Er ist noch dabei, es sich „heimisch“ zu machen im Rathaus am Marktplatz: Oliver Urban (SPD) wurde im Juli 2022 zum neuen Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Borna gewählt. Damit löste er seine Amtsvorgängerin Simone Luedtke (Die Linke) ab, die 14 Jahre lang im Amt war. Er möchte frischen Wind ins Rathaus und in die Stadt bringen. Im Gespräch mit der LZ berichtet Urban über seine neue Aufgabe, seine Pläne und Ziele für Borna.

Herr Urban, Sie wurden im Juni zum Oberbürgermeister von Borna gewählt. Was verbindet Sie mit der Stadt und was war ihr „Erfolgsrezept“?

Ich bin hier zu Hause, ich habe die Stadt eigentlich nur fürs Studium und den Wehrdienst verlassen. Aufgewachsen bin ich zwar in Leipzig-Schleußig, in der Grundschulzeit aber mit meinen Eltern nach Borna gezogen. 1985 habe ich hier mein Abitur gemacht, 1988 habe ich mit dem Jura-Studium begonnen. Nach meinem Studium habe ich überlegt: Was mache ich jetzt? Zunächst habe ich mich dazu entschieden, wieder in die Kleinstadt zu gehen. So habe ich sozusagen als Anwalt kleine Brötchen gebacken.

Jetzt bin ich der Anwalt für die Stadt. Mein Wahlkampf hat etwa 12.000 Euro gekostet, ich habe vor allem im Internet agiert – im Gegensatz zu meiner Vorgängerin. Papier möchte ja niemand mehr lesen. Mein Berater hat auf die Produktion von Videos gesetzt. Ich habe da gezielt die Menschen ab 16 Jahren angesprochen und die Filme auf Facebook etc. veröffentlicht. Meine Vorgängerin hat wohl lediglich ihre Freunde angesprochen …

Sie sitzen seit 2001 im Bornaer Stadtrat, zunächst für die ‚Bürger für Borna‘, seit 2009 für die SPD. Sie sind außerdem seit 2014 Abgeordneter im Kreistag. Beides sind ehrenamtliche Mandate. Ist der Posten des Oberbürgermeisters sozusagen nun eine Entlastung?

Es ist total belastend, zumindest für Ehrenamtler. Der Stadtrat tagt zehnmal im Jahr. Davor gibt es immer mindestens eine Fraktionssitzung, hinzu kommen diverse Ausschusssitzungen. Der Kreistag tagt sechsmal im Jahr. Außerdem bin ich im Beirat für Katastrophenschutz tätig. In jeder Woche hat man mindestens zwei Abendtermine. Deshalb wollen auch viele Frauen ein solches Mandat hier nicht übernehmen.

Es ist so: Als selbstständiger Rechtsanwalt, aber auch in jedem anderen Beruf, nimmt man diese ehrenamtlichen Termine natürlich nach der Arbeit war. Das ist sehr fordernd. Jetzt hatte ich seit Anfang August bisher drei Abendtermine, das kann man noch nicht wirklich vergleichen. Generell ist es seit Beginn der Corona-Pandemie entspannter geworden.

Was waren Ihre ersten Amtshandlungen?

Niemand aus der Verwaltung durfte mit der Presse oder Abgeordneten sprechen. Alle Post ging über den Schreibtisch der Bürgermeisterin. Das habe ich sofort abgeschafft. Ich bin doch da für Strategie und gute Laune und nicht für die Sichtung von Bußgeldbescheiden. Beispielsweise dürfen die Mitarbeiter/-innen der Verwaltung nun auch ab 6 Uhr morgens mit der Arbeit beginnen. Davor war dies erst ab 7 Uhr erlaubt. In den Sommermonaten ist das jedoch einigen zu spät. Auch die Pforte habe ich wieder besetzt, Telefonhotlines wurden abgeschafft.

Soviel zum Blick in die Verwaltung, was sind ihre Ziele im Außen?

Mein Wahlversprechen: Ich will, dass Borna wieder etwas sauberer wird. Toll ist: Bis zum Jahresende wird die Stadt nahezu entschuldet sein. Allerdings mangelt es hier an Sauberkeit und Pflege, weil an allen Stellen eingespart wurde. Außerdem fehlen in der Stadt 120 Kita- und Hortplätze. Das Problem gibt es hier auch, meiner Meinung nach allerdings mehr oder minder selbst geschaffen. Wenn 155 Kinder geboren werden, kann ich mir ausrechnen, wann wie viele Plätze nötig sein werden.

Außerdem: Wenn 60 Prozent der Kinder auf das Gymnasium gehen, ist die Schule mit Bornaer Schüler/-innen voll. Es ist allerdings das Gymnasium für den Landkreis. Die Schule muss erweitert werden, das haben wir vor. Ebenso soll es 84 mehr Plätze in einer Kita hier im Osten der Stadt geben. Bisher war eine Container-Lösung vorgesehen. Das mag bei Linken durchgehen, bei der SPD allerdings nicht.

Welche Probleme müssen in der Stadt angegangen werden?

Ziemlich schwierig ist momentan der öffentliche Personennahverkehr. Der war früher nur auf die Schüler/-innen ausgewiesen. Das wollen wir verändern, beginnend bei der Taktung. Wir wollen die Ortsteile durch ein Rufbus-System anschließen. Entsprechend der Vorgaben muss jede/-r Bürger/-in dann eine Bushaltestelle in einer Entfernung von höchstens 300 Metern haben.

Bei uns hält zudem mehrfach die S-Bahn im Halbstundentakt. In der Ausschreibung des Nahverkehrs wird das in wenigen Jahren zu einem Stunden-Takt. Dagegen wollen wir natürlich angehen. Im Rahmen des Braunkohleausstiegs bekommt der Nahverkehr für Grimma eine batteriebetriebene S-Bahn als Ausgleichsmaßnahme, finanziert durch den Bund. Bei uns wird der Umbau des Amtsgerichts zur Berufsfachschule für Pflegeberufe finanziert. Das ist natürlich sinnvoll, aber für wesentlich weniger Geld zu haben. Dem ‚normalen‘ Kohlekumpel nützt das allerdings wenig.

Welche Vorteile sehen Sie im Leben in einer Kleinstadt wie Borna?

Wir haben ein großes Krankenhaus, die Sana-Klinik. Das ist ein Riesenglück. Es gibt in der Stadt kurze Wege, dafür aber keinen „Gigantismus“, alles Umland eingemeinden zu wollen. Alles ist im Prinzip um die Ecke, wir haben die S-Bahn und die Autobahn. Für größere Besorgungen gibt es zum Beispiel das IKEA in Chemnitz, das erreicht man innerhalb von 20 Minuten mit dem Auto. Wenn ich die Straße fege, bekommt es natürlich jeder mit. Allerdings war ich auch vorher Anwalt in der Stadt, da musste ich auch damit leben, immer erkannt und angesprochen zu werden.

Wie sieht eigentlich ihre Wohnsituation aus?

Ich wohne seit 2007 in einem Haus im Stadtzentrum, etwa 400 Meter vom Rathaus entfernt. Dementsprechend komme ich jeden Tag zu Fuß zur Arbeit. Zu Terminen geht es mit dem Dienstwagen oder dem Fahrrad.

Wie gestaltet sich die Arbeit im hiesigen Stadtrat?

Der Stadtrat ist relativ klein: Sechs Mandate hat Die Linke inne, drei sind von der AfD besetzt. Die SPD hat drei Plätze. Leider lassen sich die Linken nicht filmen bei der Live-Übertragung, auch die ehemalige Oberbürgermeisterin Frau Luedtke hatte etwas dagegen. Deshalb fehlten in der Übertragung oft die Antworten bzw. Beiträge. Nunmehr kann man sich die gesamte Sitzung im Internet anschauen, dies sorgt für mehr Transparenz bei unseren Entscheidungen.

Auf Städte und Gemeinden kommen in den nächsten Jahren Mammutaufgaben zu, wichtige Veränderungen müssen geschaffen werden. Was tut die Stadt für den Klimaschutz?

Wir haben ein Klimakonzept und werden gemeinsam mit den nachbarschaftlichen Gemeinden einen Klimamanager einstellen. Der hat vor allem die Aufgabe, die Bürger/-innen zu beraten. Zum Klimakonzept gehören zum Beispiel die Einführung von städtischen Trinkbrunnen und die Abkoppelung von der Fernwärme. Wir versuchen, Borna innerhalb der nächsten zweieinhalb Jahre auf Solarthermie umzustellen. Wir werden an drei Punkten abgedeckte Wasserbehälter errichten.

In diesen wird das Wasser mittel Solarenergie auf 95 Grad Celsius erhitzt. Durch dieses Wasser soll die Stadt vom Herbst bis April gewärmt werden. Das ist unproblematisch bei allen Anschlüssen, die bereits jetzt am Fernwärmenetz hängen. Bei allen anderen müssen natürlich die Anschlüsse angelegt werden. Für das Projekt werden etwa 50 Hektar Flächen benötigt.

Davon hat die Stadt genug. In Städten wie Leipzig oder Markkleeberg würde das nicht funktionieren. Glücklicherweise hat die Stadt außerdem ein eigenes Stadtwerk. Als Nächstes folgt das Verkehrskonzept.

Wir wollen den Verkehr weiter verflüssigen, die Stadt soll fahrradfreundlicher werden. Es werden allerdings definitiv keine Parkplätze abgebaut oder verteuert, wie beispielsweise in Leipzig.

So wie dort kann man immerhin auch Soziales regeln –indem man Menschen ausgrenzt. Allerdings ist es natürlich in der Großstadt auch eine andere Situation. Aber zurück zum Thema: Der Busbahnhof wird demnächst umgebaut. Dort soll dann ebenso auch der Rufbus angeknüpft werden, damit direkt der Zugang zur S-Bahn besteht. Dann soll auch ein überdachter Fahrradstellplatz entstehen.

Fühlen Sie sich angesichts der aktuellen Energiekrise ausreichend gewappnet für die Zukunft?

Natürlich haben wir uns auch intern die Frage gestellt: Was machen wir, wenn das Gas unendlich teuer wird? Dafür wurden bereits Projekte entwickelt, um die Menschen wieder anzuwerben. Allerdings: 80 Prozent des Gases wurde bisher für die Industrie eingesetzt.

Das heißt, die Frage, ob Menschen im Winter frieren werden, wird sich in diesem Winter nicht stellen. Wenn der Energiemarkt allerdings gänzlich kollabiert und sich der Preis verzehnfacht, wird die Regierung wohl nicht riskieren, dass Stadtwerke bankrottgehen. In Bezug auf Gas fühlen wir uns gewappnet. Sollte der Strom ausbleiben, steht natürlich das ganze Land Kopf.

Vorbereitungen für ein Blackout laufen aber auch. Schließlich dürfen Bereiche der kritischen Infrastruktur nicht ausfallen. Einer unserer Supermärkte zum Beispiel ist autark (lacht), aber auch eine Tankstelle, die Feuerwehr etc. Wir haben begonnen, einen Maßnahmenplan für die Stadt durchzusetzen.

Beispielsweise wurde die Effektbeleuchtung eingestellt. Ampeln aber bleiben vorerst an. Bisher haben wir auch die Wassertemperatur in der Schwimmhalle noch nicht runtergeregelt. Dort findet schließlich auch der Schulsport statt, das ist Daseinsvorsorge.

Freuen Sie sich auf Ihre bevorstehenden Aufgaben?

Natürlich! Ich empfinde es momentan als Aufbruchsstimmung und werde mich bemühen, Veränderungen durchzusetzen.

„Bornaer Oberbürgermeister Oliver Urban im LZ-Interview“ erschien erstmals am 30. September 2022 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.

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