Am 26. September verkündete das Amazon-Management überraschend die Schließung Standortes am Flughafen Leipzig-Halle (Airhub). Während man sich in der Öffentlichkeit bedeckt hielt, wurde den Beschäftigten die Schließung zum 13. November 2023 mitgeteilt. In Folge der Standortschließung werden sich 400 Beschäftigte, Festangestellte und größtenteils migrantische Leiharbeiter/-innen neue Jobs suchen müssen. Sie reiht sich ein in mehrere Schließungen im europäischen Amazon-Netzwerk in den letzten Jahren.

Die Vorgeschichte: Die Erweiterung des Amazon-Netzwerks

Das Airhub wurde am 5. November 2020 eröffnet und wird kaum älter als drei Jahre alt werden. Zur Standorteröffnung wurde der Ministerpräsident Michael Kretschmer auf dem firmeneigenen Blog wie folgt zitiert: „Es spricht eindeutig für den Wirtschaftsstandort Sachsen, dass Amazon weiterhin stark in Leipzig investiert und sein neues Frachtzentrum hier am Flughafen eröffnet. Damit werden modernste Arbeitsplätze für eine Vielzahl von Fachkräften geschaffen.“

Daraus wurde nichts. Zur Eröffnung im November 2020 waren 200 Arbeiter/-innen am Standort beschäftigt. Jetzt sind es einschließlich Leiharbeiter/-innen 400. Trotz großer Plakatkampagnen mit Slogans wie „Komm und arbeite im Herzen von Amazons Logistik“, die im gesamten Leipziger Stadtgebiet zu sehen waren, hatte Amazon immer Probleme, Personal in der Region zu finden. Daher wurde auf Leiharbeiter/-innen aus der EU und Nordafrika gesetzt, um den Standort überhaupt betreiben zu können.

Die Standorteröffnung fand im Kontext einer enormen Erweiterung des Amazon-Netzwerks statt. Allein im Jahr 2022 vergrößerte sich nach einer Recherche im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen die Anzahl von Standorten in Deutschland um über 25 %. Ihre Zahl wuchs von 73 auf 100 Standorte. Dabei sind nur Standorte berücksichtigt, die direkt zu Amazon gehören. Hinzu kommen Warenlager, die von Dienstleistern wie Kühne&Nagel betrieben werden.

Die Erweiterung fiel dabei zusammen mit gesteigerter Nachfrage im Onlinehandel durch die COVID-19-Pandemie. Gleichzeitig versucht Amazon auch, ein eigenes Logistiknetzwerk aufzubauen, um von DHL und ähnlichen Anbietern unabhängig zu werden.

Eine Säule dieses unabhängigen Logistiknetzwerks sollte das Airhub sein, als europäischer Standort des firmeneigenen Luftfrachtunternehmen Amazon Air. Hierzu gehören auch die beiden Delivery Stations, die Amazon zuletzt am Leipziger Flughafen und der Neuen Messe eröffnete. An ihnen werde die weißen Kleintransporter für Amazons Letzte-Meile-Geschäft beladen.

In Leipzig wurde außerdem bereits 2006 das große Warenlager (Fulfillment Center) in Heiterblick eröffnet. Es war der zweite Standort dieser Art in Deutschland. Die ver.di-Mitglieder machen dort regelmäßig mit Streiks für einen Tarifvertrag auf sich aufmerksam.

Die Gründe der Schließung

Folgt man den Sprechern von Amazon, hat die Erweiterung des Netzwerks dazu geführt, dass das Airhub für Amazon überflüssig wurde. Der strategische Nutzen einer eigenen Luftfrachtinfrastruktur ist, dass Amazon Waren innerhalb seines Netzwerkes über weitere Strecken schneller transportieren kann. Allerdings führt die zunehmende Dichte von Amazon-Warenlagern dazu, dass die Wahrscheinlichkeit steigt, dass eine Bestellung von einem Standort in der Nähe der Kundin beliefert werden kann und nicht von weither angeflogen werden muss.

So gab es zuletzt zwar täglich eine Frachtfluglinie nach England, die gut gefüllt war, aber die unregelmäßigen Flugverbindungen nach Spanien, Frankreich und Italien waren weit weniger ausgelastet. Insgesamt gingen vom Airhub laut der LVZ pro Woche 30 Starts aus. Zum Vergleich: Bei DHL Express gibt es pro Nacht zwischen 80 und 90 Starts und Landungen (Stand: 2019). Generell hat Amazon-Air die Zahl der Flüge in Europa und Nordamerika in 2023 zurückgefahren. Für das sinkende Luftfrachtvolumen rechnet es sich für Amazon scheinbar, auf Dienstleister wie DHL Express zurückzugreifen.

Dass die Erweiterung des Amazon-Netzwerks von Standortschließungen begleitet wird, ist keine Ausnahme. In den letzten Monaten kam es vermehrt zu Berichten von Standortschließungen in Großbritannien und Spanien. In Deutschland wurde der Standort in Brieselang bei Berlin geschlossen. Auch in der Belegschaft in Leipzig-Heiterblick mehren sich die Gerüchte, dass durch die Eröffnung der Standorte in Gera, Sülzetal bei Magdeburg in den letzten Jahren und bald Erfurt, wo derzeit das größte Warenlager Amazons in Deutschlands entsteht, der Standort von der Schließung bedroht sei.

Die Hauptleidtragenden bei all diesen Schließungen sind immer die Beschäftigten.

Ich sprach für diesen Artikel auch mit dem griechischen Leiharbeiter Dimitriosi über die Bedingungen der Leipziger Schließung. Dazu mehr im morgigen Beitrag „Wie geht es weiter für die 400 Beschäftigten?“

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Keine Kommentare bisher

Wenn ich es richtig verstanden habe wird kaum weniger Ware umgeschlagen. Amazon spart sich die Flugzeuge und DHL transportiert die Ware wie früher. Also wird sich von der Frachtmenge kaum etwas ändern.

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