Im Fachjargon nennt es sich eine „übertragene Sanierung“. Unister soll nach heutigen Informationen durch Veräußerungen von einzelnen Kerngeschäften, Marken und Domains (sogenannten „Assets“) offenbar durch verschiedene Käufer zumindest wieder teilflott gemacht werden. Rund 20 Interessenten verhandeln gerade nach Informationen des vorläufigen Insolvenzverwalters um das Erbe Thomas Wagners. Entscheidungen sollen bereits in der kommenden Woche fallen.

Noch ist die Insolvenzverwaltung von Prof. Dr. Lucas F. Flöther nur eine „vorläufige“. Wie jedoch üblich in solchen Fällen, hat er sich aller Voraussicht nach eine „starke“ solche besorgt. Um im Entscheidungsprozess der derzeitigen Geschäftsführung von Unister mitreden zu können, ist dies unerlässlich, da sonst das praktisch führungslose Unternehmen selbst die Verhandlungen führen müsste. Die Zustimmung zu für das insolvente Unternehmen vorteilhaften Vereinbarungen seitens der verbliebenen Anteilseigner dürfte sicher sein, haben sie keinen besseren Weg.

Seit dem 15. August hatten die Interessenten Zeit, sich unter strenger Verschwiegenheit mit den Unterlagen des Unternehmens Unister in einem „Datenraum“ im Netz zu befassen, nun läutet Flöther die Versteigerung ein. Um die Investoren dabei unter Druck zu halten, befindet sich der Insolvenzrechtler in einer eigentlich komfortablen Situation. 20 Bewerber um verschiedene Bereiche Unisters und damit auch um den Kernbereich Reise und Tourismus zu haben, ist keine schlechte Basis für vernünftige Preise. Bis zu 103 Millionen Euro hat Flöther bereits als Ziel ausgegeben – um Altschulden und natürlich die eigene Kasse zu bedienen.

Wie hoch diese Altlasten genau sind, kann derzeit nur geschätzt werden und wird wohl erst dann klar werden, wenn die Gläubiger Unisters ihre Forderungen an den endgültigen Insolvenzverwalter melden können. Dieser wird dann wohl wieder Flöther heißen.

„Bei den Interessenten handelt es sich überwiegend um strategische Investoren aber auch um einige wenige Finanzinvestoren. Alle potenziellen Investoren verfügen über fundierte Branchenkenntnisse und sind mit Unister vertraut“, heißt es seinerseits heute aus Köln. Was nahelegt, dass sich neben der Pro7Sat1-Gruppe (welche früher und aktuell Interesse bekundet hatte) auch größere Reiseveranstalter unter den Bietern befinden dürften. Und natürlich auch ein paar der „Beteiligungsgesellschaften“, also die Finanzinvestoren, die eventuell unter neuen Betreibern einsteigen könnten.

Es ist also auch ein Teil des Verlaufspokers, wenn es seitens des Verwalters heißt: „Das Interesse von Seiten der Investoren ist nach wie vor sehr hoch“. Unter ihnen garantiert auch der eine oder andere Gläubiger von Unister.

3,2,1 – Meins

Zum Ablauf kann man derzeit so viel sagen: Bei einem Asset Deal erwerben die Investoren die werthaltigen „Assets“ frei von Altlasten, insbesondere Verbindlichkeiten. „Lasten und Risiken wie Schulden, Rechtsstreitigkeiten etc. gehen nicht auf den Erwerber über, sondern verbleiben beim alten Rechtsträger.“. Heißt, Unister selbst wird von Flöther über kurz oder lang liquidiert und unter Ausgabe einer Tilgungsquote gegenüber Gläubigern der Firma vom Markt genommen.

Während die Geschäfte durch andere Betreiber, durch Einbindung in eigene Unternehmen und eventuell auch unter Übernahme von Angestellten von Unister weiter betrieben werden können.

Genau hier liegt der Unterschied zu den Bemühungen Thomas Wagners vor seinem Tod am 14. Juli 2016. „Das ist für die Erwerber attraktiv und ein entscheidender Unterschied zu den vorangegangenen Investorenprozessen bei Unister“, betont Flöther. Wagner hatte statt reiner Verkäufe sogenannte „Share Deals“, also einer Übernahme von Anteilen, bei der der Rechtsträger, also Unister, erhalten bleibt – einschließlich der Altlasten – angeboten. Die wollten offenbar auch die Interessenten nicht, welche jetzt wieder mitmischen und nun einen besseren Deal bekommen können. Keine Schulden, keine neuen Geschäftspartner und dennoch Übergang interessanter Domains, Kundendatenbanken und mit Urlaubstours.de das wohl werthaltigste Unternehmen der Unistergruppe. Während „fluege.de“ oder „auto.de“ reine Vergleichportale mit schmalen Margen sind, ist Urlaubstours ein echter Reiseveranstalter im Netz.

Im besten Falle – wenn also die erlösten Verkaufssummen ausreichen – erhalten so Alt-Gläubiger also Geld aus der damit entstehenden Insolvenzmasse Unisters. Zum Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung war der Kassenbestand nach Medienberichten null.

Der vorläufige Insolvenzverwalter, Prof. Dr. Lucas F. Flöther, habe nun bereits mit den vielversprechendsten Kaufinteressenten tiefergehende Investorengespräche aufgenommen. In den kommenden Wochen werden verbindliche Kaufangebote erwartet.

Unisters „langer Fall“ ist auch Thema in der LEIPZIGER ZEITUNG vom 19. August 2016

Randale in Connewitz, Lehrerdesaster in Sachsen, Unister-Tragödie & ein paar spitze Gedanken zum Drama des Lokaljournalismus

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