Am Freitag, 9. Februar, gab es eine Sachverständigenanhörung zur sächsischen Umsetzung des „Prostituiertenschutzgesetzes“, das vor allem auf Betreiben der damaligen Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) vom Bundestag verabschiedet worden war und am 1. Juli 2017 in Kraft trat. Doch irgendwie hat die Bundesministerin versäumt, vorher mit den eigentlich Betroffenen zu sprechen. Kann man das überhaupt reparieren?

„Es kommt selten vor, dass sich in einer Anhörung alle von den Fraktionen benannten Sachverständigen einig sind. Heute haben alle das Gesetz komplett verrissen – es war die Rede von ‚völligem Quatsch‘. Klar ist: Mit den Mitteln der Landespolitik lassen sich die Fehler des Prostituiertenschutzgesetzes, das eher ein Prostituiertenbloßstellungsgesetz ist, nicht beheben“, kommentierte Sarah Buddeberg, Sprecherin für Gleichstellungs- und Queerpolitik der Linksfraktion, die Anhörung noch am Freitag.

„So kann der Landtag nichts daran ändern, dass wegen der Zwangsberatungen und dem sogenannten ‚Hurenpass‘ Sexarbeiter*innen massenhaft in die Illegalität abzudriften drohen. Ein echtes Schutzgesetz würde die Schutzbedürftigen nicht zwingen, für ihren Schutz selbst zu zahlen und ihre Position schwächen, sondern für mehr Solidarität unter ihnen sorgen. Denn Sexarbeit findet in Sachsen – auch das hat die Anhörung klar gezeigt – weniger in Großbordellen statt, sondern oft dezentral in Wohnungen. Gerade diese von Frauen selbst geführten Kleinstgewerbe sind nun existenzbedroht.“

Und die gleichstellungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Katja Meier: „So sensible Gesetze wie das Ausführungsgesetz zum Prostituiertenschutzgesetz dürfen nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg verabschiedet werden. Die Ministerien sind einfach zu weit weg vom realen Leben. Die in der Anhörung geäußerte Forderung nach einem Runden Tisch zur Umsetzung des Gesetzes im Freistaat haben wir Grüne bereits vor einem Jahr erhoben. Hieran hatte die Staatsregierung leider keinerlei Interesse. Das muss sich nach dem heutigen eindringlichen Appell der Gesundheitsämter sowie der betroffenen Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter ändern.“

Aus Buddebergs Sicht ist bei diesem Gesetz nur noch Schadensbegrenzung möglich: „Die muss der Landtag leisten. Die Kosten für Pflichtberatungen und Pflichtuntersuchungen dürfen keinesfalls den Sexarbeiter*innen aufgebürdet werden. Der Freistaat darf die Kommunen mit den anfallenden Aufgaben nicht länger hängenlassen, sondern muss sie stärker finanziell und technisch unterstützen, etwa beim Druck der Ausweise. Offene Fragen zum Datenschutz müssen geklärt werden. Sachsen braucht zudem dringend eine Fachberatungsstelle für das Thema Sexarbeit, die alle Beteiligten an einen Tisch holt.“

Und ihr Appell an die zuständige Ministerin: „Wenn die Sozialministerin Klepsch aufmerksam zugehört hat, wird sie nicht umhinkommen, den Gesetzentwurf zu ändern.“

Auch Katja Meier sieht jetzt die Ministerin in der Pflicht, die Gesetzesvorlage gründlich zu überarbeiten.

„Die heutige Anhörung war dringend nötig. Denn sie hat die entstandenen und noch absehbaren Probleme auf den Tisch gebracht. Einigkeit besteht unter den Sachverständigen über den Fakt, dass die Erhebung von Gebühren nicht nur dem Schutzzweck des Prostituiertenschutzgesetzes widerspricht. Die besonders schutzbedürftigen Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter unter 21 Jahren würden durch die Gebührenpflicht laut Gesetzentwurf massiv betroffen, weil sie sich doppelt so häufig beraten lassen müssten und damit doppelt so hohe Gebühren zu tragen hätten“, betont Meier. „Zudem muss das sächsische Ausführungsgesetz im Hinblick auf den Datenschutz überarbeitet werden.“

Mit einem Änderungsantrag zum Gesetzentwurf wollen die Grünen deshalb den Verzicht auf die Gebührenerhebung sowie hinreichenden Datenschutz beantragen.

Und eigentlich hätte auch die Staatsregierung sensibler vorgehen können. Sie hat es sich – obwohl sie viel zu spät mit dem Gesetzentwurf dran ist – viel zu einfach gemacht.

„Mit ihrem Ausführungsgesetz zum Prostituiertenschutzgesetz macht die Staatsregierung allen Beteiligten das Leben unnötig schwer“, sagt Meier. „Das Ergebnis ist Verunsicherung auf allen Seiten, sowohl bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Kommunen als auch bei Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern sowie bei den Bordellbetreibenden.“

So werden die Prostituierten in Sachsen durch Zwangsgebühren in die Illegalität gedrängt

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