Eigentlich klingt alles nur zu verständlich, wenn die sächsische Sozialministerin in ihrer Stellungnahme auf den Grünen-Antrag zum Prostituiertenschutzgesetz erklärt, der Gesetzgeber im Bund habe „nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Länder eine ausreichende Vorlaufzeit für die Umsetzung benötigen.“ Aber nach Informationen von Katja Meier (Grüne) schafft Sachsen den Termin 1. Juli mal wieder aus hausgemachten Gründen nicht.

Am 1. Juli 2017 tritt bundesweit das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) in Kraft. In Sachsen wird das Gesetz jedoch nicht vor dem Jahresende 2017 umgesetzt werden, da ein entsprechendes Landesausführungsgesetz noch nicht vorliegt. Das teilte Sozialministerin Barbara Klepsch (CDU) in ihrer Stellungnahme zum Antrag der Grünen-Fraktion zur Einsetzung eines Runden Tisches Prostitution mit.

„Seit September 2016 ist klar, dass die neuen Regelungen auch in Sachsen zum 1. Juli 2017 umgesetzt sein müssen. Einem Antrag im Bundesrat zur Verlängerung der Umsetzungsfrist stimmte die Sächsische Staatsregierung damals mit der Begründung nicht zu, dass der Schutz der Prostituierten eine schnelle Wirksamkeit des Gesetzes erfordere. Vor diesem Hintergrund ist es blanker Hohn, dass Sozialministerin Klepsch jetzt die Verantwortung auf den Bundesgesetzgeber schiebt, der den Ländern keine ausreichende Vorlaufzeit eingeräumt habe“, kritisiert Katja Meier, gleichstellungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag.

Augenscheinlich ist die Erstellung des entsprechenden Ausführungsgesetzes für Sachsen im Hickhack innerhalb der Staatsregierung steckengeblieben. Man hat zwar offiziell betont, wie wichtig die schnelle Einführung des Gesetzes sei – aber dann scheint sich keiner gefunden zu haben, der bereit war, die Ausführungsbestimmungen für Sachsen auch niederzuschreiben.

Und die Unstimmigkeiten innerhalb der Regierung scheinen noch nicht einmal ausgestanden, denn augenscheinlich berührt das Gesetz die Arbeit mehrerer Ressorts. Und wo jeder sein kleiner König ist, fängt die Kommunikation an, zum Problem zu werden. Oder mit den Worten von Sozialministerin Barbara Klepsch (CDU): „Die Erstellung von Gesetzentwürfen zur Umsetzung von Bundesgesetzen gehört zum Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung der Staatsregierung. Damit verbunden ist ein nicht ausforschbarer Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich. Die Beteiligung der Öffentlichkeit und der Verbände erfolgt nach den einschlägigen Kabinettsregeln.“

Wie wird eine Regierung mit einem Gesetzentwurf an die Öffentlichkeit treten, wenn man intern noch immer streitet? Denn genau danach klingt diese Passage.

Dass die Grünen gar einen Runden Tisch zum Thema wollen, an dem auch die Initiativen sitzen, die sich schon seit Jahren für den Schutz der Prostituierten einsetzen, findet die Sozialministerin völlig überflüssig: „Der Runde Tisch ist kein nach der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages vorgesehenes Gremium der Legislative. Die weitere Umsetzung macht es erforderlich, möglichst schnell einen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen. Es geht nicht darum, zu einem streitigen Problem, einen von allen Seiten anerkannten Kompromiss durch die gleichberechtigte Beteiligung von Interessengruppen finden zu wollen.“

Deutlicher hätte sie den hinter den Kulissen schwelenden Streit in der Regierung nicht benennen können.

„Es ist erschreckend, wie gleichgültig sich die Staatsregierung angesichts der Ziele des Prostituiertenschutzgesetzes, nämlich dem Schutz vor Zwangsprostitution und Menschenhandel, verhält“, kommentiert Katja Meier diese Verzögerung aus nicht nachvollziehbaren Gründen. „Trotz absehbar kurzer Zeit zur Verabschiedung eines Landesausführungsgesetzes und mehrfacher Nachfragen der Grünen-Fraktion seit September 2016 konnte sich die Staatsregierung erst im März 2017 darauf einigen, welches Ministerium die Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes in Sachsen federführend übernimmt. Da ist es logisch, dass bis zum Juli kein sinnvolles Ausführungsgesetz vorliegen kann. Die notwendigen Entscheidungen und Weichenstellungen wurden sehenden Auges auf die lange Bank geschoben, die Staatsregierung hat schlicht ihre Arbeit nicht gemacht.“

Barbara Klepsch hofft nun, dass die Regelungen im sächsischen Umsetzungsgesetz wenigstens rückwirkend zum 1. Juli in Kraft treten können. Das Bundesgesetz jedenfalls tritt an diesem Tag in Kraft.

Die Idee eines Runden Tisches, an dem dann alle Beteiligten tatsächlich miteinander reden, möchte Katja Meier so schnell noch nicht begraben: „Dennoch besteht die Chance auf sinnvolle Regelungen, wenn sich die Staatsregierung und der Landtag im anstehenden Gesetzgebungsverfahren gegenüber den praktischen Erfahrungen der Betroffenen, also sowohl der im Prostitutionsgewerbe Tätigen als auch z. B. der Beschäftigten der Gesundheitsbehörden oder der Polizei, öffnen. Hierzu hat die Grüne-Fraktion die Einsetzung eines Runden Tisches vorgeschlagen, an dem ein die Umsetzung begleitender Austausch stattfinden kann.“

Denn wenn es dann darum geht, das Leben und die Arbeit der Prostituierten sicherer zu machen, hilft der Knatsch zwischen lauter sensiblen Ministern nicht weiter. Dann müssen Leute miteinander arbeiten, die bereit sind, gemeinsam Lösungen zu suchen. Ein Runder Tisch – das zeigen die vielen Leipziger Runden Tische – ist dazu ein guter Weg.

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