Eine Probe für die Verdi-Oper „Aida“: ein Tenor singt um sein Leben, während drei Regisseure auf ihn einschimpfen. Eine bittere Kritik an den Verhältnissen hinter der Bühne ist die Kammeroper „Radames“ von Péter Eötvös. Diese nahm der Dirigent Damian Ibn Salem zum Anlass, sich genauer mit „Aida“ zu beschäftigen.

Fest im Kanon verankert, wird das Werk so wie seine Entstehung kaum hinterfragt. In wohl keiner anderen Kultursparte halten sich stereotype, exotisierende und rassistische Darstellungen und Narrative so hartnäckig wie in der Oper. So wird etwa die äthiopische Prinzessin Aida bis heute regelmäßig mit Blackfacing dargestellt.

Den Kompositionsauftrag bekam Giuseppe Verdi im Rahmen der Eröffnung des Suezkanals, sodass auch der Kontext der kolonialen Verhältnisse der Zeit zum Nachdenken anregen könnte. Genau das haben das Leitungsteam Damian Ibn Salem, Neam Tarek und Eva Morlang getan und haben eine Musiktheater-Produktion auf die Beine gestellt, die sich an dem Stoff abarbeitet.

Damian Ibn Salem und Neam Tarek haben künstlerisch Fragmente aus Verdis „Aida“, die Kammeroper „Radames“ sowie klassische ägyptische Musik, Poesie und politische Videoinstallationen zu einem Gesamtkunstwerk verwoben. Klassische Helden gibt es in „Ayda“ nicht.

„Niemand ist in einer klaren Opferrolle, niemand ist richtig frei“, sagt Neam Tarek über die Hauptrollen in der Inszenierung. Ihr Augenmerk lag in der Entwicklung besonders auf der Darstellung der Frau. Ayda ist weder Prinzessin noch Sklavin, sie ist komplex: sexy, stark und kämpferisch, gleichzeitig traditionell.

Wir erleben Versionen der Ayda in verschiedene gesellschaftlichen Klassen und verschiedenen Jahrhunderten, so etwa zur Zeit der ägyptischen Revolution 1952. Neam Tarek findet es problematisch, wie Frauen aus arabischen Ländern bis heute exotisiert werden, verhandelt aber mit den Frauenrollen im Stück universelle Themen, die alle Frauen betreffen.

In einer weiteren Ebene des Stücks wird thematisiert, wie die mitteleuropäische Hochkultur mit außereuropäischer Kultur umgeht und sich diese aneignet. Dazu erklingt etwa ein Lied aus Maurice Ravels „Shéhérazade “.

Edward Said beschreibt in seinem einflussreichen Buch Orientalismus als theatral: der Orient ist eine Bühne, auf die der ganze Osten reduziert wird. Die Figuren auf dieser Bühne haben die Rolle, das große Ganze zu repräsentieren. Die Sphinx, Cleopatra, Isis und Osiris, der Flaschengeist – Figuren, die von jeher Stoff für Geschichten und Projektionen waren, und Stereotype hervorbrachten, auf die bis heute Menschen reduziert werden.

Dazu sagt Ibn Salem: „Die Musik ist schön, ich kann sie nicht schlecht finden. Ich will sie nicht kaputt machen, aber es gibt dieses Problem und das wird nie erzählt“. Daneben werden klassische Kompositionen aus Ägypten, etwa ein Lied aus der Operette „Shahrazad“ von Sayed Darwish gestellt.

Ayda  عايدة
8.11. 20 Uhr | 27 & 28.11. 19 Uhr im Museum der bildenden Künste Leipzig
Vorverkauf unter: tickettune.com/aydaleipzig Träger der Veranstaltung Forte e.V. https://forte-leipzig.com/

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