Die Meldung hatten die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) ja schon im März verkündet: Nach 139 Millionen Fahrgästen im Jahr 2012 hatte man sich 2013 auf 142,2 Millionen gesteigert. Eine Zahl, um die sich am Dienstag zur Pressekonferenz der LVV schon ein bisschen gekabbelt wurde: Ist das nun prozentual weniger als das Bevölkerungswachstum von Leipzig? Oder doch mehr? Und ist es überhaupt ein Verdienst?

Oder war es gar “ein Wachstum trotz Fahrpreiserhöhung”, wie es LVV-Geschäftsführer Volkmar Müller beschrieb? – Auf jeden Fall war es eines über dem bundesdeutschen Durchschnitt, wo eher 1,2 Prozent erreicht wurden. Mit 2,2 Prozent war Leipzig einsame Spitze. Und das nun wieder bereitet eher Oberbürgermeister Burkhard Jung Sorgen. Denn wenn in der Zahl vor allem der Effekt des Leipziger Bevölkerungswachstums steckt, was passiert eigentlich, wenn die Leipziger nun auch noch fleißig ihr Verkehrsmittel wechseln? Vom Auto in die Straßenbahn, wie es ja auch in der Strategie “Fokus 25” der LVB verankert ist?

Das würde ja bedeuten, dass nicht nur 18,8 Prozent aller Wege in Leipzig mit Straßenbahn und Bus zurückgelegt werden (Modal Split von 2008), sondern 22 oder gar 25 Prozent. Das wäre nicht nur ein Plus von 2 Prozent, sondern eines von bis zu 33 Prozent. Wer heute schon Straßenbahn fährt, weiß, dass das sämtliche Kapazitäten sprengen würde.

Oder anders formuliert: Die LVB müssen jetzt richtig kräftig investieren. Der Ersatz von 40 Tatra-Straßenbahn-Zügen ist nur der erste Schritt. Bei einem Preis von 3 bis 4 Millionen Euro für eine neue moderne Bahn ist man da ganz schnell im 100-Millionen-Euro-Bereich. Und dreistellige Millionensummen müssen auch in die (teilweise über Jahre aufgestaute) Sanierung des Gleisnetzes fließen. Plus Gleiserweiterungen. Burkhard Jung nannte am Dienstag das Streckennetz in Probstheida. Irgendwer möchte dort also tatsächlich eine neue Gleisstrecke bauen.

Dabei war es auch 2013 schon schwer, die nötigen Investitionskosten zusammenzukratzen. Die Förderzuschüsse sind – anders als geplant – nicht so stark gestiegen, nur von 13,1 auf 14,7 Millionen Euro. Dagegen die Gesamtinvestition ist – besonders durch das Technische Zentrum Heiterblick – von 53,8 auf 65,3 Millionen Euro gestiegen. 2011 waren es sogar nur 45 Millionen Euro. Ulf Middelberg, kaufmännischer Geschäftsführer der LVB, beziffert die Mindestinvestitionssumme, die die LVB jährlich investieren muss, um den Bestand zu erhalten, auf über 60 Millionen Euro.

Wie schnell so ein Investitionsstau zu Substanzverlusten führt, zeigt der Geschäftsbericht der LVB: Durch die geleisteten Bauinvestitionen hat man zwar den Wert der Substanz von 458 Millionen auf 485 Millionen gesteigert – aber da man nicht wirklich in Fahrzeugneuanschaffung investieren konnte, ist der Wert des Fahrzeugparks um über 5 Millionen Euro gesunken, von 184 auf 178,5 Millionen Euro.Zu einem Teil konnte man die Ausfälle bei versprochenen Fördergeldern durch erhöhte Fahrgasteinnahmen kompensieren.

“Mit einer Fahrgaststeigerung um 3,1 Millionen liegen wir deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Dies ist vor allem unseren Stammkunden zu verdanken. Immer mehr Menschen entscheiden sich für unsere Abo-Produkte. Dieser Anstieg ist ein wichtiger Baustein, um Kostensteigerungen auszugleichen und die für uns notwendigen Investitionen zu finanzieren”, sagt dazu Ulf Middelberg als Sprecher der LVB-Geschäftsführung. “Wir sind uns im Klaren darüber, dass wir trotz dieser positiven Nachricht weiter ganz intensiv an Kostensenkungen arbeiten, innerhalb der LVB-Gruppe und gemeinsam mit den Kollegen in der LVV.”

Die Fahrgasteinnahmen stiegen dabei von 79,3 Millionen Euro auf den neuen Rekordwert von 83,1 Millionen Euro. Was auch eine andere neue Rekordmarke bedeutet: Der Kostendeckungsgrad hat sich von 73,8 auf nun 75 Prozent gesteigert.

Oder anders ausgedrückt: Drei Viertel der Kosten bei den LVB tragen jetzt die Fahrgäste. Die Umsatzerlöse stiegen fast ausschließlich durch die Mehreinnahmen bei den Fahrgasteinnahmen von 128,9 auf 131,7 Millionen Euro. Hingegen Einbußen gab es zum Beispiel bei den Ausgleichszahlungen für den Schülerverkehr. Trotz steigender Schülerzahlen. Die Ausgleichszahlungen sanken von 12,8 auf 12,1 Millionen Euro. Die öffentliche Hand zieht sich also weiter immer mehr aus der Finanzierung des ÖPNV zurück.

Da hilft auch irgendwann der Verweis auf die Bereitschaft der Fahrgäste nicht mehr, “trotz steigender Fahrpreise” die Straßenbahn und den Bus zu nutzen. Es braucht ein neues Konzept.

Daran arbeite man, betont OBM Burkhard Jung, im Rahmen der Neugestaltung des Verkehrspolitischen Konzepts der Stadt. Doch dieser Prozess habe gerade erst begonnen und würde “mindestens noch ein Jahr dauern”. Dann würde man auch das Thema ÖPNV neu definieren und auch über den Betrag neu nachdenken, den die LVB als Zahlung aus dem Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag durch die LVV bekommen: aktuell 45 Millionen Euro.

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Das Thema ist klar: Wer mehr bestellt, muss auch mehr zahlen. Man kann nicht alle Kosten immer nur auf den Fahrpreis umwälzen. Da klingt es zwar sehr forsch, wenn die LVV formuliert: “Oberste Priorität hat für die LVB-Gruppe auch weiterhin: Erlöse steigern und Kosten senken, um dringend erforderliche Investitionen zu finanzieren und die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Nahverkehrs zu erhalten.”

Aber das Grummeln wurde ja auch im Stadtrat schon unüberhörbar, als im Herbst die Preissteigerungen für 2014 bekannt wurden. Effizienzgewinne rechnen sich die LVB vor allem durch die Inbetriebnahme des neuen Technischen Zentrums Heiterblick und den umgebauten Straßenbahnhof Dölitz aus. Das senkt die Kosten im täglichen Straßenbahnbetrieb. Aber an anderer Stelle ist die Grenze der Einsparungen eigentlich erreicht: beim Personal.

Darauf deutet schon jetzt die etwas intensivere Suche der LVB nach Fahrpersonal für die Busse hin. Gerade in Spitzenzeiten wird es dünn. Die Personalkosten hat man noch einigermaßen im Griff. Von 36,2 Millionen Euro stiegen sie 2013 auf 36,6 Millionen.

Ein anderes Feld, auf dem man sich mal ordentliche Einnahmen versprach, dümpelt vor sich hin: die Reklame an und in Bahnen. Rund 900.000 Euro nimmt man da jährlich ein. Eher mit rückläufigem Trend.

Das Jahr abgeschlossen haben die LVB mit einer schwarzen Null.

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