Leider erstaunt es fast niemanden, wenn Briefe oder auch ein Paket verspätet ankommen oder ganz verschwinden. Seit Jahren hat sich dort nichts geändert, mit dem massenhaften Einsatz von Subunternehmern für die Zustellung konnte keine Verbesserung festgestellt werden, allenfalls rein quantitativ. Die Post wurde zu einem klassischen Beispiel dafür, wie man einen einst guten Ruf gründlich demolieren kann.

So titelte tagesschau.de am 13. Dezember 2023: „Wieder Zehntausende Beschwerden über die Post“. Bei der Bundesnetzagentur waren zu diesem Zeitpunkt schon über 40.000 Beschwerden über verloren gegangene oder verspätete Briefe und Pakete eingegangen.

Das „Normal“ ist ja dabei, dass die Sendungen den Empfänger einfach zu spät oder nicht erreichen, es geht aber auch ganz anders. Manchmal fällt die Sendung nämlich auch, zwischen Haustür und Abholort, in ein Schwarzes Loch. Davon handelt dieser Text.

Bestellung in Australien

Unsere Leserin Silke*, eine begeisterte Hobbyschneiderin, bestellte Anfang Dezember 2023 Schnittmuster im Warenwert von unter 50 Euro, die in Deutschland nicht erhältlich sind, zum wiederholten Male bei einem Versender in Australien. Wenige Tage später kam die Versandbestätigung per Mail, eine Sendungsnummer war enthalten und aus der Erfahrung von früheren Bestellungen freute sie sich, dass sie noch vor Weihnachten mit dem Schneidern anfangen kann.

Aber: Es zog sich dahin, kurz vor Weihnachten war in der Sendungsverfolgung zu sehen, die Sendung sei beim Zoll. Am 28. Dezember klingelte ein Mann in DHL-Arbeitskleidung (Mitarbeiter eines Subunternehmers) und wollte die Sendung zustellen. Silkes Ehemann, der zu Hause war, hätte diese gern angenommen, aber es waren Gebühren in Höhe von knapp unter 15 Euro (Zollgebühren und 6,00 Euro Auslagepauschale Post) zu zahlen. Er hatte nur einen 20-Euro-Schein zur Hand, den der Zusteller nicht wechseln konnte. Eine Bezahlung mit Karte war auch nicht möglich. Hätte er doch etwas über 5 Euro Trinkgeld gegeben.

Der Tragödie erster Teil

Der Zusteller nahm die Sendung, etwa Größe A4, also wieder mit und hinterließ eine Karte mit dem Eintrag, dass die Sendung am Folgetag ab 10 Uhr in der Postfiliale abgeholt werden kann. Es war allerdings nicht die nächstgelegene, fußläufig 10 Minuten entfernte Filiale, sondern eine, die zwei Straßenbahnhaltestellen weit weg ist.

Aber egal, am nächsten Tag stand der Ehemann gegen 16 Uhr, mit der Karte bewaffnet, in der Filiale und erfuhr: „Die Sendung haben wir nicht. Es kann aber sein, dass sie erst im Laufe des Tages oder morgen kommt.“ Der freundliche Mitarbeiter notierte sich immerhin die Sendungsnummer und die Telefonnummer und versprach: „Ich rufe Sie an, wenn es da ist.“

Einen weiteren Hinweis gab er noch mit auf den Weg: „Rufen Sie doch die Hotline an, geben als Stichwort ‚Serviceanfrage‘ an, die Mitarbeiter können Ihnen dann sagen, ob die Sendung eventuell in eine andere Filiale gebracht wurde.“

Das Verhängnis nimmt seinen Lauf

Am Freitag, dem 29. Dezember, nach 12 Uhr rief der Ehemann zuerst die Filiale an, die Sendung war nicht dort. Also ran an die Hotline.

Zuerst aber in die Sendungsverfolgung von DHL geschaut, schließlich steht auf dem Abholschein „DHL Paket“, dort sind für den 28. Dezember zwei erfolglose Zustellversuche (wann war wohl der zweite?) vermerkt, weiter nichts.

Erster Anruf, er macht den Anfängerfehler und wählt „Sendungsverfolgung“. Die Stimme sagt: „Nennen Sie bitte die Sendungsnummer“, doch egal wie er sie ansagt, es komm:t „Das habe ich nicht verstanden“. Es gibt noch die Möglichkeit, diese über die Tastatur einzugeben, auf der Telefontastatur seines Smartphones gibt es aber keine Buchstaben (am Anfang der Sendungsnummer steht RX, am Ende DE), eingegeben ohne die Buchstaben sagt der Automat „Das ist keine Sendungsnummer“.

Also doch Auswahl „Servicefrage“ und nach langer Wartezeit ist ein Mitarbeiter dran, der kann die Sendungsnummer aber nicht finden. Es ist die Sendungsnummer, die auf dem Abholschein steht und welche die Online-Suche akzeptiert, seltsame Sache.

Als Silke nach Hause kommt, versucht sie es selbst. Die Mitarbeiterin findet die Nummer auch nicht.

Der nächste Mitarbeiter findet diese Sendungsnummer sofort, allerdings ist für ihn die Sendung noch auf dem Zustellfahrzeug, was ihn verwundert. Er legt einen Vermerk im System an und verspricht, dass, wenn die Sendung gefunden wird, eine neue Abholkarte zugeschickt wird. Information per Telefon oder Mail sei leider nicht möglich. Einen wichtigen Hinweis gibt er aber mit, bei erneutem Anruf „Brief“ und „Ausland“ wählen, es ist kein Paket, sondern läuft unter „Einschreiben International“.

Es kommt das Wochenende und Neujahr, es tut sich nichts.

Lustige Online-Spiele

Man kann aber immer mal wieder online suchen.

Es gibt eine reichhaltige Auswahl, die bekannteste ist wohl die DHL-Sendungsverfolgung (Brief). Es gibt aber auch DHL eCommerce – DHL Global Mail (eine private Seite) und noch einmal DHL Sendungsverfolgung (Paket) und eine Seite von DHL eCommerce. Das mit dem eCommerce muss man erst lernen, die sind für Auslandssendungen zuständig.

Lost in Space. Screenshot: Thomas Köhler
Lost in Space. Screenshot: Thomas Köhler

Es gibt auch mindestens drei Nummern für die Sendung: eine Kundenbestätigungsnummer (für Australien mit AU beginnend), eine eCommerce-Nummer und die Lokale Sendungsnummer.

Und Hurra, auf drei Seiten findet sich „Arrived at Pick Up Point“ mit einer 5-stelligen Nummer und DE. Die vierte Seite (Brief), die für „Einschreiben International“ logischerweise zuständig wäre, sagt allerdings: „Wir erwarten Ihre Sendungsdaten in Kürze“.

Man muss also nur noch herausbekommen, wo dieser Pick Up Point, zu Deutsch Abholort, ist.
Online muss man feststellen, dass die Postfilialen und anderen Abholorte regionale zweistellige Nummern haben.

Also ran an die Hotline, aber zuerst den ChatBot ausprobieren – der versteht das aber nicht.

Ratlose Automaten. Screenshot: Thomas Köhler
Ratlose Automaten. Screenshot: Thomas Köhler

Kurzfassung der nächsten Tage

Mehrfache Anrufe von Silke und Ehemann bei der Hotline. Etwa 70 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden die Sendungsnummer nicht. Zwischendurch ein Mitarbeiter, der sie findet und darauf verweist, dass die Suche schon veranlasst wurde und sie per Karte informiert werden, wenn die Sendung zur Abholung bereitsteht. Die fünfstellige Nummer des Abholortes sagte keinem der Mitarbeiter an der Hotline etwas.

Einen Nachforschungsantrag muss der Versender stellen, bei Kontakt schreiben die Australier: „Das mussten wir noch nie machen.“

Die Familie suchte inzwischen alle Filialen und Paketshops in der Umgebung auf, die Sendung lag nirgends und von einer fünfstelligen Nummer für einen Abholort hatte noch niemand gehört.
Selbstverständlich hatte Silke inzwischen, am 10. Januar, per Kontaktformular eine Anfrage nach dem Verbleib der Sendung gestellt.

Das Finale der Geschichte

Am 29. Januar kam die Antwort auf diese Anfrage. Sinngemäß: „Die Sendung wurde nicht gefunden, für eventuelle Schadenersatzforderungen wenden Sie sich bitte an den Versender.“

Es bleiben Fragen ungeklärt:
– Wenn das Online-System einen Abholort mit einer fünfstelligen Nummer angibt, warum kann niemand diesen identifizieren? Ist das vielleicht die Nummer für das Schwarze Loch?

– Konnte die Post nicht feststellen, welcher Subunternehmer die Sendung auf dem Fahrzeug hatte und wo er sie abgegeben hat? Da für die Sendung Gebühren anfallen, müsste die doch lückenlos nachverfolgbar sein.
Muss Silke jetzt damit rechnen, dass der Zoll die Gebühren und die Post die Auslagenpauschale von ihr einfordert?

Sie kann nur abwarten.

* Der Name der Leserin wurde auf ihren Wunsch hin anonymisiert, der beschriebene Vorgang konnte vom Autor anhand der vorgelegten Unterlagen, von Screenshots und E-Mail-Verkehr verifiziert werden.

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Vermutlich hat die begeisterte Hobbyschneiderin noch nie etwas von Incoterms gehört und stellt sich die Lieferung von Australien so trivial vor wie von Polen. Kleiner Tipp: einfach die 4 % der Post-Aktien kaufen die der Minister eben verscherbelt und dann klappts auch wieder mit der Musterlieferung vom anderen Ende der Welt.

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