Wer es nun war, der da mit der Chemiekeule nachgeholfen hat, das wollte das sächsische Umweltministerium dann am 15. April doch nicht verraten. Obwohl man nach eigener Aussage herausgefunden hatte, welche sächsischen Winzer da verbotenerweise das Insektizid Dimethoat in seiner Weinlage in Einsatz gebracht hatten. Zuvor waren sechs Weinanbaubetriebe ins Visier der Kontrollbehörden geraten.

Aber die Dimethoat-Belastung im Wein verrät ja noch nicht, wie das Gift in die Trauben gelangte und wer es eingesetzt hat. Dass das Gift durch Wind auf die Hänge gelangt sein könnte, war zumindest nicht von der Hand zu weisen.

Zur Aufklärung der Ursachen der festgestellten Dimethoat-Kontaminationen in verschiedenen Weinen von drei sächsischen Kellereien hat das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) deshalb nicht nur die vorgeschriebenen Aufzeichnungen der Betriebe und die in den Betrieben vorhandenen Pflanzenschutzmittel kontrolliert.

Man hat auch zur Beprobung ein bislang kaum genutztes Verfahren zum Einsatz gebracht: Die Entnahme von Proben aus der Rinde der Weinstöcke. So konnte man nachweisen, ob die in den Keltertrauben gefundenen Dimethoat-Rückstände durch eine Abdrift (Wind) oder durch eine Direktanwendung im Wein verursacht wurden.

Dass da jemand geflunkert hatte, dessen waren sich die Kontrolleure sicher: Eingeholte Informationen des Pflanzenschutzmittelherstellers sowie des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit ließen die bisherigen Aussagen zweifelhaft erscheinen.

Ergebnis: Bei vier von sechs auf diese Weise kontrollierten Betrieben konnten keine Dimethoat-Rückstände in der Weinrinde nachgewiesen werden.

Blieben noch zwei Betriebe übrig: Und die hier genommenen Proben wiesen dann sehr hohe Rückstandswerte auf. Sie lagen im Bereich von einem bis 15 Milligramm pro Kilogramm Rinde, teilte das Amt mit. Zum Vergleich: In den kontaminierten Keltertrauben wurden 0,75 Milligramm Dimethoat pro Kilogramm festgestellt. Die Höhe der gefundenen Dimethoat-Rückstände in der Rinde ist dem LfULG zufolge nur durch eine direkte Anwendung eines im Weinbau verbotenen dimethoathaltigen Pflanzschutzmittels erklärbar.

Auf dieser Grundlage hat das LfULG die bereits laufenden Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen zwei mutmaßlich Verantwortliche um den Vorwurf der Anwendung eines im Weinbau verbotenen Pflanzenschutzmittels erweitert. Die Beschuldigten haben nun im Rahmen des Anhörungsverfahrens die Möglichkeit, sich zu diesen Vorwürfen zu äußern. Bis zum Abschluss des Verfahrens gilt rein rechtlich weiter die Unschuldsvermutung.

Aber die Frage blieb natürlich: Was heißt das jetzt für den Verbraucher? Und was für den Ruf der Meißner Weine? Um letzteren besorgte sich ja vor allem die Linksfraktion im Landtag, die gleich im April einen Antrag stellte „Finanzielle Soforthilfen für die von Insektizid-Belastungen im Wein betroffenen Winzerinnen und Winzer bereitstellen – Gefährdung für den Fortbestand des Weinbaugebietes Meißen (Elbtal) als sächsische Kulturlandschaft abwenden!“ CDU und SPD reagierten darauf mit einem gemeinsamen Stöhnen. Das sei ja nun wirklich nicht nötig.

Susanne Schaper, Sprecherin für Sozial- und Gesundheitspolitik der Linksfraktion, wollte dann aber doch gern wissen, ob die belasteten Weine nun aus dem Verkehr gezogen wurden und ob die Verbraucher informiert würden.

Letzteres passiert freilich nicht, teilt ihr nun Sozialministerin Barbara Klepsch (CDU) mit. Die Sache wird intern innerhalb der Winzergenossenschaft geregelt: „Die Winzergenossenschaft Meißen führt seit Beginn der Problembearbeitung betriebliche Listen, die regelmäßig aktualisiert und der Lebensmittelüberwachung vorgelegt werden. In diesen Listen gibt die Winzergenossenschaft an, welche Weine gesperrt bzw. aus dem Handel zurückgenommen wurden. Da aus den bisher festgestellten Gehalten an Dimethoat in den Weinen keine gesundheitliche Gefährdung der Verbraucher nachgewiesen werden kann, kann eine Veröffentlichung der betrieblichen Listen zu den gesperrten Weinen nicht rechtssicher amtlich angewiesen werden.“

Informiert darüber, welche Weine zurückgezogen werden mussten, seien zumindest – so vermutet die Sozialministerin – die Händler.

„Im Falle von betrieblichen Rücknahmen bzw. Rückrufen werden die Handelseinrichtungen von den verantwortlichen Lebensmittelunternehmern über Weine informiert, die aus dem Handel zurückgenommen oder zurückgerufen werden. Diese Rücknahmeaktionen werden behördlich überwacht“, so Schaper. „In Bezug auf die Rücknahmeaktionen der Winzergenossenschaft erfolgte durch die Lebensmittelüberwachungsbehörden sachsenweit eine stichprobenartige behördliche Überprüfung.“

Denn da die Dimethoat-Beimengungen keine gesundheitsschädliche Größenordnungen erreichten, gebe es auch nicht mal eine Rücknahmepflicht, so Schaper: „Sofern die verantwortlichen Lebensmittelunternehmer nicht auf freiwilliger Basis eine Rücknahme durchführen oder den Handel anderweitig über amtliche Beanstandungen freiwillig informieren, liegen den Handelseinrichtungen diesbezügliche Informationen möglicherweise nicht vor. Das Lebensmittelrecht betont hier die Verantwortung des Unternehmers. Eine Verpflichtung des Unternehmers, Lebensmittel vom Markt zu nehmen und den Handel sowie die Verbraucher zu informieren, besteht nur bei nicht sicheren Lebensmitteln. In gleichem Sinne sind auch dem behördlichen Handeln und der behördlichen Informationsweitergabe enge Grenzen gesetzt. Die bisher nachgewiesenen Gehalte an Dimethoat der in den Handel gelangten Weine erfüllen – ungeachtet der mangelnden Rechtskonformität – nicht zweifelsfrei die Kriterien einer Beurteilung als ‚nicht sicher‘ i.S. der Verordnung (EG) 178/2002.“

Andererseits bestätigt die Ministerin auch, dass es keine gesetzlichen Grenzwerte für Dimethoat im Wein gibt: „Es gibt derzeit keine normativen Vorgaben für einen anzuwendenden Verarbeitungsfaktor für Dimethoat in Wein.“

Aber der eigentliche Schaden ist ja schon dadurch geschehen, dass das Insektizid überhaupt in der Weinlage zur Anwendung kam und so erst in den Wein gelangte, wo es eindeutig nichts zu suchen hatte. Aber da geht es dann wohl auch nicht um Grenzwerte, sondern einfach um die Tatsache, dass solcher Wein gar nicht in Verkehr gebracht werden darf, auch wenn dass Barbara Klepsch so genau nicht formuliert: „Zusammenfassend ist festzuhalten, dass europäisch ein Grenzwert für Keltertrauben existiert und national ein nicht an Grenzwerte gebundenes Inverkehrbringungsverbot zu beachten ist für Lebensmittel, in denen nicht zugelassene bzw. für die Anwendung nicht erlaubte Pflanzenschutzmittelrückstände vorhanden sind.“

Es war schlicht ein verbotenes Pflanzenschutzmittel im Wein, wo es nicht hingehört. Der Wein darf so nicht in den Verkauf gebracht werden. Punkt.

Die Anfrage von Susanne Schaper (Die Linke) zum Umgang mit den belasteten Weinen. Drs. 4796

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