Schwachstellen aufgedeckt. Eine wirtschaftliche Betätigung kann dauerhaft nur erfolgreich sein, wenn ihr eine Gesamtstrategie zugrunde liegt, die dann auch umgesetzt wird.”

Die fehlende Kontrolle macht auch Eva Jähnigen, kommunalpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Sächsischen Landtag, besorgt: “Zu Recht drängt der Sächsische Rechnungshof auf mehr Transparenz und Kontrolle bei den kommunalen Unternehmen. Viele Probleme in kommunalen Beteiligungsgesellschaften wären bei ausreichender Kontrolle und Information sowie klaren gemeindeinternen Leitlinien vermeidbar gewesen.”

Gerade das Beispiel der Leipziger Wasserwerke hat ja gezeigt, das die ehrenamtlichen Mitglieder der Aufsichtsräte schnell überfordert sind. Jähnigen sieht die Volksvertreter schon durchaus am richtigen Platz – nur sollten sie für diese Arbeit deutlich besser qualifiziert werden.

“Es muss selbstverständlich werden, dass den meist ehrenamtlich tätigen kommunalen Aufsichtsräten umfassende und aufbereitete Informationen des Beteiligungsmanagements zur Verfügung stehen. Die Aufsichtsräte müssen beim Erwerb der notwendigen Sachkunde von den Kommunalverwaltungen aktiv unterstützt werden. Daran mangelt es häufig in der Praxis”, stellt Jähnigen fest. “Richtig ist auch, dass sich Bürgermeister oder Landräte in Gesellschafterversammlungen kommunaler Unternehmen für ihre eigene Aufsichtsratstätigkeit selbst entlasten oder zusammen mit ihren Stellvertretern die Aufsichtsräte dominieren dürfen. Hier ist mindestens ein Vier-Augen-Prinzip mit einem dienstlich nicht direkt abhängigen Akteur innerhalb der Verwaltung geboten.”

Und auch sie machen die gewaltigen Schattenhaushalte mit ihren Kreditlasten besorgt: “Große Sorge bereitet mir die Verschuldung bei kommunalen Gesellschaften, in Bereichen also, in denen Kommunen ihre Aufgaben auf Eigenbetriebe und -gesellschaften ausgelagert haben. Dass Sachsen in diesem Bereich Spitzenreiter ist, muss das Innenministerium als Rechtsaufsichtsbehörde aufhorchen lassen. Auch hier brauchen wir strengere gesetzliche Vorgaben. Leider haben diese wichtigen Fragen bei der letzten Novelle der Gemeindeordnung keine Rolle gespielt. Ich fordere Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf, die Empfehlungen und Forderungen des Rechnungshofes im Benehmen mit den kommunalen Spitzenverbänden zügig umzusetzen.”

Vielleicht der falsche Appell an den falschen Mann. Denn tatsächlich war die Auslagerung der Kreditlasten in ausgelagerte Gesellschaften von der Politik ja genau so gewollt, sonst hätte es die fadenscheinige Diskussion über gesetzlich verankerten Schuldenbremsen und Neuverschuldungsverbote in Sachsen nicht gegeben. Dann hätte sich die verantwortliche Staatsregierung nämlich einmal mit der Frage beschäftigt, warum ausgerechnet Sachsen mit seinem Haushalt scheinbar so prächtig da steht – und wie es in den Kommunen mit ihren Infrastrukturlasten tatsächlich geht.

Die Zeit des Eiapopeia geht eigentlich so langsam zu Ende. Und wenn die politisch Verantwortlichen nicht die Kurve kriegen, dann werden es die Insolvenzen der ersten kommunalen Eigenbetriebe sein, die mit Krachen für Aufmerksamkeit sorgen. Denn es gilt – gerade hier – das alte und bewährte Sprichwort: Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht.

Der Rechnungshofbericht ist nur eine Warnung. Eine für den Sächsischen Rechnungshof ausgesprochen deutliche.

Den Rechnungshofbericht findet man hier: www.rechnungshof.sachsen.de/pages/index.html

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