"Industriebetriebe in den Neuen Ländern 2011: Kleiner und nach wie vor weniger exportintensiv als ihre westdeutschen Pendants", so meldet das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Dr. Gerhard Heimpold hat die jüngsten Daten dazu aus dem Statistischen Bundesamt ausgewertet.
Aber sind es tatsächlich allein Exportquoten, die über den Wohlstand einer Region entscheiden? - Ersichtlich nicht.

Danach müsste es den Bremern geradezu blendend gehen. Bremen führt die Tabelle der Exportquoten im verarbeitenden Gewerbe mit 52,2 Prozent an – vor Bayern (51,0) und – auch das eine Überraschung – Rheinland-Pfalz (50,8). Während die Stadt in Deutschland mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen sogar das weit abgeschlagene Schlusslicht bildet: Hamburg mit 22,0 Prozent. Und das, obwohl die durchschnittliche Belegschaftsstärke der Industrieunternehmen in Hamburg mit 180,2 zu den höchsten in Deutschland gehört – übertroffen nur vom Saarland (187,6) und Bremen (182,9). Alles Zahlen, die die These, hohe Exportanteile seien per se gut, widerlegen.

Auch wenn das in der Erläuterung des IWH mitschwingt: “Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes, landläufig auch als Industriebetriebe bezeichnet, sind in den Neuen Ländern nach wie vor weniger intensiv als ihre westdeutschen Pendants in Exportmärkte eingebunden. In ostdeutschen Industriebetrieben beträgt der Anteil der Auslandsumsätze am Gesamtumsatz im Durchschnitt bei 32,3%, der westdeutsche Vergleichswert liegt bei 45,9%.

Die relativ niedrige Exportquote der Hamburger Industrie kann mit der Mineralölverarbeitung, die ihre Umsätze vor allem im Inland tätigt, erklärt werden, so das IWH. Unter Ausschluss der Mineralölverarbeitung liegt die Exportquote der Hamburger Industrie bei 41%.

Die Industrie in sämtlichen ostdeutschen Flächenländern ist bezüglich der Exportquote hinter dem Gros der westdeutschen Länder positioniert. Einer der Gründe für diese offenbar systematisch unterschiedlich starke Exportorientierung dürfte in Ost-West-Unterschieden bei der Betriebsgröße liegen, wegen größenspezifischer Barrieren für den Markteintritt, so Heimpold.

Werden Betriebe von Unternehmen mit 20 und mehr Beschäftigten betrachtet, sind im Durchschnitt in einem Industriebetrieb in den Neuen Ländern rund 90 Personen tätig, in den Alten Ländern sind es rund 142. Weiteres Unternehmenswachstum und vermehrte Exportanstrengungen müssen Hand in Hand gehen, findet Gerhard Heimpold.

Was aber – konsequent weitergedacht – die Außenhandelsbilanz der Bundesrepublik weiter aus dem Gleichgewicht bringt. Die Außenhandelsbilanz der Bundesrepublik ist seit Ausbruch der europäischen Staatsfinanzkrise Dauerkritikpunkt der anderen europäischen Staaten. Wenn die deutsche Wirtschaft immer weiter nach diesen Maßstäben wächst, ist die Verschärfung der Krise zwangsläufig.Ausgeklammert in der IWH-Statistik ist der tatsächliche Gesamtumsatz und die Gesamtbeschäftigtenzahl im verarbeitenden Gewerbe. Die Exportquote gibt zwar Auskunft darüber, wie wettbewerbsfähig die Produkte auf dem Weltmarkt sind – aber nichts über die tatsächliche wirtschaftliche Stärke einer Region. Leipzig etwa hat eine deutlich niedrigere Industrieausstattung als Dresden und Chemnitz – hat aber in diesen wenigen Unternehmen deutlich höhere Pro-Kopf-Umsätze. Was ja bekanntlich auch sächsische Europaminister gern durcheinander bringen: Sie sehen die exzellente Vorstellung der Vorzeige-Unternehmen – und übersehen glattweg, dass der Besatz in der Breite fehlt, was das Lohnniveau deutlich absenkt.

Was ja auf die ostdeutschen Flächenländer zusätzlich zutrifft. Die Exportquoten differieren dann freilich selbst innerhalb der Branchen deutlich. Die Erzeuger chemischer Produkte zum Beispiel erreichen in Sachsen eine durchschnittliche Exportquote von 58 Prozent, die Autobauer kommen auf 53 Prozent, die Maschinenbauer auf 47 Prozent, die Produzenten von elektrischen Ausrüstungen, die oft genug Zulieferer sind, erreichen hingegen nur 27 Prozent.

Mit einer durchschnittlichen Belegschaft von 84,2 liegt Sachsen deutlich unterm Bundesdurchschnitt von 136,9. Aber alle ostdeutschen Flächenländer liegen hier im Durchschnitt zwischen 80 und 90. Ob das ihre Spielräume bei der Akquise von Exportaufträgen einschränkt, ist vielleicht sogar eine durchaus offene Frage. Denn Exporte hängen von der Exzellenz der Produktion ab – und die hängt auch wieder von anderen Faktoren wie der eigenen Forschung und der Verfügbarkeit eigener Patente ab.

Wirtschaftserfolge sind deutlich komplexer in ihrer Entstehung, als es die Exportquote preis gibt.

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