Immer wieder wundern sich Forscher zur sächsischen Wirtschaftsgeschichte, dass ganze Unternehmensarchive nicht mehr aufzufinden sind. Selbst von einst namhaften Leipziger Unternehmen mit Weltgeltung. Die Diskussion über die Politik der Treuhand hat ja auch dieses Thema wieder aktuell gemacht. Jetzt hat der Vorsitzende der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, Rico Gebhardt, sich ganz offiziell danach erkundigt, was aus diesen alten Aktenbeständen geworden ist.

Die Antwort bekam er vom neuen Innenminister Dr. Roland Wöller. Danach hat man zwar alles Mögliche geregelt zu diesen alten Aktenbeständen und einige haben tatsächlich den Weg entweder ins sächsische Staatsarchiv oder ins Wirtschaftsarchiv der IHK gefunden. Aber das Problem taucht dort auf, wo Unternehmen privatisiert oder verkauft wurden.

Zu dem, was in Sachsen ganz offiziell gesammelt wird, erklärte Wöller: „Archivwürdige Unterlagen staatlicher Betriebe der DDR werden seit Ende der 1970er Jahre, in größerem Umfang seit Beginn der 1990er Jahre, im Sächsischen Staatsarchiv bzw. seinen Vorgängereinrichtungen sowie in den Kommunalarchiven des Freistaates Sachsen mit dem Ziel des dauerhaften Erhalts und der Zugänglichmachung für eine Benutzung auf der Grundlage des Archivgesetzes für den Freistaat Sachsen (SächsArchivG) amtlich verwahrt. Seit dem Jahr 2017 werden vom Sächsischen Staatsarchiv archivwürdige Unterlagen liquidierter Betriebe, deren Aufbewahrungsfristen abgelaufen sind, von der BvS übernommen.“

Wobei man natürlich über das Wörtchen „archivwürdig“ stolpert.

Aber selbst das, was auf diese Weise gesammelt wurde, umfasst schon einige Kilometer Regalfläche: „Das Sächsische Staatsarchiv verwahrt gegenwärtig an seinen Standorten Chemnitz, Dresden, Freiberg und Leipzig ca. 28,6 Kilometer Wirtschaftsarchivgut von staatlichen Betrieben der DDR und ihren Vorgängern. Bis zum Ende der DDR wurden von den Vorgängereinrichtungen des Sächsischen Staatsarchivs ca. 3,3 Kilometer Archivgut staatlicher Betriebe der DDR übernommen. Bis 1992 stieg der Umfang auf ca. 7,5 Kilometer Archivgut, bis 2004 auf ca. 26,7 Kilometer. Durch Übernahme archivwürdiger Unterlagen von der BvS ist dieser Bestand im Jahr 2017 um 1.857 Meter Archivgut erweitert worden. Für 2018 werden weitere Unterlagen im Umfang von 1.045 Metern erwartet, so dass Ende 2018 im Sächsischen Staatsarchiv mit Archivgut von DDR-Betrieben und ihren Vorgängern im Gesamtumfang von ca. 29,7 Kilometern gerechnet wird.“

Ein riesiger Fundus für Wirtschaftsforscher – auch wenn die Regalmeter noch nichts darüber besagen, was wirklich alles gesammelt ist – und was nicht. Und was trotzdem entsorgt und geschreddert wurde.

Denn wesentlich heikler ist es mit den Archivbeständen, die nicht an die staatlichen Archive abgegeben wurden, weil die Betriebe (wieder) privatisiert wurden. Was manchmal den Komplettverkauf an große Konzerne bedeutete, manchmal aber auch den Verkauf an windige Unternehmer, die alles verkauften, was nicht niet- und nagelfest war. Und in etlichen Fällen wurde dann das Betriebsarchiv einfach entsorgt.

Roland Wöller: „Unterlagen der von der Treuhandanstalt bzw. BvS verkauften Unternehmen wurden nicht archiviert, sondern den neuen Eigentümern übergeben. Unterlagen liquidierter Betriebe, deren Aufbewahrungsfristen noch nicht abgelaufen sind, werden weiterhin von der BvS verwahrt. Archivwürdige Unterlagen der Treuhandanstalt und der BvS selbst werden durch das Bundesarchiv archiviert.“

Was dann natürlich erklärt, warum gerade zu verkauften Unternehmen oft keine historischen Unterlagen mehr zu finden sind.

Die komplette Antwort von Roland Wöller. Drs. 11414

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