Im Juli stellte Leipzigs Verwaltung ihr neues Landwirtschaftskonzept für die städtischen Flächen vor. Immerhin geht es da um 1.800 Hektar von insgesamt 9.700 Hektar landwirtschaftlich beackerter Fläche im Stadtgebiet. Da könnte die Kommune richtige Maßstäbe setzen und deutlich machen, wie zukunftsfähige Landwirtschaft in Zeiten des Klimawandels aussehen müsste. Jetzt haben Linke, Grüne und SPD-Fraktion einen ganzen Änderungskatalog vorgelegt.

Denn was aus Sicht des Leipziger Liegenschaftsamtes schon wie eine richtige Revolution aussah, war eigentlich nur ein Revolutiönchen. Da ist auch im Jahr 2023 mehr drin, befanden die drei Fraktionen, die jetzt den Punktekatalog aus dem Liegenschaftsamt noch einmal umgewürfelt und ergänzt haben. Denn auch wenn die Verwaltung vier Jahre lang – nach der Beauftragung durch den Stadtrat 2019 – gebastelt hat an diesem Punktekonzept für die Vergabe der Flächen, fehlt ihm in vielen Belangen einfach die Durchschlagskraft. Man merkt, dass einige Sachbearbeiter da gern noch bei eingeübten alten Verfahren geblieben wären.

Mehr ökologische Landwirtschaft

Richtig mutig wäre natürlich gewesen, sofort alle Flächen nur noch in ökologische Bewirtschaftung zu geben. Aber so weit gehen auch die drei antragstellenden Fraktionen noch nicht, wohl wissend, dass die Landwirtinnen und Landwirte, die sofort in eine ökologische Bewirtschaftung einsteigen würden, nicht an den Bäumen wachsen.

Und so lautet der erste wichtige Antragspunkt: „Die Bereitstellung kommunaler landwirtschaftlicher Pachtflächen erfolgt (gleichermaßen) nach dem Grundsatz der Versorgungssicherheit, zur Förderung des ökologischen Landbaus mit dem Ziel von mind. 30% Ökolandbau bis 2030 und zur Förderung der regionalen Landwirtschaft. Ausgeschlossen von diesen Regeln sind Biotop- und Ausgleichsflächen, bei denen durch die Verpachtung die jeweils festgelegten Pflege- und Entwicklungsziele sowie die Unterhaltung abgesichert werden.“

Stadtrat Jürgen Kasek (Grüne). Foto: Jan Kaefer
Stadtrat Jürgen Kasek (Grüne). Foto: Jan Kaefer

Die 30 Prozent haben sie sich übrigens nicht ausgedacht, sie sind längst Bundesvorgabe, wie sie auch erläutern: „Gemäß den Zielvorgaben der Bundesregierung soll deutschlandweit der Anteil der ökologischen Landwirtschaft bis 2030 auf 30% erhöht werden. Leipzig sollte daher im eigenen Einflussbereich dafür sorgen, dass in Bezug auf die eigenen Flächen ebenso mind. 30% ökologische Bewirtschaftung bis 2030 erreicht werden kann.“

Und auch nicht unwichtig ist die Forderung, dass durch ein noch zu gründendes Sachverständigengremium gewährleistet wird, dass mindestens 5 % der zu verpachtenden landwirtschaftlichen Fläche für Landschafts- und Artenschutz eingesetzt werden. Was ein Thema anreißt, das bislang auch rund um Leipzig noch viel zu sporadisch passiert: die Sicherung der Landwirtschaft auch durch spürbare Maßnahmen im Artenschutz, bei der Anlage von Hecken, Rainen und artenreichen Wiesen sowie Wasserrückhalt in der Fläche.

Agri-Photovoltaik ermöglichen

Da aber der Einstieg in die ökologische Landwirtschaft Zeit braucht und damit über Jahre geringere wirtschaftliche Erträge mit sich bringt, haben die antragstellenden Fraktionen noch einen weiteren Antragspunkt genauer formuliert: „Es werden mind. 720 ha städtische landwirtschaftliche Flächen identifiziert, die für mind. 15-25 Jahre verpachtet werden. Diese Flächen werden vor allem zur Förderung des Ökolandbaus, aber auch zur Unterstützung von Agri-Photovoltaik-Projekten vergeben. Für Betriebe in Umstellung auf Ökolandbau wird der Pachtzins um 50% reduziert.“

Das Thema Agri-Photovoltaik hatte die Stadt in dieser Form noch gar nicht auf dem Schirm, obwohl sich diese Form der Doppelnutzung von landwirtschaftlichen Flächen längst etabliert hat.

Stadtrat Michael Neuhaus (Linke). Foto: Jan KaeferStadtrat Michael Neuhaus (Linke). Foto: Jan Kaefer
Stadtrat Michael Neuhaus (Linke). Foto: Jan Kaefer

Und die drei Fraktionen haben auch noch einen Punkt formuliert, der so einige Leute in der Verwaltung gewaltig ins Grübeln bringen dürfte. Denn die Stadt betont zwar immer wieder, die Neuversiegelungen im Stadtgebiet reduzieren zu wollen. Doch das Versiegeln immer neuer Flächen geht munter weiter. Und dabei verschwinden in der Regel wertvolle Äcker unter neuen Straßen, Gewerbe- und Wohnbauflächen. Seit 2010 schmolz die landwirtschaftliche Fläche im Leipziger Stadtgebiet von 10.699 auf 9.618 Hektar. Schon seit 2000 waren rund 2.500 Hektar aus der Statistik verschwunden. Ohne Ersatz. Denn für gewöhnlich bleibt versiegelt, was einmal bebaut wurde.

Und so beantragen die drei Fraktionen: „Der Oberbürgermeister soll ein Konzept vorlegen, dass die Stadt in die Lage versetzt, die Gesamtfläche an landwirtschaftlichen Boden wieder im Minimum auf den Stand des Jahres 2010 durch Zukäufe und/oder Umwandlung oder Entsiegelung zu bringen. Hierfür soll auch die Übernahme/ Einrichtung eines eigenen landwirtschaftlichen Betriebes geprüft werden.“

Sofortiger Verzicht auf Chemiekeulen

Und dann ist da die doch noch sehr zurückhaltende Meinung der Stadt zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. „Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes“ heißt der Punkt in der Vorlage des Liegenschaftsamtes – ganz so, als hätten wir noch Jahre Zeit, etwa das Insektensterben aufzuhalten.

„Die vorgeschlagene Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes und der beigefügte Maßnahmenkatalog können von der Stadt nicht wirksam kontrolliert werden“, stellen die drei Fraktionen fest. „Damit besteht die Gefahr, dass sich die Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes nur auf dem Papier vollzieht. Für den Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel auf den Pachtflächen soll 1 Punkt vergeben werden, für den Verzicht auf allen Flächen 2 Punkte.“

Stadtrat Andreas Geisler (SPD). Foto: Jan Kaefer
Stadtrat Andreas Geisler (SPD). Foto: Jan Kaefer

Pächter, die also von Anfang an komplett auf Chemiekeulen verzichten, sollen bevorzugt werden. Da merkt man schon, dass das politische Denken eher in den Fraktionen zu finden ist, weniger in den Ämtern.

Und das begründen SPD-, Linken- und Grünen-Fraktion auch, denn das ist – welch eine Überraschung – schon seit acht Jahren Beschlusslage: „Leipzig hat sich schon 2015 auf den Weg gemacht, pestizidfreie Kommune zu werden und auf kommunalen Flächen auf den Einsatz von Pestiziden zu verzichten. Es ist also nur konsequent, wenn nun auch auf städtischen landwirtschaftlichen Flächen zum Schutz von Biodiversität und Gesundheit keine Pestizide eingesetzt werden. Dies entspricht auch dem Anliegen des Ende 2022 beschlossenen ‘Maßnahmenkatalog zum Schutz von Wild- und Honigbienen in Leipzig’, wonach für den Insektenschutz Biolandbau gefördert und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln beschränkt werden soll.“

Man kann den Änderungskatalog der drei Fraktionen auch als deutliche Kritik an einer Verwaltung lesen, die viele elementare Beschlusslagen des Stadtrates selbst bei so wichtigen Vorlagen ignoriert.

Michael Neuhaus (Linke), Jürgen Kasek (Grüne) und Andreas Geisler (SPD) mit Vertretern von BUND und Solidarischer Landwirtschaft. Foto: Jan Kaefer
Michael Neuhaus (Linke), Jürgen Kasek (Grüne) und Andreas Geisler (SPD) mit Vertretern von BUND und Solidarischer Landwirtschaft. Foto: Jan Kaefer

Die Vorlage aus dem Liegenschaftsamt hat inzwischen ihre große Reise durch die Ausschüsse schon hinter sich. Zuletzt wurden auch die Ortschaftsräte alle eingebunden. Am Mittwoch, 18. Oktober, steht die Vorlage zur Beschlussfassung auf der Tagesordnung des Stadtrates. Und da Linke, Grüne und SPD die Mehrheit im Rat stellen, dürfte es am Ende den deutlich verbesserten Kriterienkatalog geben, der ein Stück weit konsequenter die Landwirtschaft auf Leipziger Gebiet verändert.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar