Das mit den Akten ist ja in Sachsen so ein Problem. Immer wieder fehlen sie. Gerade als die beiden Untersuchungsausschüsse des Sächsischen Landtages herauszufinden versuchten, wie sich die sächsischen Behörden verhalten haben, als das rechtsradikale Terrortrio in Sachsen Unterschlupf fand und mit jahrelanger Unterstützung diverser Netzwerke bis 2011 unentdeckt bleiben konnte.

Da haben schon etliche Verfassungsschützer und Polizeibeamte herumgedruckst, Erinnerungslücken festgestellt und auf Akten nicht mehr zugreifen können. Waren die einfach in einer der großen Aktionen beim Verfassungsschutz geschreddert worden? Und was war mit den Akten der Staatsanwaltschaft, in denen all die rechtsradikalen Unterstützer stehen mussten, die selbst mit diversen Straftaten auffielen? – Abgesoffen, hieß es da schon vor einiger Zeit mit amtlichem Bedauern. Sie standen in einem Keller in Chemnitz und wurden bei Hochwassern in den Jahren 2002 und 2010 vernichtet.

Aber während einige Medien dann gleich wieder Owei! ausriefen, ließ Valentin Lippmann, der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, nicht locker und fragte weiter, weil er so ein Gefühl hatte: Das war wieder nur die halbe Wahrheit. Mit solchen Akten hat nicht nur die Staatsanwaltschaft zu tun, da besorgen sich auch andere Behörden Duplikate der Akten, wenn der Fall gerichtsrelevant ist.

Und eine ebensolche Antwort bekam Lippmann dann auch, als er nachfragte. Von den abgesoffenen Akten zu den 77 Verfahren der sogenannten 129er-Liste gäbe es bei der sächsischen Polizei zu 44 Verfahren noch Akten beim OAZ bzw. der Polizeidirektion Chemnitz, erfuhr Lippmann bei mündlicher Nachfrage. Die haben augenscheinlich Archive, die nicht bei jedem kleinen Hochwasser unter Wasser stehen.

Die 129er-Liste wird so genannt, weil darin sämtliche namhaften Unterstützer aus dem Netzwerk rund um den NSU verzeichnet sind. Denn das haben einige Instanzen mittlerweile begriffen: Der NSU konnte nur so lange untertauchen und seine Überfälle und Morde verüben, weil er jederzeit auf Unterstützer aus sich teils überlappenden rechtsextremen Vereinigungen zurückgreifen konnte. Einige der Unterstützer waren stets in engem Kontakt mit den drei in Zwickau Untergetauchten. Und da das auch keine braven Bürger waren, haben etliche dieser Unterstützer auch mehrmals mit Polizei und Gericht Bekanntschaft gemacht. Und natürlich ist die Hoffnung berechtigt, in den Akten zu diesen Verfahren mögliche Hinweise auf Kontakte zum NSU zu finden.

Zwei Arbeitstreffen – so Justizminister Sebastian Gemkow in seiner Antwort auf eine Anfrage von Valentin Lippmann – hätten dazu schon stattgefunden.

Jetzt muss gesucht werden.

„Im Ergebnis der zu Frage 1 genannten Arbeitstreffen wurden die Falldaten zu den Aktenbeständen der sächsischen Polizei und Staatsanwaltschaften zu den Personen der 129er-Liste zusammengeführt. Auf dieser Grundlage sind in einem nächsten Arbeitsschritt weitere Datenbankrecherchen beabsichtigt, die insbesondere aufgrund der gegenwärtigen Urlaubszeit noch nicht abgeschlossen werden konnten“, teilt Gemkow mit. Einige weitere Akten sind also möglicherweise da. Man müsste sie nur noch finden. Obwohl es möglicherweise keine weiteren Funde geben wird über die 44 Aktenkopien hinaus, die die Polizei schon dem ersten NSU-Untersuchungsausschuss angeboten und dann 2015 auch dem zweiten übersandt habe.

Aber so richtig große Hoffnung, dass mit den Datenbankrecherchen noch mehr zu den durch Hochwasser vernichteten Akten gefunden werden kann, macht Gemkow nicht.

Die Anfrage von Valentin Lippmann zur Suche nach den Aktenkopien. Drs. 5355

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Offenbar sind etliche Akten zu mutmaßlichen NSU-Unterstützern in Sachsen durch Hochwasser vernichtet worden

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