Tobias Meier wurde 2015 vom Tauchaer Wahlbündnis aus SPD, Linken, Grünen und FDP zur Bürgermeisterwahl aufgestellt und ins Amt gewählt. Der 43-Jährige ist in der Stadt an der Parthe aufgewachsen und war vor der Wahl ehrenamtlich im Stadtrat tätig. Im Interview mit der Leipziger Zeitung (LZ) spricht er über sein Amt, einen Bürgerhaushalt für die 16.000 Einwohner/-innen starke Stadt sowie Umweltschutz und Rechtsextremismus in Taucha.

Sie haben im August die Abstimmung zum ersten Tauchaer Bürgerhaushalt abgehalten. Wie ist das Konzept aufgebaut? Wie war die Beteiligung?

Zwar sind in unsere Haushaltspläne natürlich immer auch indirekt die Vorschläge der Bürger eingeflossen. Aber wir wollten auch einen Raum schaffen, in dem sich nicht nur die immer wieder gleichen Einzelpersonen aus den Initiativen und Vereinen melden, sondern ein breiterer Teil der Öffentlichkeit teilhaben kann. Deshalb habe ich dann den Vorschlag eines Bürgerhaushaltes eingebracht. Dieses Jahr haben wir begonnen mit 20.000 Euro. Das klingt erstmal nicht viel, aber für den Start war das schon gut, denke ich.

Dann gab es von den Bürgern über 30 Einsendungen, also Vorschläge, wie das Geld investiert werden könnte. Nachdem wir dann geschaut haben, ob wir als Stadt überhaupt zuständig sind und ob die Idee innerhalb eines Haushaltsjahres umgesetzt oder eingeleitet werden kann, wurden 14 Vorschläge verifiziert. Die kamen dann zur Abstimmung. Und diese verlief ziemlich erfolgreich; wir waren sehr zufrieden. Über 200 Bürgerinnen und Bürger haben mitgemacht. Die ersten vier Plätze können jetzt tatsächlich umgesetzt werden. Auf Ihrer Seite habe ich gesehen, dass derzeit ein neues Ärztehaus in Planung ist. Wie ist die medizinische Versorgung in und um Taucha?

Ich denke, die medizinische Versorgung in Taucha ist nicht schlecht. Wir müssen aber auf eine Sache achten: Wir haben viele Ärzte, die in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen. Deren Praxen sind oftmals in deren Häusern beheimatet. Wir haben jetzt schon an einigen Fällen mitbekommen, dass das für junge Ärzte, die hierherkommen, nicht so attraktiv ist, diese Praxen in den Privathäusern zu übernehmen. Es gibt auch länger betriebene Praxen zur Miete, welche räumlich nicht so ausgestattet sind, dass sie den Ansprüchen an moderne Medizin und den Wünschen der Patienten in vollem Umfang gerecht werden.

Wir haben einfach die Notwendigkeit gesehen, moderne Räumlichkeiten für Mediziner aber auch andere Gesundheitsberufe zu schaffen. Das Ärztehaus kann also auch eine Physiotherapie oder ein Fitnessstudio beheimaten. Da gibt es viel Bedarf in Taucha. Insgesamt gehört ein gut ausgebautes Gesundheitswesen genauso zu einer lebenswerten Stadt wie genügend Kita-Plätze und Umweltschutz.

Einer von Tobias Meiers Lieblingsplätzen in Taucha: die Schoppenteiche. Foto: Antonia Weber

Bleiben wir doch gleich bei den Kita-Plätzen. Wie gut ist Taucha mit Kitas und Schulen ausgestattet?

Wir haben in Taucha in den letzten Jahren sehr viel in die Kita-Infrastruktur investiert. Wir haben bei bestehenden Einrichtungen angebaut und neue Einrichtungen errichtet – so zum Beispiel die Kita „Grashüpfer“ und die Kita „Kükennest”. Wir hatten bis Ende letzten Jahres eine Warteliste, aber jetzt bekommt jeder einen Platz, der einen möchte. Außerdem haben wir in Taucha eine geschlossene Schullandschaft. Das heißt, wir haben zwei Grundschulen; im nächsten Sommer eröffnet eine dritte. Ansonsten haben wir eine Oberschule, die wir vor einigen Jahren ausgebaut haben, und ein Gymnasium in Trägerschaft des Landkreises Nordsachsen, welches 2019 einen Neubau des Haus 2 erhielt.

Kommen wir zum Schluss noch zu einem unliebsamen, aber sehr wichtigen Thema. Seit 2018 häufen sich in Taucha Delikte und Vorkommnisse, die dem rechten bis rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sind. Wie geht die Stadt Taucha damit um? Wie ist die Zivilgesellschaft aufgestellt und wie können Sie diese unterstützen?

Dazu hat sich der Stadtrat schon mal öffentlich positioniert. Wir stehen als Taucha für Offenheit und Toleranz, so kann man es auch bei uns auf der Homepage nachlesen. Ich möchte, dass jede Person in Taucha so leben kann, wie sie möchte. Ich bin natürlich mit einigen politischen Meinungen nicht einverstanden, aber ich akzeptiere und respektiere sie. Trotzdem hört es für mich da auf, wo Menschen bedroht werden.

Meinungen, Demonstrationen und demokratische Aktivitäten sind auszuhalten, sofern Sie die Rechtsstaatlichkeit und das Grundgesetz nicht missachten. Einschüchterungen, Diffamierungen & Verleumdungen gehören nicht nach Taucha. Ich möchte, dass sich keiner, ob unpolitisch, rechts, links oder mittig im politischen Spektrum, unwohl in Taucha fühlt. Deshalb erwarte ich auch von jedem, dass man sich gewähren lässt, sich ausleben lässt – im demokratischen Rahmen.

Aber natürlich bekomme ich auch mit, dass es nicht immer in Taucha nicht der Fall ist: Da muss man Möglichkeiten finden, wie da gegengesteuert werden kann. Ich kann da zwar als Bürgermeister auch mithelfen, aber es ist wichtig, dass das aus der Stadtgesellschaft kommt. Wir wollen nicht, dass es zu tätlichen Auseinandersetzungen kommt, nur weil jemand eine Mütze mit Stickern aus dem linken Spektrum trägt. Extremistische und rassistische Äußerungen aller Form haben in unserer Stadt nichts zu suchen. Dafür sind wir natürlich auch angewiesen auf die Bürger, dass sie uns Vorfälle melden.

Die Solidarischen Alternativen für Taucha (SAfT e.V.) arbeiteten an einem Runden Tisch mit dem Jugendparlament, dem Kulturbüro Sachsen und Sozialarbeiter/-innen aus den Schulen und dem Jugendclub Handlungsempfehlungen für die Verwaltung aus.

Das von der Stadt folgende Positionspapier wurde scharf kritisiert, vor allem aufgrund der verallgemeinerten Äußerung „Extremistischen Haltungen wollen wir entschlossen entgegentreten“. Auch insgesamt scheint laut der Aktivist/-innen nicht viel passiert zu sein seit 2019. Wie stehen Sie zu dieser Kritik?

Das Positionspapier, das ja alle Fraktionen unterschrieben haben, ist ein Kompromiss. Mir war es wichtig, dass wir einen Großteil der Gesellschaft aktivieren und das fängt für mich im Stadtrat an. Ich wollte nicht, dass nur die üblichen Verdächtigen unter diesem Positionspapier unterschreiben.

Mir liegt die Ausarbeitung des Runden Tisches vor, welcher auch in den Stadtrat getragen wurde. Wir haben nicht-öffentlich darüber beraten. Außerdem soll das im Kommunalpräventionsrat im Rahmen der Demokratieförderung und Vorgehen gegen extremistische Strukturen Widerhall finden. Das Ziel ist dabei auch ein breites Spektrum zu mobilisieren und nicht die immer gleichen Leute.

Kunstprojekte rund um die Schoppenteiche. Foto: Antonia Weber

Noch kurz zurück zu den extremistischen Strukturen: Letztes Jahr hat sich das „Imperium Fight Team“ rund um Benjamin Brinsa in Taucha angesiedelt. Aus aktivistischen Kreisen kam die Kritik, dass man die rechten Akteure gewähren lassen hat. Wie schätzen Sie die Situation ein?

Es ist natürlich schwierig dazu etwas zu sagen, weil man dem Fightteam dort auch kein Futter geben möchte. Dass sie sich dort angesiedelt haben, ist uns bewusst und wir haben das gewiss nicht befördert. Wir haben natürlich genau geschaut, ob das da z. B. baurechtlich alles seine Ordnung hat. Aber als Kommune hat man sonst kaum Möglichkeiten, da etwas gegen zu tun, wenn von Privat an Privat verpachtet wird.

Insgesamt möchte ich jetzt für die aber auch nicht so die Werbetrommel rühren. Nicht, dass wir sie verheimlichen möchten. Aber wir haben genug Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung in Taucha und versuchen diese auch auszubauen – dazu haben sich die Vereine auch schon zusammengesetzt und Gedanken gemacht. Vor allem junge Menschen sollten sich nicht an irgendwelche politischen, extremistischen oder gar gewaltverherrlichenden Ränder wenden müssen, um Sport betreiben zu können.

Wir haben über Umweltschutz, die finanzielle Lage, das Gesundheitswesen in Taucha und vieles mehr geredet. Was wünschen Sie sich für Taucha in den kommenden Jahren und Jahrzehnten?

Ich möchte, dass wir in Taucha offen, tolerant und ehrlich miteinander umgehen. Dass wir schätzen, was wir miteinander schaffen. Ob man nun ein Nachbarschaftsfest organisiert, Übungsleiter in einem Verein ist, ob man in der Sozialarbeit tätig ist. Es gibt so viele Möglichkeiten sich in Taucha einzubringen und all diese kleinen Puzzleteile machen Taucha so lebenswert und attraktiv.

Wir müssen nach vorne schauen, schauen, was wir besser machen können und wo wir Zusammenhalt noch stärker fördern und leben können. Manchmal gefällt mir die Diskussionskultur hier in der Stadt nicht – man spricht oft zu laut oder übereinander und nicht miteinander. Ich hoffe, dass wir das noch besser anpacken können. Ich bin voller Energie und Optimismus, um da weiter mein Herzblut reinzustecken.

Den ersten Teil des Interviews können Sie hier nachlesen.

Auf dieser Seite sammeln wir alle Interviews mit den Bürgermeister/-innen der Kommunen im Leipziger Umland.

„Tobias Meier im Interview“ erschien erstmals am 3. September 2021 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 94 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.

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