Wir erzählen uns die Dinge schön. Wir gucken nicht hin und picken uns aus Analysen nur das heraus, was die Dinge in schönen Farben malt. So reagiert auch Sachsens Staatsregierung, wenn sie mal etwas genauer gefragt wird, wie sie es denn hält mit der Elbe zum Beispiel. Das hat der Grünen-Abgeordnete Wolfram Günther getan. Und eine Sonnenschein-Antwort vom Umweltminister bekommen.

Natürlich schien die Sonne 2015 – wolkenloser, regenloser und heißer als in den Vorjahren. Mit der Folge, dass nicht nur im Elsterbecken wieder große Sandinseln zum Vorschein kamen, sondern an der Elbe praktisch gar nichts mehr ging. „Die extreme Dürre in diesem Sommer trifft die Elbe besonders: Sonst macht der Fluss mit Hochwasser von sich reden, in diesem Sommer sinken die Pegelstände aber derart, dass sogar die Schifffahrt eingestellt werden muss“, meldete zum Beispiel n-tv am 12. August.

Am 14. August kletterten die Aktivisten von Greenpeace mit einer Pegelmesslatte ins Elbbett und einem Banner mit der Aufschrift „Klimawandel!“. Damit forderten die Umweltschützer stärkere Anstrengungen der Politik für den Klimaschutz und einen ambitionierten Weltklimavertrag in Paris im Dezember.

„Dürren wie im Sommer 2015 nehmen weiter zu und wechseln sich mit verheerenden Hochwassern ab. Zunehmende Wetterextreme sind ein deutliches Zeichen für den globalen Klimawandel“, sagte dazu Tobias Münchmeyer, Klima-Experte von Greenpeace. „Um die Erderwärmung noch einzudämmen, brauchen wir einen weltweiten Ausstieg aus fossilen Energieträgern. Deutschland kann und muss seine Kohlekraftwerke deutlich früher schließen, als die Merkel-Regierung es Anfang Juli beschlossen hat.“

Laut Deutschem Wetterdienst war der Boden im August in Sachsen, Südhessen, großen Teilen Nordbayerns und im südlichen Brandenburg so trocken, wie seit über 50 Jahren nicht mehr. Dies hat gravierende negative Folgen für die Landwirtschaft in diesen Regionen. Der Pegel der Elbe in Dresden ist von einem Normalstand von 195 Zentimeter auf 50 Zentimeter (Messung Landeshochwasserzentrum Sachsen vom 14. August) gesunken, so tief wie seit 1964 nicht mehr. Die Dresdner Verkehrsbetriebe haben wegen des tiefen Pegelstandes ihren Fährbetrieb auf der Elbe komplett eingestellt.

Die Sedimentberge tauchen aus dem Wasser auf: Elsterbecken am 9. August. Foto: Ralf Julke
Die Sedimentberge tauchen aus dem Wasser auf: Elsterbecken am 9. August. Foto: Ralf Julke

„Im Dezember soll beim Weltklimagipfel in Paris ein neues Klimaschutz-Abkommen beschlossen werden. Die Hitzewelle der vergangenen Wochen macht deutlich, dass wir dringend ein Abkommen brauchen, das die fossilen Energien drastisch reduziert. Nur dann können wir die schlimmsten Folgen des Klimawandels noch vermeiden“, sagte Münchmeyer.

Doch Sachsen hält nach wie vor an der ganzjährigen Elbeschifffahrt fest und pumpt auch weiterhin Geld in die Güterverladung.

„Das bisher festgeschriebene Ziel der ganzjährigen Schiffbarkeit hat aber deutlich negative Auswirkungen“, kritisiert Wolfram Günther, umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, die mit einem Antrag die Elbepolitik der Staatsregierung korrigieren wollte. „So werden weiterhin Infrastrukturausgaben für den Güterverkehr auf der Elbe in Millionenhöhe ausgegeben. Aus dem mit 20 Millionen Euro jährlich gut gefüllten Haushaltstitel ‚Förderung umweltfreundlicher Verkehrsträger‘ wird weiter auch die Binnenschifffahrt großzügig gefördert. Diese Ausbaumaßnahmen sowie die Flussbettvertiefungen wollen wir Grünen stark reduzieren. Denn die Binnenschifffahrt auf der Elbe ist ein Auslaufmodell. – Der Güterverkehr auf der Elbe, der sich schon 2013 auf einem historischen Tief von 0,8 Millionen Tonnen befand, brach 2014 um weitere 50 Prozent auf 0,4 Millionen Tonnen ein. Das sind weniger als 0,2 Prozent der Gesamttonnen, die auf allen bundesdeutschen Wasserstraßen transportiert wurden.“

Denn wenn über Wochen und Monate kein Wasser da ist, bringen auch Flussvertiefungen nichts.

Aber das monatelange Niedrigwasser an der Elbe hat die Staatsregierung augenscheinlich nicht im Mindesten beeindruckt. Über den Grünen-Antrag soll am Donnerstag, 17. September, als Tagesordnungspunkt 9 im Landtag abgestimmt werden. Doch in einer Stellungnahme hat Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) schon deutlich gemacht, dass er keinen Korrekturbedarf sieht.

„Die Realität des Klimawandels und die Politik der sächsischen Staatsregierung klaffen auch beim Thema Schiffbarkeit der Elbe weit auseinander“, kommentiert das Wolfram Günther. „Mit unserem Antrag wollen wir erreichen, dass Sachsen sein im Landesverkehrsplan ‚Sachsen 2025‘ festgelegtes Ziel einer ganzjährigen Mindesttiefe von 1,60 Meter an 345 Tagen ab Dresden stromabwärts und von 1,50 Meter an 345 Tagen ab Dresden stromaufwärts, korrigiert. – Die Notwendigkeit dieser Korrektur beweist allein ein Blick auf den Fluss in den letzten Wochen. Zwischen Mai und September lagen die Fahrrinnentiefen an der Elbe teilweise unter einem Meter und unterschritten damit deutlich den angestrebten Wert von 1,60 Meter.“

Natürlich erzwingt so ein Antrag auch das Eingeständnis, dass es eine wirtschaftliche Güterschifffahrt auf der Elbe nicht mehr geben wird, wenn künftige Sommer immer öfter von so lang anhaltenden Trockenperioden geprägt sind. Tatsächlich geht auch das Sächsische Umweltministerium davon aus, dass es künftig immer heißere und trockenere Sommer geben wird. Aber man sieht dort nicht die Konsequenzen für die Wasserschifffahrt.

„Die realen Schifffahrtsbedingungen sind auch durch die Niedrigwasser- und Hochwassersituationen gekennzeichnet“, teilt Umweltminister Thomas Schmidt in seiner Stellungnahme zum Grünen-Antrag mit und berief sich dann auf einen Bericht des Bundesministeriums für Verkehr und Infrastruktur, der im April vorgelegt wurde. Thomas Schmidt: „Die Bundesregierung hat im Projekt KLIWAS (www.kliwas.de) die Wirkung des Klimawandels auf die deutschen Bundeswasserstraßen untersucht. Danach werden die deutschen Wasserstraßen auch in Zukunft ein wichtiger und zuverlässiger Verkehrsträger sein. Die für die nahe Zukunft projizierten klimabedingten Veränderungen lösen unmittelbar keine größeren Investitionsentscheidungen aus. Die weitere Entwicklung muss demnach aber aufmerksam verfolgt werden, da zum Ende des Jahrhunderts relevante Änderungen möglich sind.“

Das Niedrigwasser der Elbe am 13. August 2015. Foto: GRÜNE Landtagsfraktion Sachsen
Das Niedrigwasser der Elbe am 13. August 2015. Foto: GRÜNE Landtagsfraktion Sachsen

So kann man sich die Entwicklung auch schön reden, obwohl der KLIWAS-Bericht just zur Elbe schon für die nahe Zukunft tendenziell niedrigere Wasserstände in den Sommermonaten voraussagt, nicht erst zum Jahrhundertende, wie Schmidt erklärt. Und das wird noch dadurch verschärft, dass die Elbe sowieso schon unter einer angespannten Wassersituation leidet. Im KLIWAS-Bericht heißt es dazu eindeutig: „Bei der Bewertung der Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass der Wasserhaushalt im Elbeeinzugsgebiet bereits unter heutigen Klimabedingungen angespannt ist, d. h. in vielen Regionen übersteigt die potenzielle Verdunstung das Niederschlagsdargebot.“ Deswegen werde die Elbe durch Staustufen und Talsperren schon seit Jahrzehnten stärker bewirtschaftet als alle anderen Flüsse in Deutschland. Auf tschechischer Seite will man dem ja bekanntlich durch den Neubau weiterer Staustufen begegnen, einem Vorhaben, dem die Grünen grundsätzlich skeptisch gegenüber stehen, denn dadurch werden die Bedingungen für die Schifffahrt unterhalb der Staustufen ja nicht verbessert.

„Mit unserem Antrag wollen wir erreichen, dass sich Ministerpräsident Stanislaw Tillich klar gegen die geplante Staustufe in der Elbe bei Děčín ausspricht. Bei seinem letzten Treffen im Juni mit Tschechiens Premier Bohuslav Sobotka waren von Tillich irritierende Töne zu vernehmen“, erklärt dazu Wolfram Günther. Damals zitierte MDR-Info den Ministerpräsidenten mit den Worten: „Die Erhaltung der Schiffbarkeit der Elbe sei ein gemeinsames Ziel. Jeder soll auf seine Weise für die Schiffbarkeit der Elbe sorgen. Das sei auf tschechischer Seite die Staustufe.“

Und im MDR-Beitrag ist zu lesen, dass auf sächsischer Seite das weitere Ausbaggern der Fahrrinne gemeint sei. Der MDR-Beitrag zitiert dann – genauso wie Umweltminister Thomas Schmidt in seiner Stellungnahme – den Koalitionsvertrag, den CDU und SPD im Herbst 2014 geschlossen haben. Da heißt es: „Die Koalitionspartner wollen, dass der Fluss auch weiterhin als Bundeswasserstraße anerkannt bleibt. Die Koalitionspartner stehen für eine umweltverträgliche Nutzung der Elbe, die mit dem Naturhaushalt im Einklang steht. Der Ausbau der Elbe steht diesem Ziel entgegen und wird daher von den Koalitionspartnern ebenso abgelehnt wie eine weitere Vertiefung und der Bau neuer Staustufen. Dabei ist hinzunehmen, dass eine ganzjährige Schiffbarkeit nicht gewährleistet ist.“

„Unser Antrag fordert von der Staatsregierung ein klares Bekenntnis zum Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD“, erklärt dazu Günther.

Denn der Sommer 2015 hat gezeigt, dass auch eifriges Ausbaggern der Fahrrinne nichts hilft, wenn das Wasserangebot einfach nicht mehr da ist. Übrigens ein Phänomen, das 2015 auch Teile der Rheinschifffahrt betraf. Und das alles sind erst die sanften Vorboten des kommenden Klimawandels. Das, was da am Ende des Jahrhunderts zu erwarten ist, beinhaltet eine im Sommer zum Bach geschrumpfte Elbe als Normalzustand. Und ebenso regelmäßige Hochwasser, die den Fluss dann binnen Stunden anschwellen lassen. Die Extreme werden stärker.

Grüner Antrag “Keine weiteren Staustufen in der Elbe”.

Stellungnahme der Staatsregierung zum Antrag.

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