Am Mittwoch, 23. Mai, wurde der Hafen Torgau der Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe GmbH (SBO) nach drei Jahren Bauzeit und dem Einsatz von rund 18,6 Millionen Euro an Steuergeldern im Beisein des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) eröffnet. Ein Aufwand, bei dem sich der Grünen-Abgeordnete Wolfram Günther nur noch fragt: Hat hier jemand zu viel Geld?

„Diese Millioneninvestition mit Steuergeldern an die SBO bleibt ein Skandal. Ich habe das Vorhaben mit mehreren Kleinen Anfragen an die Staatsregierung begleitet. Die Kostenexplosion bleibt atemberaubend, der mögliche Nutzen dieser Millionenausgaben umstritten“, fasst Wolfram Günther, umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, sein Unverständnis über die Rolle des Freistaats als Transportunternehmer zusammen.

Die Kostensteigerung:

2014 wurden noch ca. 10,6 Millionen Euro Hafenausbaukosten veranschlagt, dazu addierten sich 2017 weitere 3,1 Millionen Euro an Kosten für die Infrastruktur der Gleisanlagen. Die aufgrund des Vorliegens von betonaggressivem Grundwasser nötigen Umplanungen sollten mit weiteren kalkulierten 2,4 Millionen Euro zu Buche schlagen. Alles in allem schätzte die Staatsregierung 2017, dass 16,1 Millionen Euro nötig sein werden. Nun sind es eben mal 18,6 Millionen Euro geworden.

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„Eine stolze Summe für den Steuerzahler. Denn die SBO, zu der der Hafen Torgau gehört, ist eine 100-prozentige Tochter des Freistaates Sachsen. Und erwartungsgemäß lässt sich wieder mal kein Schuldiger für die explodierenden Kosten finden“, sagt Günther. Und darf sich an die Kosten für die Porzellanmanufaktur Meißen erinnern, noch so ein sächsischer Staatsbetrieb, oder an die Kosten der beiden Großflughäfen in der Mitteldeutschen Flugfhafen AG, wo ebenfalls die Staatsregierung den größten Hut aufhat.

„Der Finanzminister hielt es laut seiner Antwort auf meine Fragen auch nicht für nötig, bei einem Bauvorhaben dieser Größenordnung vorab auf die übliche Kosten-Nutzen-Analyse zu bestehen. Damit entfällt ein hartes Kriterium, ob die veranschlagten Kosten überhaupt sinnvoll eingesetzt sind, und ausreichend Nutzen generieren“, sagt Günther.

Das heißt: Da, wo der Freistaat selbst Unternehmer spielt, unterlässt er selbst die simpelsten Abschätzungen, die er bei öffentlichen Bauprojekten zwingend einhalten muss. Günther: „Hier droht Steuergeldverschwendung! Dies scheint ein Fall für den Landesrechnungshof zu werden. Denn den Nutzen einer solch hohen Investition bezweifle ich. Diese Summe hätte die Staatsregierung besser in den Ausbau des Güterverkehrs auf der Schiene investieren sollen.“

Der Landesrechnungshof hat die Rolle der sächsischen Staatsregierung bei der Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe GmbH aber schon 2016 deutlich kritisiert, denn seit der Freistaat hier Schifffahrt betreibt, werden jährlich negative Ergebnisse erwirtschaftet. Dabei macht der Gütertransport per Schiff sogar nur noch 7 Prozent vom Gesamtumsatz aus.

Immer öfter sorgt Niedrigwasser in der Elbe dafür, dass die Frachten auf den Zug ausweichen müssen. Ergebnis: 33 Prozent des Frachtverkehrs läuft schon lange über die Schiene, die restlichen 60 Prozent werden per Lkw abgewickelt. Wenn es also auf sächsischen Autobahnen auch immer mal wieder zu Lkw-Staus kommt, ist die sächsische Staatsregierung mit dabei.

„Die SBO hat in ihrer eigenen Jahrespressemitteilung dokumentiert, dass sie nur noch dem Namen nach etwas mit Häfen zu tun hat. Der Anteil der Güter, die tatsächlich per Schiff umgeschlagen werden, hat sich 2017 auf einem sehr niedrigen Niveau eingependelt. 2017 betrug der Anteil des Verkehrsträgers Schiff am Güterumschlag der SBO-Häfen 6,7 Prozent. Damit spielt der Schiffsverkehr praktisch keine Rolle mehr“, stellt Wolfram Günther etwas fest, was zum 18 Millionen Euro teuren Ausbau des Torgauer Hafens so überhaupt nicht passt.

„Der Löwenanteil des Güterumschlages bei der SBO wurde 2017 nach wie vor mit ca. 60 Prozent per LKW und mit ca. 33 Prozent per Bahn abgewickelt. Der ganzjährige Transport von Massengütern auf der Elbe ist ein Auslaufmodell.“

Die Staatsregierung investiert also Millionen in den Ausbau von Elbe-Häfen, die mit den Klimaveränderungen der letzten Jahre schon immer unrentabler geworden sind. Und daran wird sich mit den absehbaren Veränderungen beim Klima (Starkregenfälle einerseits, die für Hochwasser sorgen, aber den Schiffsverkehr lahmlegen, und langen Trockenperioden, die den Wasserpegel sinken lassen und ebenfalls Schiffsverkehr unmöglich machen) nichts ändern. Im Gegenteil: Die Zahl der Tage, an denen die Güter zwangsläufig vom Schiff auf Güterwagen oder Lkw wechseln müssen, wird deutlich zunehmen.

„Die unbegründete Zukunftsgläubigkeit der Staatsregierung in die Binnenschifffahrt auf der Elbe ist mir völlig unerklärlich: Wie soll denn eine dauerhafte Fahrtiefe garantiert werden in Zeiten des Klimawandels?“, fragt Günther zu Recht. „Wetterextreme wie Starkregen und Trockenperioden werden sich immer häufiger abwechseln, der Wasserstand der Elbe bleibt völlig unvorhersehbar. Bis zu einem Drittel des Jahres ist die Elbe nicht befahrbar und das Schiff für die Wirtschaft ein unzuverlässiger Verkehrsträger.“

Dazu die Meldung des Landkreises Nordsachsen vom 23. Mai:

Hafen Torgau in Beisein von Ministerpräsident Michael Kretschmer und Landrat Kai Emanuel nach dreijähriger Sanierung wieder eröffnet

Nach insgesamt dreijähriger Zeitspanne von Sanierung und Umbau steht der Hafen Torgau wieder als Umschlagplatz für den Gütertransport zur Verfügung. Im Beisein von Landrat Kai Emanuel vollzog Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer auf dem Gelände am Wasserturm die offizielle Eröffnung durch den ersten sogenannten Kranhub mit dem neuen Hydraulik-Kran und setzte einen Container von Saint Gobain Torgau auf einen Lkw.

 

Landrat Kai Emanuel (Zweiter von rechts) am Rande der Hafeneröffnung im Gespräch mit dem Bundestagsabgeordneten Marian Wendt. Daneben v.r.n.l.: Oberbürgermeisterin Romina Barth, Bernd Sablotny (Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit), Ministerpräsident Michael Kretschmer. Foto: Landratsamt Nordsachsen
Landrat Kai Emanuel (Zweiter von rechts) am Rande der Hafeneröffnung im Gespräch mit dem Bundestagsabgeordneten Marian Wendt. Daneben v.r.n.l.: Oberbürgermeisterin Romina Barth, Bernd Sablotny (Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit), Ministerpräsident Michael Kretschmer. Foto: Landratsamt Nordsachsen

In seinem Statement bezeichnete Landrat Emanuel den Ausbau als „eine Investition in die Zukunft“ und würdigte die strategische Bedeutung des Torgauer Hafens für den Landkreis Nordsachsen. Der einzige nordsächsische Frachthafen liege „zentral in Mitteldeutschland am Schnittpunkt der Bundesstraßen B 87, B 182 und B 183.“ Außerdem verfüge der Hafen über Anschluss an das Kernnetz der DB AG mit der neu ausgebauten Güterverkehrsachse von Halle bis in den osteuropäischen Raum. Dadurch entsteht eine leistungsfähige Verbindung auf der Ost–West–Achse und der Wirtschaftsstandort Torgau wird gestärkt. „Infrastruktur erzeugt Nachfrage“, sagte der Landrat. „Die Region hier hat Zukunft, deshalb freue ich mich sehr über die Investition“, sagte Ministerpräsident Kretschmer.

Der Hafen am Torgauer Wasserturm ist einer von sieben Wasser-Umschlagplätzen im Verbund der Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe GmbH. Zur SBO-Gruppe gehören außerdem die Elbehäfen in Dresden und Riesa in Sachsen, Dessau-Roßlau in Sachsen-Anhalt, Mühlberg in Brandenburg sowie Decin und Lovosice in Tschechien.

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