Im November, mitten in der Debatte um den Doppelhaushalt 2013/2014, kochte noch einmal die Diskussion um die Finanzierung des Zweckverbands Nahverkehr Leipzig (ZVNL) auf. Noch ist nicht klar, wie sich die Kürzungen beim ZVNL künftig auf die Bundeszuweisungen der Regionalisierungsmittel für Sachsen auswirken. Die SPD-Abgeordnete Petra Köpping sieht auch die EU-Mittel für den City-Tunnel nicht gesichert. Von Anja Jonas (FDP) gab es ein heftiges Dementi. Und Dietmar Pellmann schrieb wieder eine Kleine Anfrage.

In seinem Alter lässt man sich nicht mehr so leicht aus der Ruhe bringen. Nach all den Jahren im Sächsischen Landtag – seit 1999 sitzt er für die PDS, heute Die Linke im sächsischen Parlament – weiß er, dass es am Ende immer um Zahlen geht. Politik wird in Deutschland immer mit Geld gemacht. Und der so gern beschworene Staat ist auch eine große Geld-Umverteil-Maschine. Nicht nur in die Richtung der Armen und Bedürftigen, jenes Feld, das die große Steuersparer der Nation gern als “soziale Hängematte” verunglimpfen.

In klugen Regierungen wird das Geld auch klug für Zukunftsinvestitionen eingesetzt. Man kann mit dem richtigen Geldeinsatz an der richtigen Stelle langfristig positive Prozesse initiieren. Oder auch das Gegenteil tun, wenn man nachhaltigen Investitionen die Gelder entzieht.

Man kann darüber diskutieren, welche Investitionen wichtig und richtig sind für ein Bundesland wie Sachsen – an welcher Stelle die Gelder den höchsten Effekt, die höchste Umwegrendite bringen. Dazu braucht man einen Plan. Dazu braucht man Zahlen zu diesen Effekten. Wenn man sie freilich ignoriert, schickt man ein Land mittelfristig aufs Abstellgleis.

Womit man beim Thema wäre: Anja Jonas argumentierte gegenüber Petra Köpping: “Der ZVNL hat in diesem Jahr rund 100 Millionen Euro Zuschüsse vom Freistaat bekommen. Für die Jahre 2013 und 2014 sind insgesamt rund 13 Millionen Euro mehr eingeplant. Damit steigen die Mittel entgegen der Behauptung von Frau Köpping. Zudem ist prognostiziert, dass ab 2015 rund 122 Millionen Euro pro Jahr für den ZVNL zur Verfügung stehen. Das sieht der vorliegende Entwurf einer neuen Finanzierungsverordnung vor.”

Nun ist ein Nahverkehrsverband kein Schützenverein, der von Schützenfest zu Schützenfest lebt. Er hat die Aufgabe, den schienengebundenen Nahverkehr in seiner Region zu sichern. Dafür sind die Regionalisierungsmittel da. Doch Züge und Fahrtakte bestellt man nicht vier Wochen vorm Schützenfest. Die werden auf Jahre hinaus vertraglich gebunden. Denn alle Partner brauchen dabei finanzielle Planbarkeit. Es muss ein Fuhrpark angeschafft werden, der die Strecken bedient. Der Betreibervertrag für das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz, das mit der Betriebsaufnahme im City-Tunnel am 14. Dezember 2013 in Betrieb gehen soll, ist nicht nur auf 12 Jahre angelegt, sondern umfasst auch 9 Millionen Zugkilometer. Das ist im Februar 2011 vertraglich so vereinbart worden.Normalerweise müssten auch Wirtschaftsminister wissen, was ein Vertrag ist. Und dass für den Fall, dass eine der Seiten ihre Bedingungen nicht erfüllt, Pönalen vereinbart sind. So konnte es der ZNVL 2011 erleben, als das sächsische Verkehrsministerium ihm die zustehenden Regionalisierungsmittel (wie allen Zweckverbänden im Land) ohne jegliche Not kürzte und er zum Abbestellen von Linien (S-Bahn Linie 1 nach Grünau) oder einzelner Verbindungen gezwungen war. Damit wollte der ZVNL eigentlich die gestrichenen 9,5 Millionen Euro wieder einsparen.

Aber daraus wurde nichts. Die Bahn, die sich auf die geltenden Vereinbarungen verließ, erhöhte im Gegenzug ihre Stationsgebühren, um die Verluste wieder auszugleichen.

Ob das S-Bahn-Netz ab Dezember 2013 überhaupt in der geplanten Dichte betrieben werden kann, steht noch in den Sternen. Denn geplant und ausgeschrieben wurde es für ein Finanzvolumen von 124 Millionen Euro ab dem ersten Jahr.

In den Jahren 2005 bis 2009 wuchs das Finanzvolumen, das der ZVNL aus den Regionalisierungsmitteln zugewiesen bekam, langsam und verlässlich. Das hatte alles noch der seinerzeitige Verkehrsminister Thomas Jurk (SPD) zu verantworten. Auch die Inflation war eingepreist.

Von 104 Millionen Euro im Jahr 2005 stieg die Summe, mit der der ZVNL arbeiten konnte, über 105,4 Millionen in den Jahren 2006 bis 2008, 2009 waren dann 107 Millionen vereinbart, 2010 dann 109 Millionen.

Im Doppelhaushalt 2011/2012 setzte Verkehrsminister Sven Morlok (FDP), der jetzt Dietmar Pellmann antworten musste, die Schere an: Er strich die Summe auf knapp 100 Millionen Euro zusammen. Mit den oben beschriebenen Folgen.

Anja Jonas beschwört zwar die 13 Millionen Euro mehr.

Aber die Wahrheit ist: Damit kommt der ZVNL lediglich wieder auf das Niveau von vor 2011 – mit einem leichten Inflationszuschlag. Für 2013 stehen nun 111,6 Millionen im Haushalt des Verkehrsministeriums. Das könnte vielleicht noch klappen. Aber 2014 wird es auf jeden Fall schwierig. Da stehen jetzt 112,3 Millionen im Plan.

Aber das ist genau das Jahr, in dem das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz eigentlich voll in Betrieb sein soll. Sofern der City-Tunnel tatsächlich am 14. Dezember 2013 in Betrieb geht. Sven Morlok schreibt dem neugierigen Linke-Abgeordneten tatsächlich: “Damit erhält der ZVNL für das erste Jahr nach Inbetriebnahme des CTL (2014) ca. 12,43 Millionen Euro mehr im Vergleich zu 2012.”

Das kann nicht reichen. Denn vertraglich gebunden ist das neue S-Bahn-Netz fürs erste Jahr mit einem Volumen von 124 Millionen Euro.

Wenn da ein paar Leute nicht ganz schnell die Kurve kriegen, wird es 2014 im regionalen Zugverkehr rund um Leipzig richtig haarig.

Die Antwort von Verkehrsminister Sven Morlok auf Dietmar Pellmanns Nachfrage: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=10500&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=2

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