Es ist ja nicht so, dass nur die bayerische CSU-Spitze mittlerweile die Parolen der Rechtsradikalen zur eigenen Agenda gemacht hat und immer wieder mit Vorschlägen zur „Flüchtlingsfrage“ vorprescht, die überhaupt nicht im Ermessen der bayerischen Regierung liegen. Dasselbe praktiziert auch die sächsische Regierungsspitze. Zumindest, wenn man eine Äußerung von Innenminister Roland Wöller gegenüber der „Welt“ so interpretiert.

„Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) will bereits abgelehnte Asylbewerber und sogenannte Dublinfälle auch an der Grenze zu Tschechien und Polen zurückweisen“, schrieb die Zeitung am 17. Juni. Das habe Wöller so zur „Welt“ gesagt. „Das ist zwingend notwendig, um geltendes Recht durchzusetzen und auch den Rechtsfrieden in unserer Gesellschaft wiederherzustellen.“

Eine Aussage, die der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion Enrico Stange sehr irritierend fand. Und wenn man rätselt über die Aussprüche, die aus Regierungskreisen kolportiert werden, muss man nachfragen.

Wichtig war eigentlich nur Frage 4 in seinem Fragepaket. Denn genau darüber wurde ja auch deutschlandweit diskutiert, als Bayern mit der Ankündigung vorpreschte, man wolle eigene Polizeikräfte einsetzen, um mögliche Asylsuchende schon an den bayerischen Grenzen zurückzuweisen. Das zeigt aber eher reine Symbolpolitik, mit der mittlerweile rechtsradikale Forderungen bis in die bürgerliche Mitte transportiert werden.

Und man suggeriert den verängstigten Bürgern, dass immer noch – wie im Sommer 2015 – jeden Tag tausende Flüchtlinge an deutschen Grenzen ankommen. Aber das ist schon lange nicht mehr der Fall. Man zeichnet also ein falsches Bedrohungsbild. Und man bietet ein falsches Lösungsmodell an und tut so, als könnte jedes Bundesland für sich entscheiden, wen es an seinen Grenzen zurückweist.

Eigentlich weiß das auch Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU). Seine Aussage gegenüber der „Welt“ hat nichts mit einer möglichen sächsischen Polizeipraxis zu tun, was die Staatsregierung dann auch zugestehen muss, wenn sie auf diese Frage von Enrico Stange antwortet: „Welche Polizeikräfte – Bundespolizei oder Landespolizei – wären bei einer Realisierung der Zurückweisung asylsuchender Menschen an den sächsischen Außengrenzen zur Umsetzung verpflichtet bzw. heranzuziehen oder zur Umsetzung angehalten?“

Denn die Antwort lautet eindeutig: „Der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes obliegt gemäß § 2 Abs. 1 Bundespolizeigesetz originär der Bundespolizei, ‚soweit nicht ein Land im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften wahrnimmt‘. Der Polizeivollzugsdienst des Freistaates Sachsen nimmt keine grenzpolizeilichen Aufgaben wahr. Damit ist der Polizeivollzugsdienst in Sachsen für die Zurückweisung von Ausländern im Sinne des § 71 Abs. 3 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz nicht zuständig.“

Da ist die Forderung nach einem Grenzeinsatz reine Placebo-Politik, natürlich mit demselben Strickmuster, mit dem die CSU in Bayern versucht, den Rechtsradikalen das Wasser abzugraben, indem sie die rechtsradikalen Positionen selbst übernimmt. Was ganz unübersehbar bei wachsenden Teilen der Bevölkerung überhaupt nicht gut ankommt.

„Die CSU hat Angst“, schreibt Heribert Prantl in einem Kommentar der „Süddeutschen“, nachdem am Wochenende 20.000 bis 50.000 Menschen in München gegen die Angstmache der CSU protestiert haben.

Und das trifft eben auch auf die sächsische CDU zu, die sich von der rechtsradikalen AfD vor sich hertreiben lässt und deren Ausgrenzungspolitik einfach übernimmt, weil sie glaubt, so die Hoheit über Sachsens Biertische zu behalten. Aber das hat den fatalen Effekt, dass im gesellschaftlichen Diskurs allein die Ansichten der Rechtsradikalen dominieren. Mitsamt den falschen Bildern, die dahinterstecken. Denn es ist in Sachsen nicht anders als in Bayern: Es strömen keine Scharen von Flüchtlingen Tag für Tag über die Grenzen. Die Gefahr ist aufgebauscht und irreal.

Aber wenn selbst Minister nicht gegenhalten, steigert sich natürlich die Hysterie der Rechtsradikalen und die verängstigten Bürger haben erst recht den Eindruck, dass die Menschenfeinde im Land recht haben mit ihrer Panikmache.

Die Antwort auf Enrico Stanges Anfrage zum Wöller-Zitat. Drs. 13792

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