Alle vier Jahre befragt die Stadt zufällig ausgeloste Leipziger/-innen zum Klimawandel. Die erste Umfrage gab es 2014, die zweite 2018. Das war das erste heftige Hitze- und Dürrejahr in Leipzig. Im Sommer 2022 folgte nun die dritte Umfrage. Die Ergebnisse sind durchwachsen. Aber auch eindeutig: Die Mehrheit der Großstadtbewohner ist sich der Folgen der permanenten Klimaerhitzung sehr bewusst. Rund 80 Prozent registrieren auch, wie sie selbst unter der Hitzebelastung leiden. Zunehmend auch Jüngere.

Oder, mit den Worten des Dezernats Umwelt, Klima, Ordnung und Sport, das die Umfrage beim Amt für Statistik und Wahlen in Auftrag gegeben hat: „Die Mehrheit der Leipzigerinnen und Leipziger empfindet die sommerliche Hitze intensiver und befürwortet weitere Schutzmaßnahmen der Stadt. (…) Über 40 Prozent der Befragten schätzten die Hitzebelastung sowohl tagsüber als auch nachts in der eigenen Wohnung als ‚sehr belastend‘ oder ‚eher belastend‘ ein.

Dass die Bevölkerung den baulich-technischen, als auch ökologischen Maßnahmen zum Hitzeschutz zustimmt, zeigt, dass wir etwa mit dem Begrünen von Dächern, Fassaden, Straßen und öffentlichen Plätzen oder dem Pflanzen großkroniger Bäume an Straßen und öffentlichen Plätzen und dem Anlegen von Wasserflächen wirksame Strategien zur Klimaanpassung teilweise bereits umsetzen. Um Hitzeschutz für die Leipziger Bevölkerung zu gewährleisten, müssen wir diese in Zukunft noch stärker etablieren“, lässt sich Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal zitieren.

„Dabei gilt es auch soziale Aspekte zu berücksichtigen – die Befragung zeigt unter anderem, dass Menschen mit weniger Einkommen stärker unter der Hitze leiden, oftmals bedingt durch eine prekärere Wohn-, Mobilitäts- oder Arbeitssituation.“

Was aus Bürgersicht als Hitzeregulierung unbedingt notwendig wäre. Grafik: Stadt Leipzig, Befragung zum Klimawandel 2022
Was aus Bürgersicht als Hitzeregulierung notwendig wäre. Grafik: Stadt Leipzig, Befragung zum Klimawandel 2022

Insgesamt 3.000 Leipzigerinnen und Leipziger im Alter von 18 bis 90 Jahren waren 2022 zufällig ausgewählt und eingeladen worden, sich an der Umfrage zu beteiligen – 1.247 haben sich beteiligt.

Und der Bericht zeigt: Es ist erkennbar, dass die Hitze in der Stadt Leipzig für alle spürbarer wird. Auch jüngere Menschen leiden zunehmend darunter. Sie beeinträchtigt die Bürgerinnen und Bürger sowohl im Innen- als auch im Außenbereich.

Aber die Klimafolgenanpassung der Stadt kommt nur mühsam in die Gänge.

Hohe Zustimmung bei der Bevölkerung gab es für baulich-technische, als auch ökologische Maßnahmen zum Hitzeschutz. Wie bereits bei den bisherigen Befragungen 2014 und 2018 erachten vier von fünf Befragten Sonnenschutzvorrichtungen und die Dämmung von Dach und Fassade als „sehr sinnvoll“ oder „eher sinnvoll“.

Knapp 30 Prozent befürworten den Einbau von Klimaanlagen als sinnvolle bauliche Maßnahme zum Hitzeschutz. Obgleich Klimaanlagen als Stromfresser auch eher kein guter Beitrag für den Klimaschutz sind. Aber gerade in Altbauten und in Dachgeschosswohnungen ist für die Bewohner spürbar, dass die Häuser nicht für die zunehmenden Hitzewellen gebaut sind.

Zur Hitzebelastung in der Wohnung. Grafik: Stadt Leipzig, Befragung zum Klimawandel 2022
Hitzebelastung in der Wohnung. Grafik: Stadt Leipzig, Befragung zum Klimawandel 2022

Den größten Zuwachs an Zustimmung im Vergleich zu 2014 und 2018 erfuhren die Dach- und Fassadenbegrünung mit 75 Prozent, die Begrünung von Straßen und öffentlichen Plätzen mit 91 Prozent, das Pflanzen großkroniger Bäume an Straßen und öffentlichen Plätzen mit 90 Prozent sowie die Anlage von Wasserflächen mit 72 Prozent.

„Ich hoffe, dass die Erkenntnisse bei Planungsentscheidungen und auch bei der Anwendung direkt am Bau berücksichtigt werden“, sagt Heiko Rosenthal. „Dies gilt auch für Bauflächen beim Entsiegeln, dem quantitativen und qualitativen Begrünen sowie dem Freihalten von Kaltluftschneisen für kühlere Luft in der Nacht. Auch die Grünflächen sollten als kühlender Ort zur Verfügung stehen.“

Die Jüngeren sind zunehmend von Hitzebelastung betroffen

Eine etwas überraschende Aussage der Befragten war am Ende sogar, dass das Hitzeempfinden im Leipziger ÖPNV deutlich zugenommen hat – und zwar in Straßenbahnen und Bussen genauso wie in der S-Bahn.

Als mögliche Erklärung für diesen Anstieg bietet der Bericht diese Formulierung an: „Ein Blick auf die Altersgruppen zeigt, dass jüngere Befragte tendenziell eine stärkere Hitzebelastung im ÖPNV empfinden. Beispielsweise fühlen sich 81 Prozent der 18- bis 34-Jährigen durch Hitze in Straßenbahnen belastet. Die wahrgenommene Hitzebelastung sinkt in den höheren Altersklassen auf 53 Prozent bei den über 75-Jährigen.

Der Befund, dass jüngere Befragte eine höhere Belastung wahrnehmen als ältere Personen, wurde bereits in den vorherigen Klimawandelbefragungen festgestellt und mit der insgesamt höheren Aktivität und Mobilität der jungen Bevölkerungsgruppe erklärt.“

Die Hitzebelastung im ÖPNV. Grafik: Stadt Leipzig, Befragung zum Klimawandel 2022
Hitzebelastung im ÖPNV. Grafik: Stadt Leipzig, Befragung zum Klimawandel 2022

Eigentlich eine alarmierende Aussage, denn gerade die jüngeren Altersgruppen sind stärker bereit, etwa auf den Pkw zu verzichten und mit dem ÖPNV zu fahren. Und dann trifft man auf ein ÖPNV-System, das auf die Hitzeentwicklung in Leipzig überhaupt (noch) nicht eingerichtet ist. Bis hin zu den Bahnsteigen, die viel zu selten überdacht sind und regelrecht zum Hitzehotspot werden.

Überhaupt ein Thema, das die gesamte Umfrage deutlich gemacht hat, wie Peter Wasem, Leiter des Amtes für Umweltschutz betont: Jüngere Leipziger/-innen können – anders als Senioren – der Hitze meist nicht ausweichen. Erst recht, wenn es nicht mehr nur (wie früher) in den Ferien heiß wird, sondern sogar schon im Frühjahr und bis in den Frühherbst hinein.

Da muss man dann zur Arbeit oder zum Studium und nicht nur die aufgeheizten Straßen werden zum Problem, sondern oft auch noch aufgeheizte Büros. Und in der Wohnung macht die Hitze den jungen Leuten auch noch zu schaffen. Stichwort: Wohnen unterm Dach. Denn da wohnen – vorwiegend auch aus Kostengründen – die jungen Leute. Aber selbst das Aufreißen der Fenster in der Nacht reicht dann oft nicht mehr, um die aufgeheizte Wohnung abzukühlen, erst recht, wenn es immer mehr tropische Nächte gibt.

Wie verhalten sich die Leipziger/-innen eigentlich bei Hitze? Grafik: Stadt Leipzig, Befragung zum Klimawandel 2022
Wie verhalten sich die Leipziger/-innen bei Hitze? Grafik: Stadt Leipzig, Befragung zum Klimawandel 2022

Und an der Stelle machte die Umfrage auch wieder deutlich, dass vor allem sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen dann auch noch öfter in Wohnungen leben, die wenige oder gar keine Ausstattung zum Hitzeschutz haben. Sie leiden also unter der Hitze besonders.

Man könnte ja, wenn man wollte

Gerade junge Leute spielen bei diesen Umständen vermehrt mit der Absicht, aus der Innenstadt herauszuziehen, die sich an Sommertagen besonders stark aufheizt. Raus aufs Land, wo es etwas kühler ist.

Was nun die Stadtverwaltung in den Fokus rückt, denn seit Jahr und Tag hat sie vom Stadtrat den Auftrag, nicht nur Hitzeaktionspläne zu erstellen (einer ist gerade in Vorbereitung, sagt Wasem), sondern die Stadt selbst an die Hitzebelastung anzupassen. Lag die durchschnittliche Temperatur in Leipzig in den 2010er Jahren „nur“ 1,1 Grad über dem Mittel der vorindustriellen Zeit, so sind die Durchschnittstemperaturen inzwischen schon um 1,8 Grad darüber.

Städte sind nun einmal Hotspots der Hitzeentwicklung. Und weil sie großenteils versiegelt sind, heizen sich die Straßen und Plätze besonders auf. Die Begrünung von Straßen und Plätzen, das Entsiegeln verbauter Flächen und die Anlage von Wasserflächen bekommen seit 2014 hohe bis sehr hohe Zustimmungswerte von den Bürgern. Der Stadtrat hat also völlig recht, die Verwaltung damit immer wieder zu triezen. Denn es passiert viel zu wenig. Da Tempo stimmt nicht.

Wo die Leipziger/-innen ihr Verhalten ändern würden. Grafik: Stadt Leipzig, Befragung zum Klimawandel 2022
Wo die Leipziger/-innen ihr Verhalten ändern würden. Grafik: Stadt Leipzig, Befragung zum Klimawandel 2022

Und die Leipziger/-innen wissen zum Großteil, worum es geht. Sie leugnen den Klimawandel nicht, sondern sehen, dass er mit einer massiven Temperaturerhöhung, mit Trockenheit, mehr Hitzetagen und Hochwassern einhergeht. Und dass man sich anpassen muss.

Eigentlich die Gretchenfrage der Zeit: Sind die Leipziger/-innen bereit, aus dem Wissen auch eigene Veränderungen im Handeln abzuleiten? Und das Verblüffende: Die meisten sehen es so. Gerade bei Jüngeren ist das Bewusstsein um den menschengemachten Klimawandel seit 2014 deutlich gewachsen. Und gleichzeitig vermuten die Meisten, dass sich die anderen Leute „wenig umweltbewusst“ verhalten.

Zwischen Wissen und Tun klafft also eine gewaltige Lücke. Obwohl eine deutliche Mehrheit bereit ist, ihr Verhalten zu ändern – man will weniger fliegen, weniger das Auto nutzen, weniger Fleisch essen. Aber dieses „weniger“ kommt als Signal nach außen nicht an. Wohl auch deshalb, weil es nicht um „weniger“ geht, sondern auf das völlige Umstellen der eigenen Verhaltensweisen.

Oder in der Auswertung des Berichts: „Weniger zu fliegen können sich 87 Prozent der Befragten vorstellen, ein Anstieg um drei Prozentpunkte seit der letzten Befragung, womit ein Trend seit 2014 fortgesetzt wird. Auch die Bereitschaft, weniger zu heizen, steigt leicht auf 77 Prozent. Überraschend – angesichts gestiegener Energie- und Kraftstoffpreise – ist hingegen die Entwicklung der Bereitschaft, Strom zu sparen und weniger Auto zu fahren. Die Ablehnung, Strom zu sparen, steigt um 3 Prozentpunkte, die Ablehnung, weniger Auto zu fahren, steigt um 4 Prozentpunkte.“

Das heißt: Nur die „Bereitschaft“ hat sich verändert, das reale Verhalten eher nicht. Was natürlich auch viele reale Gründe in einer Wirtschaft hat, die das klimaschützende Leben in der Regel erschwert und klimaschädliches Verhalten hingegen oft auch noch über geringe Preise belohnt.

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Wieso werden immer Klimaanlagen verteufelt?

Strom ist ja dank Photovoltaik gerade in den Sommermonaten gut und günstig verfügbar.
Aber es ist wie immer. Man muss es halt machen

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