Mit dem ganz großen Gewehr preschten am Dienstag, 15. November, die Umweltpolitischen Sprecher der CDU in Sachsen und Brandenburg in die Heide. In Dresden hatten sie mit ihren schießgewaltigen Kollegen aus den anderen CDU/CSU-Fraktionen getagt. Da haben sie eine Resolution verabschiedet, die den Wolf jetzt wieder zum Anschuss bringen will. Dabei schreckten sie auch vor Panikmache nicht zurück.

„Die Rückkehr des Wolfes ist das Ergebnis des Naturschutzes. Rudel breiten sich zunehmend und immer schneller in Deutschland aus“, erklärte der Vorsitzende der Umweltpolitischen Sprecher der Unions-Fraktionen, Dieter Dombrowski aus Brandenburg. „Deshalb dürfen die Menschen und besonders die Landwirte in den ländlichen Gebieten nicht länger alleingelassen werden. Der Schutz der Weidetiere mit Zäunen oder Hunden und der Schadensausgleich von Nutztierrissen sind nach wie vor wichtig. Aber bereits heute muss über eine Anpassung des europäischen Schutzstatus für die Wolfsvorkommen in Deutschland und eine künftige Regulierung der Population nachgedacht werden.“

Noch schrillere Töne schlug der umweltpolitische Sprecher der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages, Jan Hippold, an: „Die Ausbreitung des Wolfes schreitet rasant voran und in absehbarer Zeit wird faktisch der gesamte Freistaat Sachsen Wolfsregion sein. In Konsequenz bedeutet dies ganz konkret, dass die Zahl der nachweislich gerissenen Tiere des unter Artenschutz stehenden Raubtiers von 2002 bis 2015 von 33 auf 714 gestiegen ist – also um mehr als das 20-fache. Diese Situation ist nicht mehr allein mit Herdenschutz zu lösen.“

Nur dass es nicht überlesen wird: Es ist die Erhöhung der Zahlen seit 2002, in einem Zeitraum von 13 Jahren, in dem der Wolf überhaupt erst wieder in nennenswerter Zahl in Deutschland heimisch geworden ist. In einem Deutschland, dessen „Naturschutz“ die Unionspolitiker zwar loben – aber wirklich große Rückzugsräume finden die Wölfe hier gar nicht vor, weder große geschlossene Wälder als Rückzugsraum, noch von menschlicher Nutzung weitgehend freie Heiden. Tatsächlich treffen sie überall auf intensive menschliche Nutzung. Und vor allem – das gilt erst recht für Ostsachsen – auf eine intensive Jagd. Das heißt: Sie liegen auch mit den Jägern in täglicher Konkurrenz.

In Sachsen rennen die jagdbegeisterten Unionsschützen schon seit Jahren gegen die gesetzlichen Regelungen an, die die Wolfspopulationen schützen sollen.

„Neben umfassender Unterstützung der Tierhalter durch den Freistaat ist aus unserer Sicht auch die Bundesregierung gefragt“, findet Hippold. „Die muss Gelder für den Herdenschutz zur Verfügung stellen. Außerdem müssen wir über die bisherigen Schutzmaßnahmen hinausgehen. Abschüsse von Wölfen, die ein atypisches Verhalten aufweisen oder sich innerhalb eingezäunter Weiden befinden, sollten ermöglicht werden. Eine aktive Populationsregulierung muss vor dem Hintergrund der positiven Populationsentwicklung enttabuisiert und in einem bestimmten Rahmen ermöglicht werden.“

Und da ist man dann beim atypischen Wolf, den auch Dieter Dombrowski ausgemacht hat: „Besonders schnell und unbürokratisch muss dies bei verhaltensauffälligen Tieren möglich sein. Hierzu bedarf es praxistauglicher Regelungen im Wolfsmanagement der Länder und auch der Bund und die EU müssen sich stärker zu ihrer Verantwortung bekennen. Eine schwindende Akzeptanz schadet nicht nur dem Wolf, sondern auch der gesellschaftlich gewollte Artenschutz verliert das Vertrauen. So weit darf es nicht kommen, denn Naturschutz funktioniert nur im einvernehmlichen Miteinander.“

Von den Regeln des geltenden Wolfsmanagements – zum Beispiel in Sachsen – haben beide wahrscheinlich noch nichts gehört. Oder wollen nichts davon wissen.

„Die Regelungen im Wolfsmanagementplan Sachsens reichen vollständig aus“, hält ihnen Wolfram Günther, umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im sächsischen Landtag, entgegen. „Auch die Voraussetzungen für die Entnahme von Wölfen sind darin geregelt. – Landtagskollege Jan Hippold (CDU) sollte stolz darauf sein, dass Sachsen mit dem Plan aus dem Jahr 2009 wirklich führend in Deutschland ist, statt ihn infrage zu stellen. Mit der vollständigen Entschädigung bei Nutztierschäden seit dem Jahr 2016 ist das Umweltministerium zudem einer weiteren wichtigen Forderung nachgekommen.“

Auch der Umgang mit „auffälligen Wölfen“ ist da geregelt. Und das will auch die sächsische Staatsregierung nicht einfach irgendwelchen trophäenversessenen Jägern überlassen. Die Entfernung der Tiere aus dem Bestand soll „von erfahrenen Personen bzw. vom Wolfsbeauftragten im Auftrag und mit Ausnahmegenehmigung des LRA in Abstimmung mit dem SMUL durchgeführt“ werden.

Woran sich ja bekanntlich einige Jäger besonders in Ostsachsen nicht halten. Immer wieder kommt es hier zu Wolfstötungen, die dann zu einem Fall der Kriminalpolizei werden. Nach Angaben des Lausitzer Wolfsbüros kam es seit 2000 in Sachsen bereits zu sieben illegal getöteten Wölfen.

Wolfram Günther verweist darauf, dass die meisten Probleme von neuen Rudeln ausgehen. „Mit der Zeit vervollkommnet sich auch der Nutztierschutz und die Konflikte werden geringer.“

Anne Kämmerer, Sprecherin der Grünen Jugend Sachsen, kritisiert auch die Panikmache der Unionspolitiker: „Es gibt weder eine Überpopulation an Wölfen in Sachsen und Deutschland, noch ist es atypisch, wenn Wölfe Schafe reißen. Wölfe können nicht wissen, welche Tiere sie erbeuten dürfen und welche nicht. Der Wolf gehört geschützt und ist daher ausschließlich dem Naturschutzgesetz zu unterstellen. Die CDU schürt mit ihrer Forderung Ängste vor unserem neuen Nachbarn und versucht damit billig auf dem Rücken eines streng geschützten Wildtieres Politik zu machen. Intoleranz in der Bevölkerung kann für den Wolf gefährlich werden.“

Schon vor einem Jahr, als die Panikmache in Sachen Wolf wieder durch Sachsens Gazetten schwappte, hielt Günther den eifrigen Jagdspezialisten die blanken Zahlen vor: „Es ist falsch, dass die sächsischen Wolfsbestände mit ca. 20 bis 30 Erwachsenen und ähnlich vielen Jungtieren eine flächendeckende Bedrohung für den Schafbestand des Landes darstellen würden. Hier hilft ein Blick auf die Fakten: Im Jahr 2013 wurden in ganz Sachsen ca. 75.000 Schafe gehalten und davon 12.200 geschlachtet. In den Gebieten der Wolfsreviere wurden etwa 15.000 Schafe gehalten. Dem stehen ca. 50 Risse durch den Wolf entgegen. Für den Schadenausgleich von Rissen bzw. nicht auszuschließenden Schadensereignissen durch den Wolf wurden in Sachsen von 2002 bis 2014 insgesamt ca. 50.000 Euro an Tierhalter ausgezahlt. Das sind nicht einmal 5.000 Euro Schadenssumme pro Jahr. Angesichts dieser Zahlen kann man sich über die teilweise hysterisch geführte Debatte nur wundern. Kurios mutet auch die Argumentation mancher Jäger an, dass die Wölfe die Wildbestände im Land stark dezimieren würden. In Sachsen werden pro Jagdsaison 30.000 bis 35.000 Rehe und 15.000 bis 35.000 Wildschweine von der Jägerschaft geschossen. Bei diesen hohen Abschusszahlen kann sich der Appetit von einigen Wölfen unmöglich verändernd auf den Gesamtbestand auswirken.“

Der sächsische Wolfsmanagement-Plan.

Die Dresdner Resolution der Unions-Umweltpolitiker.

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Es gibt 3 Kommentare

Da futtert wohl jemand den Waffenliebhabern die Zielscheiben weg. Wenn man sich mal diverse Berichte über Jagdunfälle ansieht, zieh ich eine Begegnung mit einem Wolf der mit einem Jäger jederzeit vor.

Andere Sichtweise. Ist ein ausreichender Bestand an Wölfen und anderen Jägern da, braucht es den Menschen im Wald nicht mehr zur “Pflege der Bestände”. Es geht nicht um “Schafe” 😉

„Es ist falsch, dass die sächsischen Wolfsbestände mit ca. 20 bis 30 Erwachsenen und ähnlich vielen Jungtieren eine flächendeckende Bedrohung für den Schafbestand des Landes darstellen würden.”

Kleines Rechenexempel: In Sachsen gibt es derzeit 21 Rudel, macht schon mal 42 “Erwachsene”, da mir Rudel mit Geschiedenen und Ledigen nicht bekannt sind.
Sehr konservativ gerechnet hat jedes Rudel 4 Jungtiere, macht 84 Stück dergleichen.

Die werden sicher nicht alle Schafe in Sachsen aufessen, aber Problemfälle sollten durch Entnahmen beseitigt werden.

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