RB Leipzig hat sich von Enrico Hommel getrennt. Der Bundesligist setzte den beliebten Fanbetreuer am 29. September 2017 fristlos vor die Tür. Anlass für die verhaltensbedingte Kündigung soll ein Vorfall im vergangenen Juli zwischen Hommel und einem Kollegen gewesen sein. In Fankreisen herrscht darüber massives Unverständnis, die ersten sprechen von einer Intrige.

Die Lage unter den RB-Fans ist dieser Tage angespannt. Nicht nur, weil die Leipziger am Samstag mit 0:4 bei 1899 Hoffenheim untergingen und heute Abend aus der Champions League ausscheiden könnten. Spätestens seit einem Gütetermin vor dem Arbeitsgericht am 20. November brennt hinter den Kulissen der Baum. Denn Enrico Hommel ist nicht irgendwer. Der Afghanistan-Veteran ist ein RB-Fan der ersten Stunde. Einer von denen, die schon zu Oberliga-Zeiten im Fanblock standen. Hommel war bis 2013 Gründungsvorsitzender der L.E. Bulls, des ersten und ältesten Fanclubs. Seit August 2012 war er bei den Rasenballern Ansprechpartner für die Belange der Fans.

In dieser Funktion blühte Hommel, der nicht nur unter Kurvengängern bekannt wie ein bunter Hund ist, mit außerordentlich hohem Engagement auf. Er organisierte Auswärtsfahrten und Fanturniere, betreute Ultras ebenso wie A-Block-Gänger. Als im Frühjahr mit der Gruppe „L.E. United“ erstmals eine RB-Fan-Gruppierung den Konflikt mit den tendenziell linken Ultras suchte, war es Hommel, der zwischen den verhärteten Fronten vermittelte. Für die aktiven Fans ist Hommel einer aus ihren Reihen, ein Fanbetreuer, wie er im Buche steht.

Anders Carsten Messmer (Name geändert/Red.). Der studierte Sportmanager jobbte nach dem Studium im Fanshop am Neumarkt. Als die Rasenballer nach dem Bundesliga-Aufstieg einen zweiten Fanbetreuer brauchten, kam er zum Zug. Weil seine Arbeit den Bullen gefiel, beförderten ihn die Rot-Weißen zu Hommels Chef. In dieser Funktion hatte Messmer zeitweise bis zu vier Mitarbeiter unter sich.

Bei den Fans konnte er jedoch nicht so viele Beliebtheitspunkte sammeln wie Hommel. Während Hommel auf Fremde stets offen und direkt zuzugehen pflegt, wirkt Messmers Auftreten auf Fremde distanziert bis introvertiert. Eine Eigenschaft, die in der Zusammenarbeit mit Fußballfans nicht immer richtig sein dürfte. Anfang September jedenfalls entzogen ihm die Rasenballer schließlich einen Teil der Führungskompetenzen. Die Leitung des operativen Geschäfts oblag wieder Enrico Hommel – man schien die ideale Mischung gefunden zu haben.

Was sich in Anbetracht der veränderten Gemengelage und der praktischen Zurückstufung in Messmers Kopf abgespielt haben mag, lässt sich allenfalls erahnen. Tatsache ist, dass ihm jetzt ein Gespräch einfiel, das er mit Hommel in vertrauter Zweier-Runde im Juli 2017 geführt hatte. Die Männer besprachen in lässiger Atmosphäre die abgelaufene Saison. Was lief gut, was schlecht und wie könne man die Zusammenarbeit mit den Fans verbessern? Dabei soll Hommel einige Äußerungen in Richtung Messmer getätigt haben, die man zwar als unflätig bewerten könnte, aber sein Kollege damals wohl nicht wirklich für bare Münze gehalten hatte.

Dafür spricht, dass die Männer in den Wochen danach ein offen freundschaftliches Verhältnis pflegten, so als wäre nichts zwischen ihnen vorgefallen. Sie reisten zusammen ins RBL-Trainingscamp nach Seefeld und zum Emirates-Cup nach London, teilten sich das Hotelzimmer und posierten gemeinsam auf Fotos, die sie anschließend in sozialen Netzwerken verbreiteten. Auf den Aufnahmen ist von etwaigen Dissonanzen oder gar einem handfesten Konflikt nicht die geringste Spur.

Gegenüber dem Arbeitsgericht verriet RB-Justiziar Johann Plenge, der Club habe am 18. September von dem Vorfall erfahren. „Die außerordentliche Kündigung war aus unserer Sicht alternativlos.“ Bei der internen Aufarbeitung seien weitere Erkenntnisse erlangt worden in Bezug auf einen Fanclub und den Fanverband. Davon weiß man ebenda nichts: „Wenn ich das höre, bekomm ich einen Hals“, erwiderte dessen Vorsitzender Thomas Herfurth von den Zuschauerbänken und verließ erbost den Gerichtssaal. Später erklärten Herfurth und andere anwesende Fans, ihnen sei schleierhaft, welche Vorkommnisse Plenge gemeint haben könnte.

Im Raum stehen erhebliche Zweifel. „Carsten Messmer stellt ihn als Prinzessin vor, wenn er aufgerufen wird, vor anderen OFCs zu sprechen“, polterte Hommels Anwalt Stefan Costabel. Der Jurist hält den Rausschmiss seines Mandanten für unverhältnismäßig und kämpft für dessen Rehabilitierung. Ein Vergleich kam jedoch nicht zustande. Mehr als den Jahresbonus hatte Plenge für Hommel ohnehin nicht in Aussicht gestellt, der allerdings würde seine Arbeit beim Verein gern fortsetzen.

Für RB Leipzig hingegen ist die Trennung von Hommel seit  Anfang dieser Woche final vollzogen. Auf der Internetseite wurde sein Name entfernt. Das Arbeitsgericht möchte am 7. März 2018 weiterverhandeln. Im Rahmen der Beweisaufnahme wird auch Hommels Ex-Kollege Messmer vor Gericht erscheinen und seine Geschichte öffentlich erzählen müssen. Gegenüber L-IZ.de wollte er sich bislang nicht äußern.

Anmerkung der Redaktion: Es herrscht derzeit Uneinigkeit darüber, ob sich der Widerspruch des Fanverbands-Vorsitzenden Thomas Herfurth gegen die Behauptung des RB-Justiziars darauf bezieht, dass Johann Plenge das “Fanprojekt” gemeint hätte oder den Fan-Verband. Via Twitter teilte der Fanverband mit, es handele sich um das “RB-Fanprojekt”, so hätte es RB Leipzig selbst bestätigt.

Da RB Leipzig selbst involvierte Partei ist, werden sich auch diese Vorwürfe in den kommenden Gerichtsverhandlungen erweisen müssen. Gegenüber L-IZ.de verwies der RB-Justitiar Plenge auf alle Fragen zum Prozess selbst lediglich auf die Privatsphäre der involvierten Personen hin und wollte sich zu den Vorgängen selbst nicht äußern.

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