Die Leipziger CDU-Fraktion ist ja ein bunter Haufen. Da gibt es den einen, Konrad Riedel, der seit Jahren tapfer für Barrierefreiheit und die Belange der Fußgänger kämpft. Und da gibt es ein paar Fraktionskollegen, die nicht so recht sehen, dass das mit den Fußgängern so recht was Rechtes ist. Die dann offiziell mal fragen: Was soll denn das mit den teuren Gehwegnasen in Leipzig?

“Stadtweit werden an immer mehr Kreuzungen von Haupt- und Nebenstraßen Gehwegnasen gebaut. An fast allen dieser Baustellen ist schon seit Jahren per Straßenmarkierung die Verkehrsführung eindeutig unter Beachtung der in den Nebenstraßen vorhandenen Stellflächen geregelt und wird eingehalten. Zudem ist die Mehrzahl der Bordsteine an den betreffenden Straßenecken, wie z. B. bei den gegenwärtigen Baustellen in der Georg-Schumann-Straße, bereits behindertengerecht abgesenkt”, heißt es zum Beispiel in einer Stadtratsanfrage der CDU-Fraktion, die jetzt zur Ratsversammlung am 21. Januar beantwortet wurde.

Und während Konrad Riedel eifrig für ein Gehwegsonderprogramm kämpft, findet jemand anderes in der Fraktion: “Diese wegen der notwendigen Tiefbauarbeiten nicht unbedeutenden Bauinvestitionen sind angesichts der Haushaltslage eine ausgesprochene Luxusausgabe. Die notwendige Instandsetzung und ständige Instandhaltung der vorhandenen Fußwege im Stadtgebiet sowie die barrierefreie Absenkung weiterer Fußwegkanten müssen eindeutigen Vorrang vor solchen Investitionen haben.”

Und so fragte man, um die “nicht unbedeutenden Bauinvestitionen” mit Zahlen untersetzen zu können: “Wie hoch sind die durchschnittlichen Baukosten für eine Gehwegnase?”

Tatsächlich ist es so teuer nicht im Vergleich zu anderen Straßenbaumaßnahmen, bescheidet jetzt das Planungsdezernat: “Die Baukostenhöhe für die Realisierung einer Gehwegnase ist abhängig von der umzubauenden Gehwegfläche, der Befestigungsart und von ggf. erforderlichen Anpassungs- und Leitungsbaumaßnahmen. Bei einer separaten Realisierung bzw. Nachrüstung einer Gehwegnase ist von höheren Baunebenkosten auszugehen, als bei Realisierung innerhalb einer Gesamtbaumaßnahme.” Aber auch da ufert das nicht aus: “Die Baukosten für eine separate Realisierung einer Gehwegnase betragen ab ca. 5.000 Euro.”

Wenn man bedenkt, was das für den Fußgänger (Gehbehinderte, Kinderwagenschieber, Bierkastenschlepper, Senioren, Steppkes usw.) bedeutet, eine nicht unwichtige Investition. Das weiß jeder, der an normalen Straßenkreuzungen ohne Ampel steht und keinen Überblick über den Verkehr hat, weil rechter- oder linkerhand die hohen Hecks geparkter Fahrzeuge jeden Einblick in die Straße verwehren. Mit einer Gehwegnase aber steht man weiter vorn, auf Höhe der Außenseite der geparkten Fahrzeuge. Die Übersicht für den Fußgänger erhöht sich um ein Vielfaches.

Aber das wollte die CDU-Fraktion lieber noch mal erklärt haben und fragte: “Worin liegt der reale Nutzen von Gehwegnasen im Vergleich zu den vorhandenen Markierungen?”

Und das Planungsdezernat erklärte noch einmal, warum Gehwegnasen so wichtig sind, wenn man ohne fahrbaren Untersatz in Leipzig unterwegs ist: “Gehwegnasen als baulich vorgezogene Seitenräume erhöhen die Verkehrssicherheit und den Querungskomfort für Fußgänger ganz erheblich, daher sind sie ein geeignetes und wichtiges Element der Fußverkehrsförderung. Der Sichtkontakt der Fußgänger auf die übrigen Verkehrsteilnehmer wird weitaus verbessert. Gleichzeitig verringern Gehwegnasen die Länge des zu überquerenden Fahrbahnbereiches, was insbesondere mobilitätseingeschränkten/behinderten Fußgängern und Kindern im Zuge der Schulwegsicherheit zugute kommt. Gemäß den ‘Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06)’, Punkt 6.1.8.4 werden durch vorgezogene Seitenräume Gefahren durch Sichtbehinderungen wegen parkender Fahrzeuge vermindert. Laut den ‘Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA)’, Punkt 3.1.5 wird das Queren der Fahrbahn durch das bauliche Vorziehen der Seitenräume (Gehwegnase) verbessert.”

Eine Erklärung, zu der Konrad Riedel bestimmt wohl wissend nicken wird.

Aber die Frage der CDU-Fraktion hat ja noch eine andere Seite, die mit dem Parkverhalten der Leipziger Autofahrer zu tun hat, das eben in der Regel nicht fußgängerfreundlich ist. Im Gegenteil, wie auch das Planungsdezernat feststellt: “Abmarkierte Gehwegnasen (Sperrflächen) werden in Straßenbereichen mit hohem Parkdruck oft nicht freigehalten sondern zugeparkt. Bei Schnee sind außerdem Markierungen häufig nicht sichtbar. Die Anordnung von Fahrradbügeln ist auf baulichen Gehwegnasen sicherer, da der Zugang zu den Fahrradbügeln über den Gehweg erfolgt.”

Und weil man da auch noch das mit dem Geld erwähnen kann, tut es das Dezernat auch: “Bauliche Lösungen mit Gehwegnasen sind zu bevorzugen. Sie sollten in der Regel im Zuge von anstehenden Straßenbaumaßnahmen realisiert werden, da sie in diesem Zusammenhang förderfähig sind und so keine separaten bzw. zusätzlichen Kosten entstehen.”

In städtische Baumaßnahmen integriert wurden die Gehwegnasen zum Beispiel von vornherein beim Umbau der Karl-Liebknecht-Straße und beim jetzt startenden Umbau der Könneritzstraße.

Aber auch an anderer Stelle kann es durchaus Fördergeld für die Gehwegnasen geben. Da spielt der Gesetzgeber tatsächlich mit. Das Planungsdezernat dazu: “Ausgenommen davon sind Gehwegnasen, die sich in Stadterneuerungsbereichen / Fördergebieten befinden. In diesen Bereichen ist die Aufwertung der Einmündungsbereiche (Gehwegnasen) förderfähig, sofern diese zur Beseitigung städtebaulicher und funktionaler Missstände im Gebiet beitragen. Deshalb wurden u.a. in der Georg-Schumann-Straße Gehwegnasen in Straßenbereichen eingerichtet, bei denen eine grundhafte Straßenumgestaltung mittelfristig nicht erfolgt.”

Und die Dinger haben sogar noch mehr Vorteile, als eventuell nur Fahrradbügel hinzustellen: “Gehwegnasen werden dabei oft auch zur Einordnung für Baumstandorte genutzt (‘Tor’-Funktion zur Markierung des Übergangs in das Wohngebiet), in bestimmten Situationen mit entsprechender angrenzender Nutzung der Bebauung schaffen sie auch die Möglichkeit, mehr Fläche für Gastronomiefreisitze oder Geschäftsauslagen nutzen zu können.”

Und dafür bekommt die Stadt, wenn die Fläche zum Beispiel 20 Quadratmeter umfasst, 3.200 Euro an Förderung: “Die grundhafte Aufwertung der Einmündungsbereiche ist mit 160 €/m² Kosten förderfähig (davon 1/3 Eigenanteile Stadt Leipzig und 2/3 Fördermittel)”, so das Planungsdezernat.

Und die Stadt ist sogar gut beraten, auf den Gehwegnasen Dinge wie Fahrradbügel oder Bäume aufzubauen. Denn wo das nicht passiert, werden auch Gehwegnasen gern zum Parken benutzt. Womit man wohl wieder beim Kernproblem wäre, warum die Gehwegnasen manche Leipziger so stören: Sie verhindern zumeist auch noch, dass die Kreuzungen mit Um-die-Ecke-Parkern zugestellt ist.

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