200.000 Euro Förderung werden dem queeren Zentrum Rosalinde in diesem Jahr vom Freistaat für ihr Bildungsprojekt verwehrt. Die Konsequenz: Rund 100 Workshops für Schulklassen, in denen junge Ehrenamtliche ihre Coming-out-Geschichten erzählen, 50 Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte, die Koordination von gut 30 Regenbogen-AGs und die Betreuung von mittlerweile vier „Schulen der Vielfalt“ müssen ersatzlos entfallen.

Die Mitarbeitenden bemühen sich nun, anstatt ihre wichtige Bildungsarbeit machen zu können, um Alternativen. Mit der Streichung der institutionellen Legitimation ist jedoch auch die politische des seit 30 Jahren bestehenden Projekts entfallen, so Johanna Heinrich, die die Schulworkshops koordiniert.

„Es gibt keine Alternativen, an die sich die Schulen jetzt wenden können, vor allem nicht in dem Umfang, wie wir ihn geleistet haben. Es gibt einzelne Initiativen und Projekte, beispielsweise die Aidshilfe, die auch Überschneidungen mit Vielfaltsthemen haben, aber eben nicht explizit das machen“, so Heinrich.

„Mir haben tatsächlich auch zwei Schüler*innengruppen geschrieben, dass wir mit einem Workshop in ihre Klasse kommen sollen, weil es homo- oder queerfeindliches Verhalten gab und sie das Angebot brauchen. Da dann zu schreiben: Sorry, geht nicht, wir haben kein Geld, kommt alleine klar – das war schon krass.“

Bis in die Sommerferien sei das Projekt komplett ausgebucht gewesen. „Jetzt hängt viel daran, ob die Lehrkräfte Kapazitäten und Muße haben, sich den Themen anzunehmen. Das finden wir sehr bedenklich, vor allem vor dem Hintergrund, dass Queerfeindlichkeit in den letzten Jahren zunimmt. Es gibt zwar zum Teil mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz für queere Themen, aber auf der anderen Seite auch eine krasse Anti-Haltung und Anfeindungen der Ehrenamtlichen.“

Auch für die Ehrenamtlichen, die in Schulen von ihrem Coming-out erzählten, sei es sehr emotional gewesen: „Es war wichtig für sie, über Identität und den eigenen Hintergrund im Austausch zu sein und zusammen dafür zu sorgen, dass es weniger diskriminierendes Verhalten an Schulen gibt. Das fehlt jetzt. Wir treffen uns immer noch regelmäßig, was natürlich schön, aber auch traurig ist.“

Geld von der Stadt könnte aushelfen

Anfang Januar kam die Nachricht von der Sächsischen Aufbaubank (SAB), dass das Projekt ab Januar nicht weiter gefördert wird. Im zu kleinen Fördertopf sei dafür schlicht kein Platz mehr gewesen; die Haushaltsmittel seien begrenzt, so das Sozialministerium. Momentan werden die drei bezahlten Mitarbeiter*innen des Projekts aus den Taschen des Vereins bezahlt, um so drei Monate lang sich um Alternativen bemühen und das Projekt abwickeln zu können.

Ein Antrag der Grünen-Stadtratsfraktion über 60.000 Euro ab April soll zumindest zwei Stellen retten. Diese hätten dann allerdings weniger Stunden und könnten nur Workshops in Leipzig, nicht mehr in den Landkreisen anbieten. Am Mittwoch soll über den Antrag abgestimmt werden.

Notwendig für solche Projekte sei eigentlich eine Regelförderung, fordert die Rosalinde. Das müsse auch Thema in den Koalitionsverhandlungen nach der Wahl sein. Diese Forderung teilt auch die Linken-Landtagsabgeordnete Sarah Buddeberg, die die Entscheidung der SAB als „schweren Rückschritt“ bezeichnet hatte.

Fraktionskollegin Luise Neuhaus-Wartenberg sprach von einem „Geschenk an die extreme Rechte“, die immer wieder Stimmung gegen Projekte dieser Art an Schulen mache. Ihre Fraktion forderte eine Übergangslösung.

Auch die „Schulen der Vielfalt“, von denen die Rosalinde vier in Leipzig betreut, müssten aus dem bundesweiten Netzwerk queerfreundlicherer Schulen wieder aussteigen, da die Betreuung durch die Rosalinde nicht mehr gegeben wäre. Es ist laut Johanna Heinrich das erste Mal, dass Schulen aus dem Netzwerk wieder aussteigen müssen.

Zudem fielen der Mietanteil und andere laufende Kosten, die über die Förderung des Freistaats finanziert wurden, weg. So steht der gesamte Verein unter höherem finanziellen Druck.

Neben der städtischen Förderung stellt das Team auch Anträge bei privaten Stiftungen, jedoch nur für kleinere Einzelprojekte, nicht für die komplette Bildungsarbeit. Das sei ein „Unding“, so Heinrich, dass diese Arbeit dann von Stiftungen anstatt vom Freistaat gefördert werden solle. „Mit der Förderung ist aber auch die staatliche politische Legitimation weggefallen, also dass der Freistaat sagt: ‚Ja, wir finden es gut und wichtig, was ihr macht‘“, so Heinrich.

Auch einen Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid hat die Rosalinde eingereicht. Das sei jedoch eher eine Formalität. Den langen und teuren Prozess durchzumachen, ohne große Aussicht auf Erfolg, könne man sich nicht vorstellen.

Zu kleiner Fördertopf

Verweigert wurde der Rosalinde die Förderung nicht, weil das Projekt nicht förderfähig gewesen wäre. Die SAB, die vom Freistaat mit der Vergabe der Förderung beauftragt ist, vergibt Punkte für die Projektanträge. Es wurden mehr Anträge gestellt, als es Geld im Topf gab. So kommen schließlich die Projekte mit mehr Punkten in den Genuss einer Förderung. In diesem Jahr konnten nur 16 von 43 eingereichten Anträgen gefördert werden. Dabei lag das insgesamt beantragte Geld gerade mal bei neun Millionen, der Bedarf ist nicht erst seit gestern klar. Dieses Geld scheint es dem Freistaat aber nicht wert zu sein.

Der Fördertopf „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ des Sächsischen Sozialministeriums, über welchen die Bildungsarbeit des Vereins in den letzten Jahren finanziert wurde, steht schon länger in der Kritik, weil das Fördervolumen laut Kritikern nicht im Ansatz ausreicht, um die vielen Projekte, die Anträge stellen, zu bewilligen.

Der SAB fehle hier komplett der Blick, was sozial und gesellschaftlich notwendig ist, so Johanna Heinrich. Nun hat die Bank ein seit 30 Jahren bestehendes Projekt, das per Haushaltserläuterung bereits vorgemerkt war, einfach so beendet. „Der Sächsischen Aufbaubank (SAB) als bescheidender Institution fehlt hier ganz klar die Sensibilität für die Förderlogik sozialer Angebote und die herrschenden Bedarfe in Sachsen“, so Adam Williams, ebenfalls aus dem Bildungsprojekt. Aus der SAB heißt es, man habe ein Ranking aufgrund der transparenten Förderschwerpunkte erstellt. Das Sozialministerium beteuerte, dass man schließlich andere Projekte der Rosalinde weiterhin fördere.

Wer das Projekt unterstützen möchte, kann eine E-Mail an die bildungs- und queerpolitischen Sprecher*innen der demokratischen Fraktionen im Sächsischen Landtag schreiben. Eine Vorlage findet sich auf der Webseite der Rosalinde.

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So lange die Rosaline Mitarbeiterinnen beschäftigt, die mit Emailfälschungen Personen diskreditieren, sollte sie gar keine Förderungen mehr erhalten.

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