Als die Landesverkehrsminister sich im Herbst 2014 auf den "Kieler Schlüssel" geeinigt haben, müssen die ostdeutschen Minister entweder durch Abwesenheit oder ein kurzes Nickerchen geglänzt haben. Denn egal ob mit alter Rechung oder neuer: Er bedeutet für die ostdeutschen Länder ab 2017 rein rechnerisch einen Rückgang der Gelder für den Schienennahverkehr.

Aber zumindest  haben sie gemerkt, was da passierte, als Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble den “Kieler Schlüssel” kurzerhand zum Verteilungsschlüssel für die neuen Regionalisierungsmittel machte.

Und dass sie begriffen haben, dass das richtig böse werden kann, wird schon daran deutlich, dass der 18. Dezember als Tag der Einigung unter den Streitparteien nicht gehalten werden kann. Die westdeutschen Bundesländer möchten gern die volle Ausschüttung – und sehen sich auch im Recht, weil sie fast alle dabei sind, den Regionalverkehr auszubauen. Die ostdeutschen Bundesländer aber müssten große Teile ihres Schienennetzes stilllegen, wenn es so kommt, wie von Schäuble vorgeschlagen.

8,0 Milliarden Euro ab 2016 sind im Topf und 1,8 Prozent gibt es jedes Jahr mehr für die Bestellung von insbesondere Regionalzugverkehren. Allerdings nicht 1,8 Prozent mehr für jedes Bundesland, kommentiert der Deutscher Bahnkunden-Verband e.V. die Zahlen. Die große Umverteilung von Ost nach West stehe bevor.

Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen e. V. hat es in seinem Wettbewerbsbericht 2015 auf den Punkt gebracht: “12 Milliarden Euro würden im Zeitraum 2016 bis 2031 zusätzlich in Relation zur heutigen Regelung ins System eingespeist. Davon gingen fast 16 Milliarden Euro an die alten Bundesländer, indem 4 Milliarden Euro von den ost- zu den westdeutschen Ländern umverteilt würden.”

Nachdem die Mehrheit der Bundesländer vom ursprünglich eigenen Kompromiss abgerückt waren, nach dem 8,5 Milliarden  Euro mehr plus mindestens 2,0 Prozent Aufwachs, je nach Bundesland pro Jahr, vorgeschlagen worden waren, mindestens aber 1,25 Prozent jährlich plus Übernahme der Infrastrukturkosten durch den Bund, und die Länder überraschend dem von Schäuble vorgeschlagen Kompromiss zustimmten, ist die Erklärungsnot groß.

“Denn in den kommenden Jahren wird es eine dramatische Abbestellungswelle in den ostdeutschen Bundesländern aufgrund sinkender Mittel geben”, stellt der DBV-Bundesverband fest. So habe der Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) bereits in einer Anhörung zu den Auswirkungen mitgeteilt, dass er ab 2017 etwa 30 Prozent aller Zugleistungen stornieren müsse. Der Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) – das ist die Region Dresden. Die sächsische Regierung bekäme das Problem quasi regelrecht auf den Tisch gepackt.

“Im Moment liegt der Ball im Feld der Bundesregierung. Diese muss die Verteilung auf die Bundesländer (sogenannte ‘horizontale Verteilung’) in einer Rechtsverordnung mit dem Bundesrat regeln”, betont der Verband den augenblicklichen (Still-)Stand im Verfahren. “Ursprünglich sollte dies bis zum 18. Dezember 2015 passieren. Wie dem DBV-Bundesverband von der Pressestelle des Verkehrsministeriums Mecklenburg-Vorpommern mitgeteilt wurde, wird die Rechtsverordnung voraussichtlich nicht mehr in diesem Jahr verabschiedet werden.” Mecklenburg-Vorpommern hat derzeit den Vorsitz der Verkehrsministerkonferenz.

Aber wie könnte ein Kompromiss aussehen, der die östlichen Bundesländer nicht ausbluten lässt?

Um die negativen Folgen der Neuverteilung abzumildern, schlägt der DBV-Bundesverband mindestens zwei Korrekturen vor:

1. Die Regionalisierungsmittel, egal in welcher Höhe, müssen den Bundesländern zweckgebunden für die Bestellung von SPNV-Leistungen zur Verfügung gestellt werden. Ausgaben für Tarife, Infrastrukturinvestitionen oder kommunale Busverkehre, wie sie heute üblich sind, müssen der Vergangenheit angehören.

2. Um die Preissteigerungen bei den Trassenentgelten und Stationshalten aufzufangen, muss es wenigstens jährlich 1,25 % mehr Mittel für jedes Bundesland geben.

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