Irgendwie sah es schon nach einem kleinen Pokerspiel aus, das die Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (LVV) da im Frühjahr startete, als sie unverhofft auf einmal für die kompletten Anteile des Energieunternehmens EWE AG aus Oldenburg an der Verbund Netz Gas AG (VNG) mitbot: 1,1 Milliarden Euro, die die Leipziger Stadtholding aufbringen wollte.

Na holla, fragten sich die Leipziger: Hat sich die Stadtholding nicht gerade erst aus ihrer finanziellen Durststrecke herausgearbeitet? Woher soll das Geld kommen? – Kreditwürdigkeit, so lautete nach Aussage der LVV-Geschäftsführung das Zauberwort: Ein Stadtkonzern, der seinen Schuldendienst im Griff hat und wieder kleine Überschüsse generiert, der bekommt auch wieder Kredit. In diesem Fall vom australischen Infrastruktur-Investor Macquarie.

Das Angebot war auch eine Kampfansage: Wenn EWE seine Hausmacht bei VNG in der Größenordnung von 74,2 Prozent schon loswerden will, dann wäre Leipzig der richtige Einsteiger. Bislang hielt die LVV für die Stadt Leipzig den eher kleinen Anteil von 7,5 Prozent. Damit ist Leipzig zwar der größte Anteilseigner unter allen ostdeutschen Kommunen, die Anteile am Gasversorger VNG halten, insgesamt besitzen sie nach wie vor auch die Sperrminorität.

Aber seit Nordhausen, Erfurt und Dresden ihre Verkaufsabsichten geäußert haben, ist man in Leipzig aufs höchste alarmiert, denn wenn die Sperrminorität fällt, ist der Unternehmenssitz der VNG nicht mehr sicher und es droht die Abwanderung nicht nur des umsatzstärksten hier heimischen Unternehmens, sondern auch von Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen.

Deswegen hatte Leipzig auch schon seine Bereitschaft signalisiert, die 4,2 Prozent der Stadtwerke Erfurt zu übernehmen.

Doch schon vor Monaten schwang dabei das Gefühl mit, dass die Erfurter ihre Anteile möglichst teuer zu Markte tragen wollten.

Und so meldete die LVV am 13. Oktober: “Die Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (LVV) hat heute das Angebot der Stadtwerke Erfurt (SWE) abgelehnt, deren VNG-Aktien auf Basis der von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft übersandten und unterzeichneten Gutachten zu kaufen. Die bisher vorgelegten und unterzeichneten Gutachten sind nach Auffassung der LVV unverbindlich. Die erstellten Papiere entsprechen nicht dem erteilten Auftrag, sind offensichtlich fehlerhaft, spiegeln nicht den Unternehmenswert der VNG zum Stichtag wider und lösen daher keine Annahmefristen aus. Ein Erwerb des SWE-Paketes zu den aktuellen Bedingungen ist daher wirtschaftlich nicht verantwortbar.

Die LVV wird in Abstimmung mit ihren Gremien prüfen, welche Schritte notwendig sind, um sich aus den Gutachten ergebende Vermögensschäden zu vermeiden.

Die LVV ist weiterhin an konstruktiven Gesprächen mit allen Aktionären der VNG interessiert, um eine erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens am Standort Leipzig zu unterstützen. Im Interesse aller Aktionäre möchte die LVV kostspielige und unnötige Rechtsstreitigkeiten vermeiden.”

Innerhalb der VNG Verbundnetz Gas Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft m.b.H (VUB), in der die kommunalen Anteilseigner der VNG sich organisiert haben, haben die Kommunen jeweils Vorkaufsrecht für die Anteile der jeweils anderen.

Dass jetzt der Löwenanteil der VNG nicht nach Leipzig geht, sondern zur EnBW Energie Baden-Württemberg AG nach Karlsruhe, freut zumindest Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich. Er hält den Wechsel des Anteilseigners für einen Gewinn für Sachsen.

“Das ist eine solide und hoffentlich auch nachhaltige Partnerschaft. Sie gibt dem Unternehmen, den Mitarbeitern und Leipzig eine gute Perspektive”, sagte er am Freitagnachmittag. “Wir haben mit unseren baden-württembergischen Partnern immer gute Lösungen gefunden und gemeinsam unser Land und unsere Wirtschaft gestärkt.”

EWE und EnBW haben den Wechsel in der Besitzerschaft am Freitag durch eine Neuordnung der Beteiligungsverhältnisse geregelt. “Dabei wird die EWE AG ihre Beteiligung in Höhe von 74,2 Prozent an der VNG, der Verbundnetz Gas Aktiengesellschaft, Leipzig, an die EnBW AG veräußern. Im Gegenzug wird sich die EnBW AG zeitlich gestuft von ihrer EWE-Beteiligung in Höhe von 26 Prozent trennen. Erwerber dieser Anteile sind der EWE-Verband (16 Prozent) sowie EWE selbst (zehn Prozent)”, teilte EnBW am Freitag, 16. Oktober,  mit.

EnBW verstärkt damit seine Position im Gashandel, denn VNG ist der drittgrößte Gaslieferant in der Bundesrepublik. Und der Interessenkonflikt zwischen EWE und EnBW wird dadurch gemildert, dass EWE im Lauf der nächsten vier Jahre seine Beteiligung am Energieversorger EnBW zurückbaut.

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“Dass jetzt der Löwenanteil der VNG nicht nach Leipzig geht, sondern zur EnBW Energie Baden-Württemberg AG nach Karlsruhe, freut zumindest Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich.”

Ganz so sieht das Schmierentheater auch aus.
Der Mann erfüllt seinen Auftrag und verkauft uns nebenbei.

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