Man darf über das, was in Sachsen gern Wirtschaftspolitik genannt wird, den Kopf schütteln. Denn wer im Freistaat unternehmerisch tätig ist, hat entweder viel Geld im Schrank, eine große Klappe oder beste Beziehungen bis ins Ministervorzimmer – oder er kämpft gegen Windmühlen und hat auch mit der viel gerühmten Förderkulisse nichts zu tun. Ein Thema, das jetzt Luise Neuhaus-Wartenberg, Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag für Handwerk, Klein- und Mittelständische Betriebe und Tourismus, aufgreift, nachdem endlich auch ein paar Regionalzeitungen eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Petra Zais aufgegriffen haben.

Die Antwort auf ihre Anfrage stammte schon aus dem Oktober. Die L-IZ berichtete zeitnah. Da freut man sich ja, wenn dann auch die anderen Zeitungen endlich nachgekleckert kommen und merken, dass 90 Prozent der sächsischen Wirtschaft von der sächsischen Wirtschaftspolitik seit Jahren ignoriert werden.

Ein Thema, das Neuhaus-Wartenberg schon im November genauer formulierte, als die Staatsregierung endlich die Große Anfrage der Linken „Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Sachsen“ beantwortet hatte und damit wieder einmal deutlich wurde, dass diese Regierung mit den kleinen und Kleinstunternehmen im Land überhaupt nichts am Hut hat.

„Die kleinen Betriebe werden übersehen, wenn es anzuerkennen gilt: Selbstständigkeit bedeutet Risiko. Es braucht Leute, die etwas wagen“, sagte Neuhaus-Wartenberg. „Und dieses Risiko muss dadurch anerkannt werden, dass die Möglichkeit des Scheiterns mitbedacht wird und dass dann die Betreffenden nicht ins Bodenlose fallen. Woran es fehlt, ist, dass Selbstständigkeit ein Mindestmaß an sozialer Absicherung erfährt. Dass die Gesundheitsversorgung gewährleistet ist und im Alter nicht nur die Grundsicherung bleibt.

Aktuell ist diese Sicherheit nicht spürbar, und so, auch das haben Selbstständige mir erzählt, neigen sich Menschen rechten politischen Kräften zu, die eine vermeintliche Sicherheit in der Vergangenheit nationalistischer Borniertheit versprechen. Lösungen für die Zukunft lassen sich aber nur im Vorwärtsgehen finden. Diesen Weg sollten wir in Sachsen einschlagen.“

Das war deutlich. Mit der Anfrage von Petra Zais wurde dann auch sichtbar, dass 18.200 Selbstständige in Sachsen auch nach der Armutsdefinition einfach arm sind.

„Ich frage mich, was denn noch geschehen soll? Wie viele Anfragen sollen von Seiten der demokratischen Opposition noch gestellt werden? Auch die jetzt von den Grünen und meiner Kollegin Petra Zais beweist einmal mehr, dass die Staatsregierung Probleme einfach ignoriert“, sagt Neuhaus-Wartenberg.

„Wir weisen seit Jahren darauf hin, von uns gab es mehrere Anfragen, Anträge und Debatten dazu, die die Staatsregierung jedes Mal zwingen, die misslichen Zahlen aufzuschreiben und sich dazu zu äußern. Aber sie scheinen es einfach nicht zu begreifen. Zumindest ist das die einzige Erklärung dafür, dass hier seitens der Staatsregierung nichts geschieht.“

Luise Neuhaus-Wartenberg (Linke). Foto: DiG/trialon
Luise Neuhaus-Wartenberg (Linke). Foto: DiG/trialon

Dabei gibt es mit Millionen ausgestattete Fördertöpfe auch für die sächsische Wirtschaft. Doch gerade die Unternehmer, die sie wirklich brauchen könnten, haben meist weder die Zeit noch die Beziehungen, daraus Kapital und Innovationskraft zu schöpfen. Die Gelder gehen fast alle an Unternehmen, die auch eigene Abteilungen zur Bewältigung des Förderdschungels unterhalten könnten. Und trotzdem bleiben Gelder liegen, während viele Selbstständige sogar auf eine soziale Absicherung verzichten, um ihr Unternehmen am Laufen zu halten.

Und das betrifft nicht nur die 18.200 unter der Armutsgefährdungsschwelle. Auch in Leipzig liegen tausende Selbstständige gerade knapp über den Bedürftigkeitsschwellen, verdienen irgendwo in jener Grauzone zwischen Armutsgefährdung und Mindestlohn, in der auch die meisten Angestellten entlohnt werden.

„Wenn 18 .200 Unternehmerinnen und Unternehmer weniger als 60 Prozent des sächsischen Durchschnittslohnes verdienen – dieser lag 2017 bei 2.388 Euro, und 7.400 Selbstständige sogar Anspruch auf Hartz IV haben, ist das mehr als ein Alarmsignal. Ohne ein Mehr an sozialer Sicherheit, besonders im Alter, werden es immer weniger innovative Selbstständige in Sachsen.“

Wobei die Zahl der im Jobcenter gezählten Selbstständigen seit Jahren sinkt. Aber nicht unbedingt, weil sie nun bessere Umsätze machen, sondern weil sie eine oft unfreiwillige Selbstständigkeit beenden und lieber wieder in eine Festanstellung wechseln. Wer in Sachsen selbstständig werden will, geht volles Risiko.

Auch selbstständige Sachsen meiden, wo es geht, die Wohltaten des Jobcenters

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