Tobias Meier wurde 2015 vom Tauchaer Wahlbündnis aus SPD, Linken, Grünen und FDP zur Bürgermeisterwahl aufgestellt und ins Amt gewählt. Der 43-Jährige ist in der Stadt an der Parthe aufgewachsen und war vor der Wahl ehrenamtlich im Stadtrat tätig. Im Interview mit der Leipziger Zeitung (LZ) spricht er über sein Amt, einen Bürgerhaushalt für die 16.000 Einwohner/-innen starke Stadt sowie Umweltschutz und Rechtsextremismus in Taucha.

Was hat Sie dazu bewogen als Bürgermeister für Taucha zu kandidieren? Und sind Sie jetzt gerne Bürgermeister hier?

Ich hatte jetzt nie unbedingt angestrebt Bürgermeister zu werden. Aber als dann unser vorheriger Bürgermeister, der für 25 Jahre, seit 1990, das Amt innehatte, sagte er trete nicht nochmal an, kursierten unter den damals knapp 15.000 Einwohnern einige Namen, die die Nachfolge antreten könnten.

Dann wurde ich irgendwann gefragt und habe mir ein wenig Bedenkzeit genommen, denn so ein Bürgermeisteramt krempelt natürlich dein gesamtes Leben um. Aber ich habe mich letztlich dafür entschieden, denn ich bin ein Tauchaer mit Herz und Seele. Und jetzt fühlt es sich auch ganz oft nicht wie Arbeit an. Es ist einfach schön, die Stadt und die Region, die man liebt, mitgestalten zu können. Haben Sie Ihre Wahl doch schon einmal bereut? Wenn ja, warum?

Es gibt natürlich nicht nur Sonnenschein und es gibt so manche schwere Entscheidung, die man treffen muss. Aber bereut habe ich es noch nie. Ich bin jemand, der dann lieber nach einer Lösung sucht und dann meistens auch eine findet oder jemanden zu Rate zieht, der einen Weg eröffnen kann.

Wie sieht es denn im Stadtrat aus? Gibt es da nur Sonnenschein oder ist die Zusammenarbeit auch manchmal schwierig?

Ich bin ja schon seit 2011 im Stadtrat, also ist das jetzt die dritte Legislatur, die ich aktiv mitbekomme. Und ich denke, der Stadtrat ist in Taucha nicht so stark politisiert. Das heißt, man kann an Themen, die wir bearbeiten, sehr schwer erkennen, ob das jetzt ein Thema ist, das von Linken, Grünen, FDP oder CDU kommt. Wir arbeiten oft sehr parteiübergreifend und sachorientiert an den einzelnen Themen. Eine politische Agenda spielt hier eher weniger mit rein.

Mehrheitsfindungen sind oft trotzdem ziemlich schwierig, weil die Fraktionen sehr kleinteilig geworden sind. Wir haben sieben verschiedene Parteien im Stadtrat bei gerade mal 20 Stadträten und Stadträtinnen, inklusive mir. 2019 kam auch die Hälfte der Stadträte und Stadträtinnen neu dazu. Diese mussten sich natürlich auch erstmal einarbeiten. Aber insgesamt macht es trotzdem Spaß mit dem Stadtrat zusammenzuarbeiten, auch wenn einige Beschlüsse nicht mehr so zügig beschlossen werden können, wie es früher die Regel war.

Das Rathaus in Taucha. Foto: Antonia Weber

Wie kommen Sie zu Ihrer geliebten Arbeit? Wie sind die verschiedenen Verkehrswege ausgebaut? Wo sehen Sie noch Probleme?

Zu oft fahre ich mit dem Auto zum Rathaus. Ich nehme es mir öfter vor mit dem Rad, bin aber ehrlich gesagt ein Schönwetter-Radfahrer (lacht). Da ich bewusst keinen eigenen Dienstwagen fahre, nehme ich bei längeren Strecken ein Auto aus der kleinen Rathausflotte, oft fahre ich zu Terminen nach Leipzig mit der S-Bahn.

In Taucha konkurrieren die verschiedenen Verkehrsmittel miteinander und wir müssen im Stadtgebiet und den engen Straßen schauen, wie wir den unterschiedlichen Verkehrsmitteln jeweils ihre Räume geben. Wir haben in der letzten Zeit ein großes Augenmerk auf die Radfahrer und Fußgänger gelegt. Wir haben einiges investiert, neue Wege geschaffen und alte saniert. Die Geh- und Radwegsituation ist leider immer noch nicht so, wie wir uns das vorstellen, also werden wir da auch weiter dranbleiben.

Gerade sind wir an der Radwegekonzeption, für die es im Herbst auch noch eine Bürgerbeteiligung geben wird. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind nach Leipzig hin sehr gut ausgebaut. Im Stadtgebiet richten sich die Buslinien natürlich stark nach den Schulzeiten; da schauen wir noch nach Verbesserungen. Was aber leider kaum genutzt wird, ist unser Anrufbusservice „ALITA“, der jeden Tag zur Verfügung steht. Teilweise ist der auch gar nicht bekannt; da muss noch Aufklärungsarbeit geleistet werden.

Auf dem Weg hierhin stand ich gut 20 Minuten im Stau kurz vor Taucha. Wie steht es um die B87?

Eine angespannte Situation herrscht natürlich auch durch die B87. Und es wird nicht weniger Verkehr werden – wir sind nun mal das Nadelöhr nach Leipzig. Aber es ist halt eine Bundesstraße; da hat die Stadt keinerlei Einfluss. Trotzdem gab es ein Bürgerbeteiligungsverfahren unter dem Titel „B87 im Dialog“ mit vielen Veranstaltungen und Diskussionen.

Dabei gab es auch Vorschläge für Tunnelbauweisen, die gut ankamen. Und mir war es auch immer lieber, die Straße irgendwie in und unter Taucha zu bauen als irgendwelche Fahrstreifen durch die Landschaft, durch Naturräume zu ziehen und noch mehr Flächen zu versiegeln. Die B87n muss kommen, für die Entwicklung unserer Stadt und des Landkreises.

Sie haben Ende Juli den Aufbau einer „Klimainitiative Stadt Taucha“ beschlossen, die für die Stadt ein klima- und energiepolitisches Arbeitsprogramm entwickeln soll. Wie kann Taucha einen Beitrag leisten zum Klimaschutz? Wo hapert es noch?

Als kleine Anmerkung: Es gibt eine bürgerschaftliche Klimainitiative in Taucha und die beschlossene Klimainitiative des Stadtrates. Die Namensdoppelung ist etwas verworren, was sich aber nicht behindert. Jetzt hat der Rat die Verwaltung beauftragt, ein klima- und energiepolitisches Arbeitsprogramm der Stadt Taucha zu entwickeln und regelmäßig anzupassen. Die Kommune soll die Auswirkungen auf das Klima sowie die ökologische, gesellschaftliche und ökonomische Nachhaltigkeit bei jeglichen Entscheidungen und der Stadtentwicklung berücksichtigen.

Wir bauen beispielsweise gerade die Sporthalle Oberschule, die ein Gründach, eine Solaranlage und eine Wasserzisterne bekommt. Als Verwaltung haben wir Dienstfahrräder angeschafft und kümmern uns gerade um ein E-Auto. Außerdem soll der Energiebedarf in den kommunalen Einrichtungen und bei der Straßenbeleuchtung durch grünen Strom gedeckt werden.

Zudem ist Taucha seit dem Frühjahr 2021, als eine von fünf sächsischen Gemeinden, dem Netzwerk „Global Nachhaltige Kommune Sachsen“ beigetreten. Ziel des Projektes ist die strategische Verankerung der Agenda 2030 in der Kommunalverwaltung und -politik mittels eines kommunalen Nachhaltigkeitsberichts zur Umsetzung der Agenda 2030 auf lokaler Ebene. Dies stellt den ersten Schritt dar, die Prinzipien und Ziele der Agenda 2030 langfristig in das kommunale Handeln zu integrieren.

Als Stadt haben wir außerdem ein Klimabudget eingeführt, das nicht an bestimmte – im Haushaltsplan nennt man das Produkte – gebunden ist. Das können wir dann beispielsweise auch als Eigenanteil für klimafreundliche Fördermittelprogramme einsetzen. Dieses Klimabudget kommt natürlich zusätzlich zu den ganzen Energie-, blauen und grünen Themen im Haushalt dazu.

Wir wollen nicht wie Leipzig einen Klimanotstand ausrufen und das plakativ vor uns hertragen. Wir wollen einfach nur das, was wir als Stadt leisten können, praktikabel umsetzen. Dafür haben wir außerdem Mitarbeiter, die neben ihrer eigentlichen Tätigkeiten gezielt nach Fördermittelprogrammen und Ausschreibungen suchen.

Die St. Moritz-Kirche in Taucha. Foto: Antonia Weber

Brauchen Sie diese Fördermittel, um Projekte, die über das Notwendigste hinausgehen, umsetzen zu können? Oder kommen Sie auch so gut mit dem Haushalt aus?

Kommunen jammern ja immer gerne, was die Finanzen angeht (lacht). Aber grundsätzlich ist dem auch nicht zu widersprechen. Wir als Kommunen sind einfach zu gering vom Freistaat Sachsen ausgestattet. Ich bezweifle einfach, dass die ständige Ausschreibung von Fördermitteln und die Jagd danach der richtige Weg ist.

Da muss man einerseits einen gewissen Anteil an Eigenmitteln mitbringen, was viele nicht können. Andererseits muss man sich als Kommune immer dahinter klemmen. Wir schaffen das dank unseres Personalmanagementsystems, in dem eine Art Radar für Ausschreibungen eingebaut ist. Aber das ist lange nicht bei allen so. Ohne Fördermittel könnten wir in Taucha uns einfach vieles nicht leisten. Und das ist bei einer Stadt, die immer jünger und nuancierter wird, fatal.

Ende 2020 haben Sie per Videobotschaft einen Appell an die Bürger/-innen gerichtet die Tauchaer Unternehmen, Gastronomen, Dienstleister etc. zu unterstützen und nicht alles online zu kaufen. Wie ist der Tauchaer Einzelhandel und die Gastronomie durch die Krise gekommen?

Unsere Klein- und Kleinstunternehmen, die lokalen Händler und Gastronomiebetriebe haben schon gelitten in der Coronakrise. Da ich mich als obersten Motivator und Botschafter für die Stadt sehe, habe ich natürlich versucht möglichst viele Leute zu ermutigen unsere vielfältige unternehmerische Tauchaer Landschaft zu unterstützen. Das hat recht gut funktioniert. Aber auch davor und jetzt stelle ich in persönlichen Gesprächen und auf den persönlichen Social Media-Kanälen bewusst meine Reichweite zur Verfügung um die Menschen für das Leben in Taucha zu begeistern.

Bleiben wir kurz beim Thema. Sie und einige Mitarbeiter/-innen sind ja im Frühjahr an COVID-19 erkrankt. Sie waren sogar einige Zeit im Krankenhaus. Haben Sie sich vollständig erholt? Und was nehmen Sie mit aus dieser Zeit?

Nachdem es über ein Jahr wirklich nur vereinzelte Fälle gab, war es sehr ärgerlich, dass auf einmal eine Welle durch das Rathaus rollte. Wir hatten strenge Hygienemaßnahmen, die wir dann auch stetig verstärkt haben. Aber letztlich hat es dann auch mich erwischt. Aber ich habe mich zum Glück gut erholt, genauso wie die meisten Kollegen und Kolleginnen. Einige haben aber auch mit Long COVID-Erscheinungen zu kämpfen. Es war schwierig, die Verordnungen immer einzuhalten und zu verkörpern und gleichzeitig das Stadtleben und die Arbeitsfähigkeit des Rathauses nicht komplett zum Erliegen zu bringen.

Da musste man immer einen Mittelweg finden. Es haben auch oft Leute bei mir angerufen, vor allem ältere, die erzählt haben, dass sie ihre Kinder und Enkel jetzt mehrere Monate und über Weihnachten nicht sehen konnten. Das ging einem schon ans Herz, das habe ich mit nach Hause genommen. Trotzdem war es schön zu sehen, dass die nachbarschaftliche Hilfe verstärkt angenommen wurde. Andererseits war es aber komisch zu sehen, wie sich einige Nachbarn oft beobachtet haben und es zu unschönen Situationen kam. Klar waren wir dankbar über Hinweise, aber dass da oft nicht das direkte Gespräch genutzt wurde, sondern gleich der Weg über die Verwaltung, war irgendwie schade.

Das klingt ja schon fast nach Denunziation.

Das wollte ich jetzt hier nicht so krass sagen (lacht). Aber ja, irgendwie schon.

Den zweiten Teil des Interviews folgt in Kürze.

Auf dieser Seite sammeln wir alle Interviews mit den Bürgermeister/-innen der Kommunen im Leipziger Umland.

„Tobias Meier im Interview“ erschien erstmals am 3. September 2021 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 94 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.

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> Wir wollen nicht wie Leipzig einen Klimanotstand ausrufen und das plakativ vor uns hertragen. Wir wollen einfach nur das, was wir als Stadt leisten können, praktikabel umsetzen.

Oh Gott, das klingt so unhysterisch und normal. Kein einziges englisches Schlagwort drin. Eine sachliche Aussage, die den Willen dahinter trotzdem nicht vermissen lässt.

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