Man kann sich streiten über die sächsische Standortkampagne „So geht sächsisch.“ Sollte man wohl auch. Immerhin geht es um Steuergelder. Und wer sagt denn, dass eine Staatskanzlei den richtigen Riecher hat für die Sachsen-Werbung? Am Donnerstag, 30. April, hat sich der Sächsische Landtag gestritten. Futter lag ja vor: Die Linksfraktion hatte extra eine Große Anfrage gestellt.

Und das, was Dr. Fritz Jaeckel, der Chef der Staatskanzlei, da auf die 22 Fragen der Linken geantwortet hat, fand durchaus unterschiedliche Bewertungen. Während die Linksfraktion der Staatsregierung bei der Durchführung  ihrer Standortkampagne Konzeptionslosigkeit und fehlende Abstimmung mit regionalen Partnern aus Wirtschaft und Tourismus vorwarf, fand Thomas Colditz, tourismuspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, dass die Linke da wohl völlig daneben lag: „Dieses Ziel hat die Linke klar verfehlt. Die Staatsregierung hat eine große Anfrage der Linken umfassend und konkret beantwortet und auch in der Plenardebatte konnte die Linke nichts Greifbares vorlegen. Es ist jedoch deutlich geworden, dass die Linken weder Konzeption noch Zielsetzung der Kampagne verstanden haben. Ziel der Standortkampagne ist es, den Freistaat national wie international bekannter zu machen und positiv zu besetzen. Sachsen ist ein liebens- und lebenswertes Land – diese Botschaft muss in die Welt getragen werden. Es geht nicht um die Darstellung der einzelnen Branche oder Region, es geht um die Vermittlung des Ganzen.“

Und Octavian Ursu, stellvertretender Vorsitzender des Fraktionsarbeitskreises für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien, warf den Linken gar Erbsenzählerei vor: “Auf der Grundlage eines positiven sächsischen Images können Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft oder Sport ihre Belange erfolgreich bewerben. Es geht bei ‚So geht sächsisch.‘ eben nicht darum, Produkte zu verkaufen, sondern das positive Image Sachsens als Marke zu kommunizieren. Erfolgsmaßstab sind hier nicht Absatzzahlen, sondern Erinnerungswert und Wiedererkennung. – Die Fragen der Linken erinnern eher an Erbsenzählerei. Es geht weniger um Inhalte, sondern nur darum, die Staatsregierung anzugreifen. Dabei hat diese klargestellt, dass eine laufende Abstimmung mit den sächsischen Akteuren der Tourismus- und Wirtschaftsförderung erfolgt, ebenso eine enge Verzahnung mit anderen Kampagnen und Institutionen.”

Er sieht die Kampagne sogar mit Erfolg in den Markt gesetzt: “Ein Drittel der Deutschen kennt die Kampagne. Die gestützte Erinnerung liegt sogar bei 41 Prozent. Das sind sehr gute Werte für eine Standortkampagne, die noch nicht lange läuft. Sächsische Tugenden, wie Pragmatismus, Machermentalität, Innovationsfreude, Herzlichkeit und Weltoffenheit haben die Entwicklung Sachsens in den letzten Jahren geprägt. Das sichtbar werden zu lassen ist angesichts der internationalen Berichterstattung mit Bildern und Berichten über diverse politische Abendspaziergänge, dringender denn je.“

Was übrigens eine erstaunlich klare Aussage aus den Reihen der CDU ist: So deutlich hat sie sich bisher noch nicht öffentlich von Pegida, Legida & Co. distanziert.

Zum Lichtfest im Oktober 2014 in Leipzig zu sehen: riesiges Blow-up an der Alten Hauptpost am Augustusplatz. Foto: Ralf Julke
Foto: Ralf Julke

Linke findet Kontrolle einer millionenschweren Regierungskampagne wichtig

Für die Fraktion Die Linke kommentiert Klaus Tischendorf freilich, wie nötig es ist, solche millionenschweren Standortkampagnen kritisch zu hinterfragen. Denn ein Großteil der Fragen hat sich mit den eingesetzten Steuergeldern beschäftigt.

“Für die Standortkampagne wird Steuergeld in Millionenhöhe eingesetzt. Die parlamentarische Kontrolle dieses Regierungshandelns ist somit keine ‘Erbsenzählerei’, sondern demokratisches Recht und Vernunftgebot. Die Antworten auf unsere Große Anfrage sind jedoch alles andere als ‘umfassend und konkret'”, wehrt sich der Landtagsabgeordnete der Linken gegen die Vorwürfe aus der Regierungskoalition. “Die Staatsregierung hat damit versucht, Zweifel am bestmöglichen Verlauf der Kampagne zu zerstreuen. Dieses Ziel hat sie klar verfehlt.”

Im Gegenteil: Die Linksfraktion fühle sich in ihrer Auffassung bestärkt, dass die Staatskanzlei mit Konzeption und Kontrolle des Kampagnenverlaufs von Beginn an überfordert war. Was an dieser Stelle zu konkretisieren ist: Bis Herbst 2014 war als Chef der Staatskanzlei Dr. Johannes Beermann verantwortlich für die Kampagne – und hat auch im wesentlichen entschieden, welche Schwerpunkte sie bekommt und welche Agenturen zum Zuge kommen. Fritz Jaeckel hat den schon damals umstrittenen Staatsminister in der neuen Regierung abgelöst.

Der Vorstoß der Linken betrifft also im Wesentlichen das Agieren des ehemaligen Chefs der Staatskanzlei. Klaus Tischendorf: “Mit externen Kommunikationsexperten kann nur auf Augenhöhe zusammenarbeiten, wer selbst über Expertise verfügt. Diese fehlt der Staatsregierung offenbar. Wir wissen bis heute nicht, ob bei der Präsentation der Angebote Fachleute anwesend waren oder ob das Leistungsverzeichnis von Sachverständigen erstellt wurde. Dass diese Frage unbeantwortet blieb, lesen wir als verschämtes ‘Nein’. Nicht erklärt werden zudem hohe Kosten für Konzeption und Umsetzung einzelner Kommunikationsmaßnahmen. Bezeichnend ist auch das Unvermögen, den Abgeordneten die Ergebnisse einfachster statistischer Auswertungen von facebook-Aktivitäten zu präsentieren.”

Dass Sachsen vielleicht eine ordentliche Standortkampagne braucht, stellt Tischendorf nicht in Frage. Aber dass die Kampagne ausgerechnet im Wahljahr 2014 ihren Höhepunkt erreichte, findet er schon bedenkenswert.

“Niemand kritisiert Bemühungen, die Bekanntheit des Freistaates zu erhöhen und ihm zu einem positiven Image zu verhelfen. Das ist insbesondere für Wirtschaft und Tourismus wichtig”, sagt er. “Wir kritisieren allerdings, dass die Staatsregierung sich durch die bewusst verzögert gestartete Kampagne Wahlkampfhilfe auf Steuerzahlerkosten organisiert hat.  Darin besteht offenbar das eigentliche Ziel. Deshalb bestehen wir selbstverständlich auf unserem Recht als Opposition, diese Vorgänge zu hinterfragen. Das tun wir im Wissen um eine Vielzahl politischer Probleme im Freistaat, über die keine Kampagne der Welt hinwegtäuschen kann.”

In seiner Landtagsrede am Donnerstag wurde Tischendorf dann noch ein wenig launiger. Denn so professionell, wie die Staatsregierung glaubhaft machen wollte, war die Kampagne von Anfang an nicht.

“Zum Kampagnenstart im Sommer 2013 standen auch nicht, wie in der Antwort der Staatsregierung behauptet, touristische Themen im Vordergrund. Erst einmal wurden davon Gelder dafür verwendet, um sich bei den Helferinnen und Helfern der Flutkatastrophe zu bedanken. – Hinzu kam dann auch noch ein weiterer Grund.

Die ursprünglich für die Kampagne erfundenen Titel fielen in der eigens dafür gebildeten Kommission krachend durch. Die dort vorgestellten Headlines ‘Baden ohne Württemberg’ oder ‘Elbphilharmonie ohne Verstimmung’, die eine Bewerbung Sachsens auf Kosten anderer Bundesländer vorsah, kamen zum Glück nie zum Einsatz. Offensichtlich musste Dank der öffentlichen Diskussion in der Presse das angedachte Gesamtkonzept über den Haufen geworfen werden.

Zur Sitzung des Kampagnenbeirates im April 2013 wurden 18 Entwürfe für die Vermarktung Sachsens vorgestellt. Davon waren übrigens 5 in Dresden angesiedelt, 4 in Leipzig, keines in Chemnitz und 4 ohne klare regionale Zuordnung. Für meine Heimatregion, dem Erzgebirge, sollte beispielsweise unter dem Slogan ‘Spielen ohne Bedenken’ ein Holzengel abgebildet werden. Das konnte nur Ablehnung auslösen.”

Irgendwie hängt die undurchsichtige Kampagnengestaltung für ihn auch mit der oft genug diffusen Landespolitik zusammen.

“Sachsen muss in die Substanz investieren, anstatt sich einen schönen, aber letztlich durchsichtigen Anstrich zu verpassen”, kritisiert Tischendorf. “Sonst ist keine glaubwürdige Kommunikation möglich. Nicht zuletzt deshalb hatten wir beantragt, im Doppelhaushalt keine Mittel mehr für diese Standortkampagne einzustellen. Mit Sprechblasen und Heimatbildern, mit deren Hilfe die Koalition erwartungsgemäß die Debatte bestritt, werden sich die vorgeblichen Ziele der Standortkampagne übrigens auch nicht erreichen lassen.”

Auch wenn die nach einem anderthalbjährigen Auswahlverfahren 2013 gekürte Agentur Ketchum Pleon GmbH international agiert, hat sie damals den Zuschlag für die Kampagne auch deshalb bekommen, weil sie in Dresden eine Niederlassung mit 30 Mitarbeitern unterhält. Was vielleicht auch erklärt, warum die Kampagne einfach nicht international aussieht, sondern sehr sächsisch-provinziell.

Grüne finden sächsische Heimatwerbung auch zu teuer

Genauso deutlich wurde in der Landtagsdebatte am Donnerstag auch Franziska Schubert, haushaltspolitische Sprecherin der Grünen. Und weil sie so schön deutlich wurde, haben wir hier die schönsten Stellen aus ihrer Rede einfach mal untereinander gereiht:

“Zugegebenermaßen, in der letzten Zeit komme ich nicht wirklich oft dazu, aber manchmal, zur Sicherung des eigenen Überlebens, schaffe ich ihn: den Gang in den Supermarkt. Bei einem dieser Gänge steuerte ich zielgerichtet zu den Milchtüten. Und da blitzte es mich an: das Sachsenwappen. Auf Müllers Milchtüten prangte es über einer adrett in farblos gekleideten Frau mit einem Kinderwagen. Darüber steht: ‘Wir finden, wer Karriere macht, sollte sich auch einen Sportwagen leisten können.’ Ich stutzte. Vor kurzem gehörte ich zu der Zielgruppe, die Sachsen zu erreichen versucht: im erwerbs- und gebärfähigen Alter, mit guter Hochschulausbildung, gesellschaftlich engagiert, weiblich. Potenzielle Mutter. Ich fragte mich also, ob mich die Botschaft auf der Milchtüte damals dazu hätte bewegen können, Sachsen wieder als meinen Lebensmittelpunkt zu wählen. Im Geiste antwortete ich mir: nein. Keine einzige Maßnahme der Standortkampagne, die mir bekannt ist, hätte mich bewogen. Bewogen haben mich: meine familiären Wurzeln, die Möglichkeit, an Dresdens TU am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeographie Südost- und Osteuropas einen Lehrauftrag anzunehmen, die Aussicht auf Rückkehr in meine Oberlausitzer Heimatregion, in der mein Engagement geschätzt und gewollt wurde.”

“Kein anderes Land gibt so viel Geld für eine Imagekampagne aus wie Sachsen. Allein das ist uns Grund genug, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Kosten dieser Kampagne in keiner Relation zum Nutzen stehen. Wir haben auch für diesen Doppelhaushalt wieder die Halbierung des Mittelansatzes beantragt. Das Ergebnis ist bekannt. Es werden weiterhin 8 Millionen Euro pro Jahr für ‘So geht Sächsisch’ zur Verfügung stehen. Nur zum Vergleich: die Kampagne der Baden-Württemberger (‘Wir können alles. Außer Hochdeutsch.’) läuft seit 1999 und hatte in ihren haushalterisch besten Zeiten ein Budget von 3,2 Millionen Euro pro Jahr. 2011 wurde das Konzept angepasst, und seitdem stellt Stuttgart für die Imagepflege noch 400.000 Euro pro Jahr in den Haushalt ein. Da stellt sich schon die Frage, was an Sachsens Standortkampagne so innovativ ist, wenn Jahr über Jahr dermaßen viel Geld zur Verfügung gestellt wird.”

“Die Staatsregierung hat in der gesamten Laufzeit nicht überzeugend darstellen können, dass sie ein schlüssiges, in sich greifendes Konzept für den Freistaat Sachsen als Standort entwickelt und erprobt hat. Sie verweist immer wieder darauf, dass es sich bei ‘So geht sächsisch.’ um eine Dachmarke handelt. Wie sich aber die regionalen Tourismusverbände, die Wirtschaftsförderung, die Landkreise etc. da konzeptionell einfügen und andocken, wissen wir bis heute nicht.”

“Die Kampagne ist zu teuer und verfehlt, weil nach wie vor nicht einmal die Zielgruppen klar sind. Studierende gewinnt man durch Qualität, Fachkräfte durch ordentliche Löhne, Frauen durch bessere Karrierechancen und Touristen aus aller Welt vor allem durch Weltoffenheit und nicht allein durch ein reiches kulturelles Erbe.”

“Der Entschließungsantrag der Linken trifft bei uns auf Zustimmung, allerdings hätten wir weitere Zusätze, wie die Forderung nach einer Darstellung Sachsens auch als Lebensstandort, regelmäßige Werbewirkungsmessungen mit unaufgeforderter Bekanntgabe der Ergebnisse an die Mitglieder das Sächsischen Landtags und eine transparente Auftragsvergabe mit Stellungnahme durch die Staatskanzlei, wenn die Auftragssumme den Wert von 50.000 Euro überschreitet. Mit Blick auf einen Artikel in der heutigen Sächsischen Zeitung, wo im Rahmen der Standortkampagne eine Sonderbriefmarke vorgestellt wird, wo als neuster Clou ein ‘Meissen Couture Mops’ zu sehen ist, kann ich nur mit Kopfschütteln fragen: So geht sächsisch? Ei verbibbsch.”

Die Große Anfrage der Linksfraktion zu “So geht Sächsisch”.

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