Es wird vielleicht einmal Zeiten geben, da werden Politiker erst einmal in den profilierten Forschungseinrichtungen nachfragen, bevor sie Entscheidungen treffen. Etwa zum Verkehr, der eben nicht nur aus Autos und Bussen und Asphaltkilometern besteht, sondern auch das Leben der Menschen bestimmt. Zum Beispiel in der Frage: Bestimmt das Verkehrsmittel die Wahl des Wohnortes?

Das Institut für Wirtschaft und Verkehr der Fakultät Verkehrswissenschaften “Friedrich List” der Technischen Universität Dresden und der Mitteldeutsche Verkehrsverbund (MDV) werden künftig intensiv zusammenarbeiten. Dies besiegelten Prof. Dr. Bernhard Wieland, Direktor des Instituts für Wirtschaft und Verkehr und Inhaber der Professur für Verkehrswirtschaft und internationale Verkehrspolitik, und MDV-Geschäftsführer Steffen Lehmann mit ihrer Unterschrift unter eine Vereinbarung, in der die gemeinsamen Zielsetzungen und Aufgaben definiert sind.

Der Unterzeichnung, die am Rande der in Dresden stattfindenden 23. Verkehrswissenschaftlichen Tage am 29. März stattfand, waren nur wenige Sondierungsgespräche vorausgegangen. Schnell war man sich einig, dass mitteldeutsche Aufgabenstellungen am besten mit mitteldeutschem Know-How gelöst werden können.

Der Mitteldeutsche Verkehrsverbund, der gemeinsam mit seinen 26 integrierten Verkehrsunternehmen im Großraum Halle-Leipzig der Mobilitätsdienstleister für rund 1,8 Millionen Menschen ist, beschäftigt sich mit einer Reihe von Fragen, die die Verkehrs- und Lebensverhältnisse in der Region betreffen. So unter anderem mit der Problematik, ob die Wohnortwahl von der Verfügbarkeit guter Nahverkehrsverbindungen abhängt. Daraus ableitend ergibt sich die weitere Frage, inwieweit gute ÖPNV-Anbindungen von und zu den Mittelzentren den Abwanderungstrend von jungen Bürgern in die großen Ballungsgebiete aufhalten oder ihm zumindest entgegenwirken können.Eine spannende Frage auch für das S-Bahn-Netz Mitteldeutschland, das 2013 in Betrieb gehen soll. Verstärkt es nicht gar die Abwanderung aus den Landkreisen in die Großstadt – oder stabilisiert sie eher die Kreise wieder, aus denen die Erwerbstätigen heute zu Zehntausenden in die Stadt Leipzig zum Arbeiten einpendeln – mit dem Pkw zumeist.

Auf der Basis des verkehrswissenschaftlich quantifizierten Erreichbarkeitsbegriffs und unter Anwendung wissenschaftlicher Methoden der Ökonometrie sollen hierzu wissenschaftlich fundierte Antworten auf diese Fragestellungen erarbeitet werden. Sie sollen es Entscheidern in den Ober- und Mittelzentren erleichtern, Strategien für die urbane und regionale Entwicklung zu erarbeiten.”Wir wollen damit klären, ob es wirklich sinnvoll ist, immer mehr Straßen zu bauen oder ob dem Öffentlichen Nahverkehr in der Raumplanung ein größerer Stellenwert einzuräumen ist”, erläutert MDV-Geschäftsführer Steffen Lehmann während der Vertragsunterzeichnung den Wunsch nach Antworten auf die aufgeworfenen Fragen. Diese haben letztlich auch Auswirkungen auf die Ausgestaltung der Finanzierung des Nahverkehrs und werden den erforderlichen Handlungsbedarf aufzeigen. Mit diesbezüglichen Untersuchungen will der MDV auch dem Dienstleistungsanspruch seinen Verbundgesellschaftern gegenüber, zu denen sowohl Aufgabenträger als auch Verkehrsunternehmen gehören, noch stärker Rechnung tragen als bisher.

Darüber hinaus werden die Wissenschaftler der TU Dresden für den MDV prüfen, inwieweit ein einheitlicher Verbundtarif die Verkehrsmittelwahl zugunsten des ÖPNV beeinflussen kann. Fundierte Ergebnisse aus beiden Aufgabenstellungen werden für den Herbst 2012 erwartet. Sowohl die Fakultät Verkehrswissenschaften “Friedrich List” als auch der MDV sind sich einig, dass beide Untersuchungen erst den Auftakt für eine langfristige und kontinuierliche Zusammenarbeit bilden.

www.mdv.de

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