Seit über zwei Jahrzehnten kritisieren Umweltschützer in Deutschland und Tschechien vehement die Planung weiterer Staustufen an der tschechischen Elbe. Die deutsche Bundesregierung hat sich schon Anfang der 1990er Jahre aus ökologischen und aus ökonomischen Gründen gegen den Bau von Staustufen entschieden. Tschechische Behörden hingegen halten daran fest. Doch durch Begradigung und Kanalisierung mit Staustufen sind viele Flüsse gestresst. Sie sind schon jetzt in einem schlechten ökologischen Zustand, der durch die Klimakrise verschärft wird.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Sachsen blickt besorgt auf den geplanten Bau der Staustufe nahe der deutschen Grenze bei Děčín. Das Großprojekt hätte gravierende ökologische Folgen – auch für die deutsche Elbe.

Iris Brunar, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im BUND-Elbeprojekt, sagt dazu „Die Elbe ist ökologisch ein herausragender Fluss in Europa, weil sie von Tschechien bis kurz vor Hamburg auf 600 Kilometern Länge ungestaut und frei fließen kann. Insbesondere für wandernde Fischarten ist das wichtig.

Was sind die Befürchtungen?

Die deutschen Zielstellungen des ‚Gesamtkonzeptes Elbe‘ sind mit den tschechischen Planungen, eine oder mehrere Staustufen an der Elbe zu bauen, nicht kompatibel. Die Herangehensweise zum künftigen Umgang ist mit der Elbe verschieden und teils gegenläufig. Vor allem sind die Ziele bezüglich der Fahrrinnentiefe zur Verbesserung der Schifffahrt auf der Elbe grundlegend andere.“

Seit Anfang der 1990er Jahre wird in Tschechien der Bau von weiteren Elbe-Staustufen unter anderem zwischen der tschechisch-deutschen Grenze und Ústí nad Labem geplant. Seit dem Stopp der letzten Planungen durch Brüssel im Jahr 2018 wird in Tschechien wieder an einem neuen Konzept gearbeitet, was dieses Jahr noch vorgelegt werden soll. Es ist eine Variante mit einer Staustufe nahe Děčín angedacht.

Doch weitere Staustufen könnten – und müssten – folgen, wenn der Hafen Děčín ganzjährig von der Elbe und Moldau, oberhalb erreichbar sein soll. Die lang andauernden nicht vorhersagbaren Niedrigwasserzeiten der deutschen Elbe lassen eine verlässlich planbare Schifffahrt nicht zu, wie die sinkenden Umschlagszahlen von und auf das Schiff in den sächsischen Elbe-Häfen zeigen.

„Ausbaumaßnahmen und Steinschüttungen können den Wassermangel nicht beheben“, sagt Brunar. „Nur eine komplette Kanalisierung des gesamten Flusses in Deutschland mit 20 bis 30 Staustufen würde eine ganzjährige und verlässliche Befahrbarkeit der deutschen Elbe ermöglichen. Doch solch ein Ausbau würde mehrere Jahrzehnte dauern und zweistellige Milliardensummen verschlingen.

Die wertvolle Flusslandschaft der Elbe (FFH-Gebiete und Biosphärenreservate) mit ihren Auenwäldern würden zerstört und die Hochwassergefahr würde zunehmen. Dieses Risiko für eine kaum befahrene Wasserstraße einzugehen, ist absurd.“

Ein derartiger Ausbau wäre auch nicht mit den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) vereinbar.

Gütertransporte eingebrochen

Die Gütertransporte sind auf der Elbe seit Jahrzehnten rückläufig und inzwischen nur noch marginal, obwohl 430 Millionen Euro in den Jahren 2013 bis 2022 dafür ausgegeben wurden. Der Transport von Gütern auf dem Fluss brach in diesem Zeitraum um über 80 Prozent auf unter 0,2 Millionen Tonnen/Jahr ein.
Zudem ist das Ziel der Bundesregierung, an der Elbe eine Fahrrinnentiefe von mindestens 1,40 Meter an 345 Tagen im Jahr herzustellen, wie im Gesamtkonzept Elbe vorgesehen, in weiter Ferne gerückt.

Seit dem Jahr 2013 wurde diese Tiefe im Schnitt bis zu 3 bis 5 Monaten im Jahr unterschritten. Das Wasser der Elbe reicht für die eine verlässliche Güterschifffahrt nicht aus. Zudem müssen entsprechende Vorhaben zugleich den Zielsetzungen von NATURA 2000 und WRRL dienen.

Die naturnahe Elbe und ihre Flusslandschaft bildet die Basis für einen wichtigen Wirtschaftsfaktor in der Region – den Flusstourismus mit dem Elberadweg. Daher gilt es, diese Landschaft zu schützen. Eine weitere Vertiefung der Elbe setzt dies aufs Spiel.

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