Das Erste, was einem zu Schkeuditz einfällt, ist natürlich der Flughafen und damit auch der Lärm. Aber dass der Ort weit mehr zu bieten hat und durchaus lebenswert ist, davon ist Oberbürgermeister Rayk Bergner fest überzeugt. Im langen LZ-Interview erzählt er von günstigen Mieten, viel Grün und großem Zusammenhalt, wenn Hilfe benötigt wird.

Fangen wir doch mal vorne an. Sind Sie gerne Oberbürgermeister in Schkeuditz?

Ich bin gerne Oberbürgermeister in Schkeuditz, vom ersten Tag an bis zum heutigen Tag. Und ich kann auch sagen, Oberbürgermeister ist für mich der zweitschönste Job, den man haben kann. Der schönste ist Tischler, und das bin ich auch.

Aber schon lange nicht mehr aktiv?

Schon lange nicht mehr aktiv. Ich habe es gelernt und mache das noch hobbymäßig zu Hause, wenn irgendwo handwerklich etwas zu machen ist und ich habe die Zeit dazu. Das ist meistens das Problem. Ich bin im ländlichen Raum in einem Dorf groß geworden, die Großeltern waren Landwirte und mein Papa war auch Tischler.

Was verbindet Sie mit der Stadt? Warum Schkeuditz?

Na ja, ich will mal etwas größer beginnen. Ich habe eine sehr große Verbundenheit zu Mitteldeutschland. Ich bin in Thüringen geboren, auf einem Bauernhof aufgewachsen, habe eine behütete Kindheit, eine – wie ich finde – gute, solide schulische Basis durchlaufen und habe dann im September 89 meine Ausbildung begonnen. Das spielte sich alles in Mitteldeutschland ab.

Die kleine Tischlerei ist leider aufgrund eines nicht bezahlten Auftrages 1992 pleitegegangen. Dann habe ich beschlossen, erst einmal meine 12 Monate Wehrdienst zu machen, um mir dann wieder eine Stelle als Tischler zu suchen. Aus diesen 12 Monaten wurden 14 Jahre Offizierlaufbahn, die mich – außer in den Norden – durch ganz Deutschland geführt hat.

Ich habe mich überall wohlgefühlt, würde ich meinen, ich möchte keinen Tag meines Lebens missen. Schöne und auch weniger schöne Dinge, die man erlebt, prägen einen und bringen einen weiter. Gerade aus negativen Erfahrungen lernt man ja oft das Meiste. Aber ich habe immer gesagt, ich will zurück nach Mitteldeutschland.

Am liebsten wäre ich nach Thüringen zurückgegangen, aber der Zufall, der in meinem Leben viele Weichen gestellt hat – ich bin davon überzeugt, vieles im Leben entstammt dem Zufall – hat mich dann nach Leipzig geführt. Ich war in Delitzsch an der Unteroffiziersschule, und so bin ich hier in der Region geblieben. Das ist, glaube ich, eine der dynamischsten Regionen, in meinen Augen auch eine sehr schöne.

Ich lebe mittlerweile seit 2003 hier in der Region, erst in Leipzig und dann in Schkeuditz. Man kann hier gut leben. Das einzige, was ich hier etwas vermisse, sind die Berge. Aber das kann man ja regeln, indem man sich ins Auto oder in den Zug setzt.

Und wo fahren Sie dann hin?

Nach Thüringen. Also, am Fuße der Heidecksburg, ich bin im Mittelgebirge, in Ostthüringen groß geworden, in Rudolstadt geboren. Aber ich fahre auch gerne an die See – Gott sei Dank, sonst hätte ich Ärger mit meiner Frau.

Wie kommen Sie denn zur Arbeit? Mit dem Auto auch?

Ja, das geht fast gar nicht anders. Ich bin auch stolzer Besitzer eines E-Bikes seit letztem Jahr, fahre auch damit. Aber bei der Terminvielfalt und da ich auch nicht in der Kernstadt wohne, geht es kaum anders.

Wie ist die ÖPNV-Anbindung denn hier? Schkeuditz müsste doch gut angeschlossen sein.

Da muss man immer zweigeteilt argumentieren. Die Kernstadt ist top angebunden. Wir haben die Straßenbahn, die Linie 11, die hier unten mitten in der Stadt ankommt, wir haben die zwei S-Bahn-Halte. Also einen konkret in der Stadt und Schkeuditz-West, was sozusagen den Rossberg und den Flughafen Südbereich anbindet. Wir haben die Autobahn und das Autobahnkreuz, wir haben fünf Autobahnabfahrten.

Ich denke, Schkeuditz liegt geografisch ziemlich gut, ist auch gut angebunden, was den ÖPNV betrifft. Wir haben auch in den letzten Jahren – da bin ich auch dem Landkreis sehr dankbar – erhebliche Verbesserungen erreicht, jetzt auch erst wieder mit dem Fahrplanwechsel.

Trotz alledem, Schkeuditz ist nicht nur Mittelzentrum, sondern es gehören auch die Dörfer dazu, sowohl im Norden als auch im Süden der Stadt. Wir haben mittlerweile sehr gute Busverbindungen. Am Wochenende ist es wie in allen ländlich geprägten Strukturen dann schon etwas schwieriger. Aber man kommt mit dem ÖPNV, glaube ich, sehr gut hin.

Wir haben PlusBus-Linien, die durch die Stadt führen, von Delitzsch nach Wahren, mittlerweile haben wir auch eine Verbindung nach Landsberg seit August, was es noch nie gab, wo man auch Richtung Anhalt kommt. Wir haben eine Buslinie, die nach Großkugel an die S-Bahnlinie führt.

Ich bin für jede ÖPNV-verbessernde Maßnahme, man muss auch immer sehen, was funktioniert. Wir haben einen Stadtverkehr eingerichtet seit zweieinhalb Jahren, der unsere Ortsteile mit anbindet. Ich denke, jetzt auf hohem Niveau zu meckern, wäre verfehlt.

Schkeuditz ist eine Einpendlerstadt, wir haben wesentlich mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, als wir überhaupt Einwohner in der Stadt haben. Wenn die alle mit dem Auto kämen, gerade, was DHL betrifft, das würde ein Verkehrschaos bringen. Daher haben wir immer das Interesse, ich persönlich auch, den ÖPNV voranzubringen.

Wie ist denn hier in Schkeuditz die Zusammenarbeit mit dem Stadtrat allgemein?

Also ich bin sehr dankbar zum einen – das will ich vorwegschicken –, dass wir keine AfD im Stadtrat haben. Das ist mir sehr wichtig. Ansonsten bin ich jemand, der Kommunalpolitik ganz klar als Sachpolitik versteht. Ich bin nie Parteipolitiker gewesen und werde das auch nie sein. Hier geht es darum, einen Bordstein abzusenken oder eine Parkbank aufzustellen.

Es geht darum, das unmittelbare Wohnumfeld der Schkeuditzerinnen und Schkeuditzer zu gestalten, und das ist reine Sachpolitik. Das ist meine Art des Agierens und auch meine Art des Umgangs mit dem Stadtrat. Ich kann ganz klar konstatieren, ich haben einen höchst sachorientiert arbeitenden Stadtrat.

Das Rathaus in Schkeuditz. Foto: Sabine Eicker

Ich persönlich habe Null Berührungsängste. Das wirft man mir manchmal auch vor, ich bin ja Mitglied der CDU und andere meinen manchmal, ich dürfe das nicht in dieser Intensität, aber ich habe damit kein Problem. Ich rede mit den Fraktionsmitgliedern der Linken genauso wie mit den Grünen. Die Grünen haben mich ja sogar in meinem Wahlkampf 2017 unterstützt. Parteipolitik ist für mich im Stadtrat eigentlich weitestgehend deplatziert.

Natürlich, wenn mal Wahlkampf ist, muss man auch mal Flagge zeigen und sagen, dafür stehen wir. Aber ich ganz froh, mein Wahlkampf war 2017 weitestgehend fair, das erlebt man in anderen Kommunen ja auch mal anders. Das ist für mich auch immer das entscheidende bei aller unterschiedlicher Sichtweise. 90 Prozent dessen, was wir hier in der Kommune tun und im Stadtrat beraten sind Routinesachen, wo oftmals die Einstimmigkeit da ist und fast immer auch die Mehrheitsfähigkeit gegeben ist.

Ich glaube, viele Menschen in Schkeuditz tun vieles dafür, dass diese Stadt lebenswert ist und hoffentlich auch noch lebenswerter wird. Wir haben Zuzug in Größenordnungen, wir haben mittlerweile wieder 19.500 Einwohner, wir waren mal bei weit unter 13.000. Wir haben in der Stadt mittlerweile fast 130 Vereine, die sich hier bei jeder Gelegenheit präsentieren und auch wirklich qualitativ hochwertig sind. Es stimmt nicht ganz, aber ich sage immer ganz flapsig, außer Boxen kann man in Schkeuditz jeden Sport in Vereinsstrukturen betreiben.

Wir haben vier Grundschulen, wir haben die Oberschule, wir haben das Gymnasium, wir haben das größte Berufsschulzentrum des Landkreises Nordsachsen. Schkeuditz ist die Stadt des Arbeitens. Es sind neue Wohngebiete entstanden, wir haben immensen Zuzug aus Leipzig, aber auch aus anderen Regionen. Das hat verschiedene Ursachen. Natürlich sind es auch die Preise.

Wie sieht es denn hier aus auf dem Mietmarkt?

Wir haben zwei große Akteure. Das eine ist unsere eigene städtische Wohnungsgesellschaft, die einen Wohnungsbestand von rund 2000 Wohnungen hat. Dort haben wir Mietpreise, die völlig in Ordnung sind. Das teuerste, würde ich meinen, sind 6,50 Euro oder 6,60 Euro kalt.

Natürlich, wenn man Neubauten hat – wir haben auch private Investoren – da sind die Mieten bei 8,50 kalt. Deswegen glaube ich, was die Mieten betrifft, haben wir immer noch ein Niveau, wo jeder etwas findet. Man findet sicherlich auch hochwertige Wohnungen, die dann eben teurer sind. Aber uns ist auch wichtig, dass Wohnungen da sind, die sich jeder leisten kann.

Der zweite Akteur ist die Leipziger Wohnungsgenossenschaft, die VLW, die Wohnungsbestände hier hat. Die haben jetzt auch angefangen, Blöcke zu sanieren. Dann haben wir eine ganze Reihe privater Akteure, die Wohnungsbau betreiben. Man muss aber sagen, wir haben fast keine leerstehenden Wohnungen. Der Leerstand bei der städtischen Wohnungsgesellschaft ist vielleicht bei sieben Prozent, das ist bei Wohnungsgesellschaften eine Größenordnung, die völlig normal ist und die man auch braucht.

Was man in Schkeuditz merkt, das ist eine Entwicklung der letzten Jahre: Wir werden globaler als Stadt. Das hat damit zu tun, dass DHL mittlerweile viele Mitarbeiter aus dem europäischen Ausland und darüber hinaus hat. Und was noch mehr dazu beiträgt ist Amazon, die ja auch seit 2020 immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der ganzen Welt hier haben. Ich finde das gut, andere Menschen, anderes Denken öffnen auch geistige Horizonte. Wer nie in der Welt war oder sich mit anderen Menschen austauscht, bleibt immer in seinem Schubladendenken.

Wir werden als Stadt auch jünger, auch das ist deutlich zu merken. Manche haben schon scherzhaft gesagt, wir sind die Stadt der Altenheime, wir haben auch Zuzug in der älteren Generation. Aber man sieht es an den Autokennzeichen, an den Menschen: Es macht die Stadt lebenswerter, interessanter und auch bunter. Auch die Kriminalität fällt nicht aus dem Rahmen.

Wie würden Sie anderen denn Ihre Stadt anpreisen, wenn Sie dafür werben müssten?

Ich könnte jetzt völlig mutig und überheblich sagen, wir sind die lebenswerteste Kommune Sachsens in der Größenordnung von 10.000 – 20.000 Einwohnern. Also ich finde, dass Schkeuditz und die Ortsteile absolut lebenswert sind. Davon bin ich überzeugt. Das erlaube ich mir auch so zu sagen in der Kenntnis über viele Regionen unseres Landes.

Woran mache ich das fest? Schkeuditz ist eben nicht nur der Flughafen oder Fluglärm, Schkeuditz ist nicht nur LKW-Verkehr, wie wir zu 80 % in den Medien erscheinen mit diesen Themen. Schkeuditz ist genauso ein wunderschöner Schladitzer See mit einem wunderschönen Hainaer Strand, mit Kunst und Kultur.

Wir haben den weitaus größten Teil der immer wieder als Leipziger Aue angepriesenen Naturaue, die liegt zum größten Teil auf Schkeuditzer Flur. Deshalb erlaube ich mir immer zu sagen, die Schkeuditzer Aue ist wesentlich größer als die Leipziger. Es wird ja immer über Versiegelung und den Flughafen gesprochen. Aber wenn man mal auf Google-Maps schaut, sind wir eine Region, wo noch viel grün ist, auch immer im Vergleich und in der Kenntnis anderer Regionen.

Einweihung des Wehrs Kleinliebenau II mit Umweltminister Wolfram Günther. Foto: LZ
Einweihung des Wehrs Kleinliebenau II mit Umweltminister Wolfram Günther. Foto: LZ

Für mich ist Schkeuditz eine Stadt, die Potenzial hat, die sich in den nächsten Jahren sicherlich noch weiterentwickeln wird, wo man alle Möglichkeiten hat. Ich fühle mich hier wohl und habe auch keine Ambitionen, hier wegzugehen. Ich habe hier alles, was ich brauche.

Und was ich hier nicht habe, das finde ich unter anderem in Leipzig – ich sage immer scherzhaft, in unserer großen Vorstadt. So will ich es auch verstanden wissen, für mich ist Schkeuditz eine emanzipierte und auch eigenständige Kommune, wo sich vieles super entwickelt.

Wie ist denn die Stimmung in Schkeuditz wegen des Flughafens?

Ich sage mal, der Flughafen gehört zu dieser Stadt. Der ist seit mittlerweile 95 Jahren hier, ich würde also meinen, der Flughafen ist fast länger da als fast alle Menschen dieser Stadt. Das ist natürlich etwas flapsig formuliert, so wie sich dieser Flughafen heute darstellt, war er die meiste Zeit dieser 95 Jahr nicht im Fokus. Es war ein Messeflughafen, im Frühjahr oder Herbst flogen mal eine Anzahl Flugzeuge, dann war er wieder zu.

Die Zeiten sind natürlich lange vorbei, der Flughafen, den wir heute hier haben, ist natürlich nicht mehr zu vergleichen mit dem noch vor 25 Jahren. Mit der Entscheidung, dass DHL hierherkommt, hat sich natürlich eine Entwicklung angedeutet, die auch in der Tat eingetreten ist. Und diese Entwicklung ist auch nicht zu Ende, das sage ich ganz offen. Das wird sich in dieser Form sicherlich auch weiterentwickeln. Mit alldem, was dazugehört.

Es gibt ja die verschiedensten Lärmquellen, Schkeuditz ist eine Stadt, die extrem von Lärm verschiedenster Art betroffen ist. Wir haben die Autobahn, wir haben den normalen Stadtlärm, der wahrscheinlich in Leipzig exorbitant größer ist, als es hier der Fall ist. Wir haben die Bahn, wir haben die Bundesstraßen, die durchgehen. Das heißt, wir sind schon eine lärmbetroffene Kommune. Das machen wir auch immer mit unserem Lärmaktionsplan deutlich, wo diese Hotspots entsprechend definiert sind. Das ist eine Herausforderung.

Es gibt immer zwei Seiten einer Medaille. Auf der einen Seite die wirtschaftliche Entwicklung. Wir sind eine aufstrebende Stadt, mit intensivem Schulhausbau, Kitabau, mit Vereinsförderung, die glaube ich beispielhaft ist. Bei uns bekommen viele Vereine viel Förderung. Das können wir, wollen wir auch.

Das ist die eine Seite der Medaille, dass wir auch entsprechend Einnahmen haben. Und das Thema der Arbeitsplätze ist nicht mehr das Thema, was es noch vor Jahren war. Ich versuche immer in Erinnerung zu bringen: 2008, als die Weltwirtschaftskrise war, hatten wir hier eine Arbeitslosigkeit, die ging an die 20 % in der Stadt. Da hat man natürlich eine Ansiedelung wie DHL ganz anders eingeordnet. Da waren 20 % der Menschen, die hier leben, ohne Arbeit, und dann kommt ein Unternehmen und garantiert am Anfang 3000 Arbeitsplätze. Mittlerweile ist DHL bei fast 8000 Mitarbeitern.

Start eines DHL-Frachtflugzeuges am Flughafen Leipzig/Halle. Foto: Michael Freitag
Start eines DHL-Frachtflugzeuges am Flughafen Leipzig/Halle. Foto: Michael Freitag

Damals, wenn jemand kam und sagte, wir bringen Arbeitsplätze mit – das ist ja immer das entscheidende. Ohne Arbeitsplätze, ohne Wirtschaft können wir uns auch unseren Sozialstaat nicht leisten. Das heißt, wir müssen irgendwo auch das Thema der wirtschaftlichen Entwicklung im Fokus behalten, und das ist für mich auch eine wichtige Dimension. Das Entscheidende ist ja immer: wie bekomme ich diese wirtschaftliche Entwicklung irgendwie in Balance mit dem Lebenswerten. Und wenn ich eine Kommune habe, die in den letzten 10 Jahren so exorbitanten Zuzug hat …

Kritiker sagen ja immer, die kommen ja nur, weil es hier Arbeit gibt und weil sie woanders gar nicht wohnen können. Das halte ich für falsch. Niemand muss irgendwo wohnen, wir sind mittlerweile in einer Situation, wo man deutschlandweit – wenn man wollte – Arbeit findet. Wir haben mittlerweile einen immens gedrehten Markt seit 2008. Also niemand muss hier in Schkeuditz wohnen. Das heißt, die Menschen, die hierherkommen, haben in der Regel hier Arbeit oder finden hier Arbeit und wollen hier leben.

Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist, man muss, und da sehe ich auch meine Verantwortung, immer wieder darauf hinweisen: Ja, die wirtschaftlichen Entwicklungen und auch die Flugbewegungen werden zunehmen. Das sage ich ganz offen und werde auch immer mal wieder dafür gescholten. Aber ich sage es trotzdem immer wieder, weil es auch die Wahrheit ist. Wir müssen alle, die etwas dafür tun können, immer wieder daran erinnern: Lärm ist ein Problem, Feinstaub ist ein Problem, wir müssen schauen, wie wir das handhaben.

Von daher ist für mich nicht verhandelbar: Alles, was gesetzlich an Lärmschutzmaßnahmen notwendig ist, das hat zu kommen, da diskutiere ich gar nicht. Da bin ich als Mitglied im Aufsichtsrates des Flughafens schlussendlich auch der oberste Kritiker in diesem Gremium. Eine Entwicklung kann nur funktionieren im Miteinander.

Im Moment ist ja das Thema der Vorfelderweiterung im Fokus und von allen mit Spannung erwartet, was kommt beim Planänderungsverfahren raus, wie geht es dort voran. Ich sage einfach auch selbstbewusst, wir haben als Stadt gemeinsam mit den Stadträten und mit den Ortschaftsräten eine Stellungnahme abgegeben, wo man vieles auch ablesen kann. Ich bin nicht für ein Nachtflugverbot, weil letztendlich die wirtschaftliche Entwicklung in dieser Region, in dieser Stadt die Nachtfluggenehmigung einfach braucht.

Das heißt aber nicht, dass das Propellerflugzeug XY, was einen morgens um eins senkrecht im Bett stehen lässt, sein muss. Daran muss man arbeiten, aktiver Lärmschutz, passiver Lärmschutz. Die Menschen, die hier leben, haben einen Anspruch auf zeitgemäße Fenster, auf Lüfter. Da renne ich immer wieder vor Wände. Die Planfeststellung war ja vor 15 oder 20 Jahren, da erwarte ich einfach, dass man das fortschreibt.

Das muss immer wieder auch gefordert werden. Wenn man mich fragt, wie die Stimmung grundsätzlich ist, glaube ich, 80 % der Schkeuditzerinnen und Schkeuditzer sind pro Flughafen. Das heißt aber nicht, dass diese Menschen mit allem einverstanden sind, was passiert. Und ich bleibe dabei, das weiß man mittlerweile auch bis Dresden.

Ich bin ganz bewusst in die Fluglärmkommission gegangen, habe mir dort auch durchaus die Kritik des Freistaates eingehandelt, ob ich da nicht einen Interessenkonflikt hätte mit meiner Aufgabe als Mitglied des Aufsichtsrates und der Fluglärmkommission. Aber ich sage, im Gegenteil. Ich will meinen Input einfach mit reinbringen. Es geht nur, wenn man versucht, bestimmte Kompromisse zu finden. Man muss auch ganz klar sagen, DHL hat auch eine Menge verändert, weil sie ja auch richtigerweise den Druck haben.

Fliegen ist nicht umweltfreundlich, das ist nun einmal so, Autofahren auch nicht. Trotz alledem muss man irgendwie sehen, wie kommen wir damit klar. Mit radikalen Positionen kommen wir nicht weiter, das ist meine tiefste Überzeugung. In dem Moment, wo man sagt, ich schau’ mir die Medaille nur noch von einer Seite an, verliere ich wesentliche Aspekte, die auf der anderen Seite der Medaille sind, einfach aus dem Blick. Man muss miteinander im Gespräch bleiben, ich bin froh, dass wir den Fluglärmschutzbeauftragten jetzt etabliert haben. Ich persönlich stelle mich auch jedem Gespräch. Und dann versucht man, bestimmte Dinge umzusetzen.

Ein Thema, wo wir erfolgreich waren, ist das Thema Triebwerkprobeläufe im Freien in der Nacht. Da gab es einen riesigen Aufschrei vor Jahren, zu Recht. Warum muss man in der Nacht draußen Triebwerkprobeläufe machen? Das kann man niemandem erklären. Dagegen haben alle einstimmige Beschlüsse gefasst – Ortschaftsräte, Stadträte. Bürgerinitiativen und Vereine haben nein gesagt, das wollen wir nicht.

Und es ist erreicht. Im Moment wird die Halle umgebaut und ist fast fertig, sodass die meisten dieser Probeläufe in dieser Halle stattfinden können, wo sich die Lärmemission nicht mehr auf die Orte drumherum auswirkt. Und es finden keine mehr statt, und wir werden auch aufpassen, dass das so bleibt.

Wie sieht es denn hier mit der Energiekrise aus, wird es in Schkeuditz auch Einsparungen geben?

Auch wir als Verwaltung wurden natürlich im Stadtrat gefragt, was wir gedenken zu tun. Was will man großartig tun? Ich werde definitiv keine Debatte führen, irgendeine Ampel abzuschalten, das ist Unsinn in meinen Augen. Wir stellen seit vier Jahren, wie andere Kommunen auch, sukzessive einen Teil unserer Straßenbeleuchtung auf LED um. Kommunen sind generell in der Situation, dass sie sparen müssen. Das Sparen ist ja keine Erfindung, die wir jetzt erst für uns erkennen sollen, das ist immer an der Tagesordnung.

Ich habe kein Problem damit, wenn man in der Sporthalle nach dem Sport kalt duscht, aber das ist jetzt nicht meine Maßnahme Nummer eins. Wir haben auch den Luxus, dass wir auf der Toilette warmes Wasser zum Händewaschen haben, das geht auch mit kaltem. Die Frage ist immer, was erreiche ich womit. Natürlich, Kleinvieh macht auch Mist, und wenn jetzt deutschlandweit alle Kommunen von warmem Wasser zum Händewaschen auf kalt umstellen, bewirkt das auch etwas. Keine Frage.

Was wir jetzt machen, unser Gebäudemanagement hat einen Maßnahmenplan aufgestellt. Wenn es nötig ist, die Gebäude auf 19 Grad runterzustellen, machen wir das natürlich. Aber es muss auch handhabbar sein, wir sind hier in einem denkmalgeschützten alten Rathaus. Wir können hier nicht irgendwo auf einen Hebel drücken. Manche Dinge gehen auch einfach nicht, zum Beispiel im Kindergarten auf 19 Grad runterzudrehen. Im Krankenhaus auch nicht. Ich warne vor Aktionismus, der ist nie ein guter Wegbegleiter.

Und dann müssen wir sehen, wie wir hoffentlich durch diese Krise kommen. Ich bin ein absoluter Verfechter dessen, dass wir daraus lernen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass man die Sonne nutzen sollte und den Wind auch, ich bin aber auch davon überzeugt, man sollte Lösungen schaffen, die unserem Bedarf gerecht werden. Aber das wäre jetzt wieder ein abendfüllendes Thema, wie schaffen wir die Energiewende. Die Lösung hat, glaube ich, noch keiner. Und DIE Lösung gibt es auch nicht, es wird ein Mix werden. Ich habe mittlerweile auch ein großes Problem damit, dass wir unsere Flächen mit Photovoltaik zupflastern, das gehört aufs Dach.

Ich versuche mal nicht so in die Weltpolitik abzuschweifen, das sind riesige Probleme, die wir dort im Moment haben. Das Schlimmste, was im Moment in der Tat stattfindet, ist dieser Krieg in der Ukraine. Wir haben relativ spontan nach dem 24. Februar 400 Menschen aus der Ukraine hier in Schkeuditz aufgenommen, wir waren damit die mit Abstand am meisten belegte Kommune – die Mittelzentren mal ausgenommen.

Es ist eine große Hilfsbereitschaft in der Stadt mit vielen Freiwilligen, auch Hoteliers und so weiter. Eine Welle der Solidarität. Wir haben eine Kleiderkammer unten im Ratskeller eingerichtet, der coronabedingt leider keine Gaststätte mehr ist, wir haben eine alte Schule wieder aktiviert, die Kinder gehen in die Schule.

Schkeuditz
Die Kleiderkammer im ehemaligen Ratskeller. Foto: Sabine Eicker

Wir haben das Hoffnungszentrum hier in Schkeuditz, eine evangelische, freikirchliche Gemeinde, die ganz viel junge Menschen ansprechen. Die machen seit vielen Jahren Hilfstransporte nach Moldawien. Das Gymnasium packt zu Weihnachten Päckchen, aufgeteilt nach Altersklassen oder Geschlecht, DHL stellt einen LKW seit vielen Jahren, und dann werden hunderte dieser Päckchen nach Moldawien gefahren und dort verteilt.

Und jetzt brach dieser schlimme Krieg aus und die Medien stürzten sich auf diese schlimme Situation an der polnisch-ukrainischen Grenze, die in der Tat schlimm war. Worüber kaum jemand berichtete, war diese große Misere in Rumänien und Moldawien. An der ukrainisch-moldawischen Grenze sind wesentlich mehr angelandet. Die Folge war, an der polnischen Grenze häuften sich – zum Glück – die Hilfstransporte, und in Moldawien war nichts.

Gibt es denn auch irgendetwas, was sie gerne umsetzen würden, wofür aber vielleicht auch die Mittel fehlen?

Wir wollen seit Jahren ein neues Stadion bauen. Das ist der erste Punkt. Das ist aber ein Projekt, das würde ich jetzt nicht in die Kategorie nicht geschafft stecken, sondern in die Kategorie wir werden es schaffen. Wir haben das jetzt als Kohleprojekt mit eingebracht, wir sind ja im Mitteldeutschen Kohlerevier antragsberechtigt.

Das zweite ist ein Thema, was Schkeuditz bis 1994 hatte und was dann abgerissen wurde: ein Schwimmbad. Auch daran arbeiten wir sehr intensiv, ich finde, in ein Mittelzentrum wie Schkeuditz gehört ein Schwimmbad. Da gehört eine Menge dazu, die laufenden Kosten eines Schwimmbades sind hoch, Gewinn wirft ein Schwimmbad niemals ab. Das sind also alles Dinge, die auch erwirtschaftet werden müssen.

Ansonsten haben wir auch viele Dinge, die sehr gut funktionieren. Wir haben in allen Ortsteilen Außenstellen der Bibliothek, wir haben einen recht guten Stand, was unsere Schulen betrifft. Wir haben in Wehlitz an der Thomas-Müntzer-Grundschule den einzigen Schulzoo Deutschlands. Den gab es schon zu DDR-Zeiten.

Dann wären wir am Ende angekommen. Ich danke Ihnen für das Gespräch.

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Es gibt 8 Kommentare

@Sebastian Wenn Sie mit Windows arbeiten, dann nutzen Sie das Numpad: Alt-Taste gedrückt halten und dann: Alt-0132 für „ – Alt-0147 für “

Ich bedaure, dass Sie das zynisch auffassen, was ich geschrieben habe. So war es nicht gemeint!

Und ja, ich bin definitiv für die Distanz des “Sie”. Wir sind nicht alle dicke Freunde auf dieser Welt, mein Chef ist es nicht, der Kassierer im Konsum ist es nicht, und die IKEA-Möbelfachverkäuferin auch nicht. Es ist nichts Schlimmes dabei, beim “Sie” zu bleiben.

Es tut mir leid das öffentlich zu fragen – eine Nachrichtenfunktion untereinander bietet diese Plattform nicht, dafür ist sie ja auch nicht gedacht. Ich mag Ihre typographisch korrekten Anführungszeichen – wie erstellen Sie die? Über das “Alle” denke ich noch mal nach, Danke für den Hinweis. 😉

@Sebastian. Zitat: „was sowieso eintreten wird“ – diesen Zynismus finde ich ekelhaft. Und wenn Sie – ich wäre auch mit „Du“ einverstanden, aber ein bisschen Distanz schadet in diesem Fall nicht – also wenn Sie das Wort „alle“ klein schreiben und außerdem die korrekten typografischen (oder „typographischen“, suchen Sie’s sich aus) anstelle der englischen Anführungszeichen verwenden würden, dann wäre Ihr Kommentar ebenfalls angenehmer zu lesen. Abgesehen vom Inhaltlichen natürlich.

Kleine Bemerkung vorneweg: Wenn Sie es einfach auf Deutsch sagen, so dass es Alle verstehen können, brauchen Sie die Anführungszeichen gar nicht. Und wenn Sie die Gendersterne weglassen würden, wäre noch ein kleiner Spaltkeil für die Leute, die Ihren Text lesen, verschwunden.
Also: Natürlich gehört der Verkehrssektor nicht zu den leicht, oder schnell erreichbaren Zielen. Sonst wäre dort schon mehr, und vor allem mit viel weniger Aufwand, getan.

Der Bürgermeister hat doch eine einfache Wahl. Er kann das, was sowieso eintreten wird, mit rabiaten Maßnahmen und Einschränkungen für “seine” Bevölkerung begleiten, oder genau das eben lassen und das Leben der Leute einfacher halten.
Erstaunlich, dass er das auch nicht alleine so sieht, wie die Interviews mit den anderen Umlandbürgermeistern so zeigen. Aber wir sind hier die Großstadt, da ist dann manches anders.

Ja, das ist richtig.
“Der Horizont vieler [Politiker] ist ein Kreis mit Radius null – und das nennen sie ihren Standpunkt.”
“… ein guter Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand.”

Koinzidenz – vielleicht muss man so sein, um Politiker zu werden.

Das Problem mit dem Klimawandel ist, dass er sich nicht gegen andere Interesse “abwägen” oder mit sich verhandeln lässt. Wir sind schon bei 1,2°C globaler Erwärmung. Welchen Warnschuss vor den Bug brauchen wir noch? Da sollten wir doch zumindest an die “low hanging fruits” gehen, zum Beispiel den Verkehrssektor, der seine Ziele krachend verfehlt. Ich weiß, die Lobbyist*innen von DHL, DEGES (plus Baufirmen), Autoindustrie und Zulieferern etc. sitzen überall und deren Profite sind sehr wichtig, aber von einem OB erwarte ich, auch an die zukünftigen Generationen zu denken.

Dass es wortwörtlich ums Überleben der Menschheit geht, ist für viele nicht fassbar. Deshalb wird das ausgeblendet. Das ist eine psychologische Schutzfunktion, die auch verständlich, aber letztendlich tödlich ist. Und leider zuallererst für Millionen von Menschen in den heißen, trockenen Regionen, aber bald darauf auch für uns.

P.S. Das Sternchen bezog sich auf Politiker*innen allgemein, nicht den Herrn Bergner allein.

Der Mann ist ein Mann, jegliches Sternchen unsinnig. Und: Er ist nicht blind, er hat lediglich vergessen noch ein paar Verkehrsmittel aufzuzählen, die auch allesamt nicht FREUNDLICH zur Umwelt sind. Man kann Belastungen reduzieren, aber braucht sich bestimmt nicht einreden lassen, dass Material und Energieverbrauch des Sammeltransports, egal ob Straßenbahn oder Plusbus, der Erde irgendwas zurückgeben und sie wieder schön grün machen würden.

Zitat: „Fliegen ist nicht umweltfreundlich, das ist nun einmal so, Autofahren auch nicht. Trotz alledem muss man irgendwie sehen, wie kommen wir damit klar.“

Kommen wir damit klar? Fünf bis zehn Jahre lang vielleicht noch. Aber es widerspricht sämtlichen Klimaschutzambitionen. Es ist unvorstellbar, wie blind die Politiker*innen immer wieder sind.

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