Vom 18. bis 23. Oktober lässt DOK Neuland im Museum der bildenden Künste Leipzig unter dem Titel „THX 4 Nothing“ einen immersiven Raum für Kritik und Vision entstehen: Die gezeigten Werke, darunter 6 VR-Erfahrungen, 2 AR-Erfahrungen und ein 360°-Film, legen starre Denk- und Verhaltensmuster offen, brechen überkommene Strukturen auf und erzählen von Zuversicht.

Die Herausforderungen der Gegenwart – etwa die Folgen der Klimakrise, die Missachtung von Menschenrechten, korrupte Systeme, Verfolgung und Flucht, vorgefertigte Geschlechterrollen und fehlende Schutzräume – sind weltweit ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Gleichzeitig sind der Zugang zu Wissen und die Möglichkeiten des Austauschs so hoch wie nie. Dennoch tut sich allzu oft: nichts.

Diese Beobachtung bildet den Ausgangspunkt des von Lars Rummel und Marie Hinkelmann entwickelten kuratorischen Konzepts. Die Ausstellung stellt sowohl das Nicht-Handeln auf politischer und institutioneller Ebene wie auch die Verantwortung jedes Einzelnen in den Fokus. Gleichzeitig reflektiert sie die individuellen Grenzen persönlicher Handlungsmacht. Die beteiligten Künstler/-innen beleuchten in ihren Werken unterschiedliche Lebensrealitäten und stellen die Frage, in welchem Zustand wir die Welt an kommende Generationen übergeben werden – oder wollen.

„Durch das Erleben mit dem gesamten Körper bewegen und berühren XR-Arbeiten ganz unmittelbar. Sie machen aus Zuschauenden Beteiligte“, so Lars Rummel und Marie Hinkelmann. Aus Sicht der Kurator/-innen bieten die Werke das Potenzial, Wissen auf besondere Weise spürbar zu machen.

Rund um den Themenkomplex Mensch und Natur können drei der XR-Arbeiten verortet werden. Die AR-Erfahrung „Seven Grams“ zerlegt Smartphones in ihre Einzelteile – und zwar mithilfe des eigenen Smartphones. Sie führt die Ausstellungsbesucher/-innen in die Demokratische Republik Kongo und legt offen, welche natürlichen und menschlichen Ressourcen die Tech-Industrie für ihre Innovationen benötigt.

Die VR-Parabel „The Miracle Basket“ beginnt mit einer Vergangenheit im Einklang mit der Natur und erzählt von der Achtlosigkeit der westlichen Konsumgesellschaft, die der absurden Überzeugung folgt, der Mensch könne unabhängig von der Natur eben. Blinder Konsum und Zerstörung treffen hier auf Hoffnung.

In „Kusunda“ widmen sich der nepalesische Schamane Lil Bahadur und seine Enkelin Hima der Wiedererweckung seiner Muttersprache. Über Kommunikation hinaus geht es um Identität, Tradition und Bewusstsein für die eigene Geschichte. Durch die interaktive Sprachsteuerung kann jede/r selbst zu einem menschlichen Archiv dieser indigenen Sprache werden.

Queerness steht im Zentrum drei weiterer Arbeiten, die von marginalisierenden und diskriminierenden Erfahrungsräumen berichten. Das autotheoretische Essay „[Posthuman Wombs]“ befragt stereotype Vorstellungen von Schwangerschaft und spekuliert über nicht-binäre Reproduktionsszenarien. Im Zentrum der AR-Erfahrung „Dragzina“ steht die queere Community in Russland, die einem zunehmend feindlichen gesellschaftlichen Klima ausgesetzt ist, tabuisiert und kriminalisiert wird.

Sie eröffnet der lokalen Drag-Szene einen digitalen Schutzraum, in dem diese performen kann, ohne Gewalt fürchten zu müssen. Schließlich macht der 360°-Film „In the Mist“ eine Gruppensexszenerie in der Schwulensauna zur real-surrealen Bühne für Begehren und Reflexionen: über sexpositive Räume, die eigene Lust und das persönliche Moralempfinden.

Vervollständigt wird die Ausstellung von wiederum drei Werken, die Projektionsflächen für Ängste, Unsicherheiten und dem Bedürfnis nach Kontrolle sind. Die VR-Erfahrung „Control Negative“ unterzieht die Ausstellungsbesucher/-innen einem psychologischen Experiment: Eine Stimme, die keine Widerrede zulässt, löst immer mehr Unbehagen aus und enttarnt Kontrolle als Illusion.

In „All Unsaved Progress Will Be Lost“ schweben Textfragmente in einer menschenleeren Stadt über einem Meer aus Blumen. Bevor sie sich zur Geschichte einer Frau zusammenfügen, die sich nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl weigerte, ihre Heimat zu verlassen, öffnen sie einen Assoziationsraum der eigenen Ängste.

Auch die VR-Erfahrung „On the Morning You Wake (to the End of the World)“ beruht auf einer wahren Begebenheit: Am 13. Januar 2018 wurden 1,4 Millionen Menschen auf Hawaii per Textnachricht vor einer atomaren Bedrohung gewarnt. Für 38 Minuten kam der Alltag zum Erliegen und Panik brach aus, bis sich die Information schließlich als Falschmeldung herausstellte.

Die Szenografie der Ausstellung ist erneut in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Paula Gehrmann entstanden. Ihre modulare Installation „Display“ (THX 4 Nothing, 2022) setzt die einzelnen Arbeiten der Gruppenausstellung miteinander in Bezug und lässt so ein ganzheitliches Raumgefühl entstehen.

Während der Festivalwoche wird „THX 4 Nothing“ von Dienstag (18.10.) bis Sonntag (23.10.) bei freiem Eintritt im Untergeschoss des MdbK präsentiert. Die Ausstellung ist regulär von 11 bis 18 Uhr geöffnet, am Mittwoch von 12 bis 20 Uhr. 

DOK Neuland ist Bestandteil des DOK-Nachwuchs-Angebotes und wird in Kooperation mit der SLM realisiert. DOK Leipzig dankt zudem MDR Media, dem US-amerikanischen Konsulat und HTC Vive für ihre Unterstützung. Die Räumlichkeiten werden wie in den vergangenen Jahren vom MdbK zur Verfügung gestellt. Ein herzlicher Dank geht außerdem an alle an der Ausstellung beteiligten Künstler*innen sowie der XR-Community im Allgemeinen.

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