Manche Diskussion in Sachsen läuft schief, kommt zu spät, verfehlt das Thema. Dabei erzwingen die Veränderungen im Land auch bei Themen, die immer noch nicht bewältigt sind, Entscheidungen, die selbst wieder Weichenstellungen sind. Das betrifft auch das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz. Am 28. November hat die Verbandsversammlung des ZVNL so eine Weiche gestellt. Denn die Region Leipzig braucht noch vielmehr S-Bahn als heute.

Der Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL) ist einer von den fünf Zweckverbänden für den Schienennahverkehr in Sachsen – verantwortlich für alle regionalen Zugangebote im Raum Leipzig. Nicht zu verwechseln mit dem Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV), der sich um den ÖPNV kümmert: Busse und Straßenbahnen.

Dass es zwei verschiedene Vereine sind, merkt man meist, wenn sie ihre Arbeitspläne vorlegen – da passt manches nicht zueinander. Was einen simplen Grund hat: Der MDV muss mehr Flöhe hüten, mehr Eigeninteressen von Kreisen, Kommunen und ihren vielen kleinen Verkehrsunternehmen unter einen Hut kriegen. Was oft genug schiefgeht.

Der ZVNL hat es etwas leichter. Denn sein Verband besteht aus den beiden Landkreisen Leipzig und Nordsachsen und der Großstadt Leipzig. Das ist – politisch betrachtet – eine Ebene. Und die Interessen sind praktisch dieselben: Die einen wollen, dass ihr Kreis möglichst gut mit dicht vertakteten Regionalzügen an die große Stadt angebunden ist, der OBM von Leipzig braucht dann wieder die guten Pendlerverbindungen nach draußen. Künftig noch viel mehr als heute, denn die Wirtschaftskammern machen ja nicht ohne Grund so viel Tamtam um die Mobilität 2030. Denn alles, was vor allem das S-Bahn-Netz bis dahin nicht an Berufsverkehr wegschaufelt, das steht dann auf Leipzigs überlasteten Straßen im Stau.

Die Verbandsversammlung des ZVNL kann aber ihren neuen Nahverkehrsplan nicht eigenmächtig in Kraft setzen. Die drei wichtigsten Vertretungen im Verbund müssen noch zustimmen: die beiden Kreistage und der Leipziger Stadtrat, der das Papier mitsamt allen Abwägungsprotokollen seit dem 20. Dezember vorliegen hat.

Der neue Nahverkehrsplan ist aber nicht nur für die Region wichtig, auch der Freistaat Sachsen braucht ihn. Denn darin steht auch eine Menge, was finanziert werden muss. Oder wofür ein sächsischer Verkehrminister sich in Harnisch werfen, nach Berlin fahren und dem dortigen Verkehrsminister ordentlich auf den Tisch hauen muss. Oder auf die Füße treten. Denn da geht es nicht nur um die Regionalisierungsmittel, die Sachsen erhält, sondern auch um den obskuren Laden namens Deutsche Bahn, der so gern Milliarden in Prestigeobjekte wie „Stuttgart 21“ stopft, aber auf regionaler Ebene oft seine Hausaufgaben nicht macht.

Dazu kommen wir im dritten Teil.

Denn der Nahverkehrsplan besteht im Grunde aus drei Teilen.

Der erste enthält all das, was gleich 2018 angepackt werden soll und kann.

Der zweite Teil enthält alles, was bis 2025 angepackt werden muss.

Und im dritten Teil, der als simpler Unterpunkt 4.3 daherkommt und „Maßnahmenprogramm Infrastruktur“ heißt, geht es vor allem um alle diese Hausaufgaben, die die Bahn bis 2030 umsetzen muss. Sonst wird es haarig für einige wichtige Orte in der Region.

Mit dem Fahrplanwechsel am 10. Dezember gab es ja schon eine spürbare Angebotserweiterung im Mitteldeutschen S-Bahn-Netz. Aber dabei soll und kann es nicht bleiben.

Einige Netzerweiterungen sind schon lange in der Diskussion und die betroffenen Kommunen trappeln schon mit den Füßen, weil ihre Bewohner und Bürgermeister ganz genau wissen, dass ein guter S-Bahn-Anschluss darüber entscheidet, ob die Kommune demnächst noch dabei ist, wenn in Leipzig weiter die Post abgeht – oder ob die Züge anderswo fahren. Und im Mitteldeutschen S-Bahn-Netz geht die Post ab. Hier sind viel mehr Menschen jeden Tag mit dem Zug unterwegs als anderswo in Sachsen.

In Zahlen: „Im ZVNL betrug die Verkehrsleistung des SPNV im Jahr 2014 533 Personenkilometer pro Jahr und EW. Bei einem Durchschnittwert von 362 Personenkilometer pro Jahr und EW im Freistaat Sachsen verfügt der ZVNL damit über einen Spitzenwert bei der SPNV-Nachfrage.“

Und das war 2014. Die Nachfrage steigt die ganze Zeit, auch wenn die Bahn ungern aktuelle Werte liefert.

Der Nahverkehrsplan enthält Zahlen für 2015.

Danach fahren täglich im Schnitt 6.750 Leipziger mit S-Bahn auf innerstädtischen Strecken, 17.280 Fahrgäste fahren auf Strecken zwischen Leipzig-City-Tunnel und anderen Zielen im ZVNL, weitere 13.370 fahren zwischen Leipzig und Zielen außerhalb des ZVNL-Gebiets. Alles Nahverkehr. Der Fernverkehr wird hier nicht mitgezählt. Macht 37.400 Fahrten am Tag oder 13,65 Millionen Fahrgäste im Jahr allein in Leipzig. (Bei insgesamt 18,3 Millionen Fahrgästen im ZVNL-Gebiet, 2016 aber schon 21,3 Millionen Fahrgästen.). Zum Vergleich die LVB: Die transportierten 2016 in Leipzig 148 Millionen Fahrgäste.

Die LVB werden 2017 ein Fahrgastaufkommen von deutlich über 155 Millionen Fahrgästen ereicht haben.

Das bedeutet auch fürs S-Bahn-Netz: Da ist mehr drin. Aber oft ist mehr nur drin, wenn auch endlich in Strecken und Haltepunkte investiert wird oder überhaupt attraktive S-Bahnen fahren.

Aber allein aufbauend auf der Bevölkerungsprognose für Leipzig rechnet der ZVNL bis 2025 mit einer Zunahme der Fahrgastzahlen um 20 Prozent.

Was sehr bescheiden klingt, wenn man bedenkt, dass der ZVNL vorhat, immer mehr Strecken dichter zu vertakten und dann viele Mittelstädte in einem festen 30-Minuten-Takt mit Leipzig verbunden sind. Der ZVNL arbeitet tatsächlich an so etwas wie dem von den Grünen geforderten „Sachsentakt“ – nur halt allein in seinem Bediengebiet.

Kommen wir im nächsten Teil also zu einigen Dingen, die sich schon ab 2018 ändern sollen.

Fahrgastzahlen gerade im S-Bahn-Netz um Leipzig werden weiter deutlich steigen

Fahrgastzahlen gerade im S-Bahn-Netz um Leipzig werden weiter deutlich steigen

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