Natürlich macht sich nach Jahren der falschen Investitionsschwerpunkte in Deutschland bemerkbar, wie wichtige Infrastrukturen verschleißen. Das betrifft nicht nur Autobahnbrücken, ein Thema, das in den letzten Monaten die Medien immer wieder beschäftigte und eine Begründung für die Einführung einer Pkw-Maut ist. Auch die Deutsche Bahn hat ihre Investitionen in Milliardenhöhe in Prestigeprojekte investiert. Währenddessen werden die täglich genutzten Eisenbahnbrücken auch in Sachsen immer maroder, wie mehrere Anfragen der Grünen nun aufzeigen.

Von den 1.984 Eisenbahnbrücken in Sachsen müssen 51 abgerissen und neugebaut werden. Fast ein Drittel (525) sind in besorgniserregenden Zustand. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des sächsischen Bundestagsabgeordneten Stephan Kühn (Bündnis 90/Die Grünen) und weiterer Abgeordneter hervor. Davon betroffen sind Brückenstandorte in Amtsberg, Bautzen, Böhlen, Borna, Chemnitz, Döbeln, Dresden, Freiberg, Heidersdorf, Klingenthal, Kössern, Lohmen, Markkleeberg, Mittweida, Neuhausen, Ostrau, Plauen, Pöhl, Schöneck/Vogtland, Schwarzenberg, Torgau, Weischlitz und Zwickau. Natürlich auch in Leipzig. Hier stehen allein acht Brücken in der höchsten Dringlichkeitsstufe.

“Die Situation ist dramatisch. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es in Sachsen bei Bahnbrücken zu häufigeren Sperrungen und Beeinträchtigungen kommt. Statt Milliarden in Straßenneubau und Prestigeprojekte wie den von CDU und FDP gewollten milliardenschweren Erzgebirgstunnel zu versenken, müssen sich der Bund, Land und die Deutsche Bahn endlich um den Erhalt der Infrastruktur und eine Stärkung der Schiene kümmern”, fordert Eva Jähnigen, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag.

Sie hatte dazu extra eine Anfrage im Landtag gestellt, nachdem das sächsische Verkehrministerium mit immer neuen Visionen für neue Hochleistungsstrecken in Sachsen geglänzt hatte. Verkehrsminister Sven Morlok (FDP) verwies sie in seiner Antwort zwar an die Bahn, denn Schienen seien nun mal nicht die Aufgabe des Landes. Aber seit die Bahn ein quasi-privater Konzern ist, ist die ursprünglich staatlich bedingte Kopplung von Bedarf, Bestandserhalt und sinnvollem Streckenausbau völlig verschwunden. Der komplette Regionalverkehr ist in die Hoheit der Länder gewechselt, die damit mal mehr, mal weniger stiefmütterlich umgehen. Aber auch die Regionalzüge sind auf ein intaktes Streckennetz angewiesen. Auch sie sind betroffen, wenn wichtige Brücken nicht mehr befahrbar sind.

Man kuschelt zwar bei der Präsentation des neuen Bahnkonzepts mit dem Vertreter der Bahn. Aber zumindest der Freistaat Sachsen scheint nicht mal ein Augenmerk auf den Zustand der Gleisanlagen im Land zu haben. Und die Bahn?
“Das Problem ist der Bahn seit Jahren bekannt, trotzdem investiert sie viel zu wenig in den Erhalt”, meint Eva Jähnigen. “Die Gewinne der DB Netz müssen in den Erhalt ihrer Infrastruktur fließen, sonst stehen weitere Streckensperrungen bevor. Wir Grünen fordern die Bahn auf, einen umfangreichen Sanierungsplan zu erstellen und ihn mit dem Land, den Zweck- und Fahrgastverbänden abstimmen, damit Beeinträchtigungen im Bahnverkehr so gut wie möglich minimiert werden können.”

Im aktuellen ‘Strategischen Bahnkonzept’ von Bahn und Staatsregierung vom 2. Juli 2014 stehe kein Wort zum Zustand der Eisenbahnbrücken in Sachsen. “Das ist ein verkehrspolitischer Offenbarungseid des zuständigen Ministers Sven Morlok. Auch Aussagen über den Zustand des Bahnnetzes und der Bahnhöfe in Sachsen fehlen hier völlig”, kritisiert Jähnigen. “Verwunderlich ist das nicht. Bisher konnte Minister Morlok nicht einmal beziffern, wie viele Bahnbrücken dringend sanierungsbedürftig sind. Die Staatsregierung verweigerte in einer Anfrage von Eva Jähnigen die Antwort, erklärte, dass sie keine Ahnung und offensichtlich auch kein Interesse hat, in welchem Zustand sich die Eisenbahnbrücken auf sächsischem Gebiet befinden.”

Insgesamt wird der Zustand der Eisenbahnbrücken von der Deutschen Bahn in vier Kategorien unterteilt. Laut Bundesregierung müssen 525 Brücken im Freistaat Sachsen in die Kategorie 3 “Umfangreiche Schäden, Instandsetzung möglich” eingeordnet werden. 51 Eisenbahnbrücken in Sachsen werden sogar der vierten Kategorie zugeordnet. Das heißt, diese 51 Brücken haben so gravierende Schäden, dass sie nicht mehr wirtschaftlich saniert werden können, sondern abgerissen und neu gebaut werden müssen.

Kategorie 1 weist “nur punktuelle Schäden” auf, Kategorie 2 “größere Schäden ohne Beeinflussung der Sicherheit”. Bei einem Drittel der sächsischen Eisenbahnbrücken besteht also akuter Handlungsbedarf.

Acht Brücken der Kategorie 4 befinden sich in Leipzig – darunter der noch nicht erneuerte Teil der Berliner Brücke, die Eisenbahnbrücke, die die Delitzscher Landstraße überspannt, ebenfalls an der Strecke nach Magdeburg in Höhe Wiederitzsch eine weitere Brücke an der Südtangente. Es betrifft aber auch Brücken, die die Rackwitzer Straße, die Mockauer Straße und die Permoser Straße überspannen, eine Brücke in der Theodor-Neubauer-Straße und eine in der Wurzner.

Bundestagsanfrage: ‘Zustand der Eisenbahnbrücken in Sachsen’ (18/1853) der MdB Stephan Kühn (Dresden), Oliver Krischer, Matthias Gastel (GRÜNE-Bundestagsfraktion)
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/018/1801853.pdf

Kleine Anfrage von Eva Jähnigen “Zustand der Eisenbahnbrücken in Sachsen” Drs 5/14530
http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=14530&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=202Die Ortsgenaue Auflistung der 51 Eisenbahnbrücken der Kategorie IV in Sachsen als PDF zum Download.

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