Vor 93 Jahren war die Leipziger Fußballlandschaft noch eine ganz andere - nicht nur von der Spielanlage mit dem Hier und Jetzt nicht zu vergleichen. Zur bunten Vereinsvielfalt gehörte auch ein jüdischer Sportclub namens Bar Kochbar Leipzig, der sich am 19. August vor 93 Jahren gründete. Lok-Fans wollen im November an ihn erinnern.

Es waren wohl um die 50 sportbegeisterte Personen, die sich am 19. August 1920 im Italienischen Garten in der Leipziger Lessingstraße 30, kurz vor der Jahnallee zusammenfanden, um den Sportclub Bar Kochba Leipzig zu gründen. Einem Sportverein, den es seit dem Zweiten Weltkrieg in dieser Form in Leipzig nicht noch einmal gab und dessen Platz mittlerweile lange überwachsen, seine Existenz vielen Leipzigern völlig unbekannt ist

Mit der Gründung grenzten sich die Mitglieder des neuen Vereins vom bereits existierenden Jüdischen Turn- und Sportverein Bar Kochbar ab, da bei ihm Religion und Politik fester Bestandteil waren. Der Verband mitteldeutscher Ballspielvereine (VMBV) verstand sich aber als unpolitisch und nichtreligiös und in genau den musste man eintreten, wollte man im Gau Nordwestsachsen Fußball spielen. Und der Verein hatte regen Zulauf, ein Vierteljahr später hatten schon 300 Personen einen Mitgliedsausweis. Den erhielten sie vorzugsweise in der Geschäftsstelle am Brühl. Natürlich dort, möchte man meinen, wo die Leipziger Juden ihre Geschäfte hatten.

Zunächst wurden die Vereinssportarten Netz- und Stockball, Leichtathletik und Fußball auf dem Platz der Spielvereinigung Leipzig (damals wie heute in der Demmeringstraße) getrieben, ehe man 1921 ein großes Gelände zwischen Dübener Landstraße und Delitzscher Straße kaufte. Heute unvorstellbar, dass dort neben einem großen Fußballplatz mit Aschelaufbahn, einem kleinen Fußballplatz auch Tennisplätze existierten. Fußballtore stehen noch heute dort, wie Sebastian Bona von der “Initiative 1903” kürzlich erkundete.

Der Ingenieur hat sich dem Erbe Bar Kochbas angenommen und plant mit seinen Mitstreitern, auf dem alten Platz am 10. November 2013 ein Freundschaftsspiel auszutragen. Gegner soll wie bei der Platzeinweihung am 29. Oktober 1922 Hakoah Zürich sein. Der derzeitige Eigentümer, eine Bank, konnte vor wenigen Tagen ermittelt werden. Bona plant nun Arbeitseinsätze, um den Platz von den Gebüschen und Bäumen zu befreien und bespielbar zu machen. Ein Ball, wie es ihn 1922 anlässlich der Platzeinweihung im Leipziger Zoo gab, ist nicht geplant. Stattdessen will Bona noch tiefer in den Archiven nach Informationen zu dem Club suchen.

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Klar ist, dass sich der SC Bar Kochba Leipzig nicht politisch, also nicht zionistisch war, wie etwa sein Pendant, der Turn- und Sportverein. 1924 fusionierten beide Vereine dennoch, die Fußballabteilung Bar Kochba mutierte allerdings zum Verein im Verein und blieb selbstständig. Gespielt wurde in blau-weiß.

Der Gesamtverein und damit auch die Fußballer waren allerdings ab 1933 stärkeren Repressalien ausgesetzt, auch wenn der Verein bei einer Untersuchung als nicht marxistisch eingestuft wurde. Trotzdem kam es vor, dass die Gestapo zu Beginn von Leichtathletikwettkämpfen auf dem Sportplatz erschien und deren Durchführung verbot. 1938 löste sich der Turn- und Sportverein Bar Kochba auf, auch weil viele Mitglieder emigrierten, die Fußballabteilung bestand bis zum 29. März 1939 fort. Dann endete die letzte Generalversammlung des Vereins mit dem Singen der Hatikwah. Der Sportplatz wurde weit unter Einheitspreis an die Stadt verkauft und wird nun bald wieder Sport sehen – organisiert von Lok-Fans.

Quelle: Lore Liebscher: Zwischen Identitätsstiftung und Emigration – Der zionistische Turn- und Sportverein Bar Kochba Leipzig (1919 – 1939), in: Leipziger Stadtgeschichte – Jahrbuch 2011

Die Initiative im Netz: www.initiative1903.com

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