Vier Jahre hat es gedauert, bis aus einem Antrag von Linke-Stadtrat Michael Neuhaus eine tatsächlich vorgelegte Begrünungssatzung für Leipzig wurde. Kein Wunder, dass am 29. Februar die Fraktionen der Eigenheimbesitzer und Vermieter empört reagierten und die Satzung zum Kostentreiber und Bürokratiemonster erklärten. Erstaunlich, fand dann Grünen-Stadtrat Dr. Tobias Peter, dass diese Fraktionen ihre soziale Ader immer dann entdecken, wenn es um Klimaschutz geht. Und Klimaresilienz, Artenschutz, Wasserrückhalt usw.

Worauf SPD-Stadtrat Andreas Geisler hinwies, nachdem insbesondere AfD-Stadtrat Udo Bütow, CDU-Stadträtin Sabine Heymann und FDP-Stadtrat Sven Morlok ausführlich erklärt hatten, wie überflüssig sie diese Satzung finden, die mehr Grün auf privaten Baugrundstücken endlich zur Pflicht macht. Und bis ins Detail regelt. Bislang hatte Leipzig dazu nur eine Vorgartensatzung, die aus gutem Grund in die Kritik geraten ist, als immer mehr Eigenheimbesitzer ihre Vorgärten in Schotterwüsten verwandelt haben.

Da staunt man schon, dass Heymann und Morlok betonten, beim Thema Schottergärten wären sie dabei gewesen, bei der Begrünungssatzung aber nicht mehr.

Der Klimanotstand gilt auch für Hausbesitzer

Denn dass Leipzig jetzt Schottergärten ebenso untersagt, steht auch in der Begrünungssatzung, die das Dezernat Stadtentwicklung und Bau ja deshalb so umfassend erstellt hat, weil Leipzig u.a. seit 2019 den Klimanotstand ausgerufen hat und zwischenzeitlich auch die Themen Dachbegrünung, Fassadenbegrünung, Hitzeschutz, Verlust von Biodiversität und Schwammstadt immer mehr in den Fokus rückten. Die Stadt heizt sich ja nicht nur deshalb stärker als das Umland auf, weil lauter Straßen und Plätze versiegelt sind. Darauf wies Andreas Geisler hin: 40 Prozent der Versiegelung haben mit bebauten Grundstücken zu tun. Und jeder Hausbesitzer, der sein Grundstück nicht begrünt, merkt spätestens an Hitzetagen, dass auch bei ihm die Temperaturen höher sind als in begrünter Nachbarschaft.

Eigentlich würde ein simpler Appell an die Vernunft der Hausbesitzer reichen – plus die Förderprogramme für Gründächer und Fassadenbegrünung, die es ja auch gibt. Aber Vernunft ist nicht wirklich ein hervorstechendes Merkmal des Homo sapiens. Manch ein Zeitgenosse reagiert erst, wenn es für jedes Detail ein Gesetz und eine Vorschrift gibt. Und das Ordnungsamt vor der Tür steht und den Mangel benennt.

Aber die Redner aus FDP und AfD kritisierten ja vor allem die exorbitanten Kosten, die die Begrünung den Hauseigentümern auferlegen würde. Sven Morlok zog wieder die Karte vom bezahlbaren Wohnen und dass die Stadt hier ein neues Kostenungeheuer auflegen würde, das die Mieten in Leipzig in die Höhe treiben würde.

Dabei rechnet selbst die Vorlage vor, dass es bei Begrünungskosten ganz bestimmt nicht um einen Mietentreiber geht. Da liest man: „Die Kosten der angeordneten Begrünungsmaßnahmen wurden in der Abwägung beurteilt. Hierbei wurde ausgeführt, dass die Maßnahmen voraussichtlich zu einer gewissen Kostensteigerung führen können. Die Mehrkosten einer Dachbegrünung liegen z. B. bei einem sechsgeschossigen Gebäude bei ca. 0,4 % der Bauwerkskosten. Diese Kostensteigerung wird auch im Hinblick auf die Auswirkungen auf den Belang des ‘bezahlbaren Wohnens’ für verhältnismäßig erachtet.“

Leipzig braucht mehr Grün

Aber man kann sich ja die Diskussion im Videoausschnitt ansehen, wie da auch noch das kleinste Argument herbeigekramt wird, um eine in den letzten beiden Jahren aufwendig erarbeitete Satzung zur Zumutung zu erklären. Obwohl jedes einzelne Argument zeigt, dass man eigentlich vor allem die Klimaanpassung der Stadt torpedieren möchte. Oder nicht versteht, worum es geht. Etwa, wenn Wasser auf dem eigenen Grundstück zurückgehalten werden soll und möglichst wenig Fläche versiegelt werden soll.

Entsprechend deutlich kritisierten dann Dr. Tobias Peter von den Grünen, Michael Neuhaus von den Linken und Andreas Geisler von der SPD die Vorredner.

„Ziel dieser Satzung ist es, den Anteil an begrünten Dachflächen, Freiflächen und an Gebäudewänden zu erhöhen. Es wird hierfür von der Ermächtigungsgrundlage des § 89 Abs. 1 Nr. 3 – 5 und 7 der Sächsischen Bauordnung (SächsBO) Gebrauch gemacht“, heißt es in der Vorlage zur Satzung. Eigentlich ein drängendes Thema. Das kann man nicht allein auf die öffentlichen Flächen abschieben.

Da müssen auch die Hauseigentümer mitmachen, wie man da lesen kann: „Die Durchgrünung in den innerstädtischen Bereichen nimmt kontinuierlich ab, die Versiegelung zu. Flächenressourcen für zusätzliche Grün- und Naturareale, insbesondere in den urbanen Zentren, sind kaum noch vorhanden. Nach wie vor ist ein anhaltender Investitionsdruck in den Baugebieten zu verzeichnen. Dieser Prozess kann zu einer Beeinträchtigung der hohen Lebensqualität führen. Ziel der Satzung ist es daher, eine angemessene und ausreichende Begrünung und Bepflanzung der Grundstückfreiflächen und Gebäude sicherzustellen. Hierzu zählt auch die Dachbegrünung. Diese kann letztlich sogar neue Grün- und Freiräume für eine Erholungsnutzung erschließen. Zudem leistet sie einen nachhaltigen und wirksamen Beitrag zur Minderung der Folgen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt, die biologische Vielfalt und das Klima der Stadt.

Durch diese Maßnahme sowie die Begrünungs- und Pflanzgebote soll insgesamt das Stadtbild aufgewertet und vor Verödung geschützt werden sowie gesunde Lebensverhältnisse und die natürlichen Lebensgrundlagen gewahrt werden.  Eine Begrünung trägt erheblich zur Sicherung und Verbesserung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse bei. Dies betrifft die klimatischen ebenso wie die gestalterischen Belange.“

Logisch, dass Tobias Peter die Reden der Vorredner als Versuch einordnete, einen Popanz aufzubauen, der mit dem eigentlichen Anliegen der Satzung gar nichts zu tun hat.

So kann man das sehen. In der Abstimmung jedenfalls bekam die Leipziger Begrünungssatzung – Langtitel: „Satzung der Stadt Leipzig über die Gestaltung und Ausstattung der unbebauten Flächen der bebauten Grundstücke und über die Begrünung baulicher Anlagen“ – dann mit 32:23 Stimmen eine klare Mehrheit.

Auch wenn noch offen ist, wie Sabine Heymann anmerkte, wer das dann kontrolliert.

Aber Satzungen helfen ja schon dann, wenn sie Bauherren klare Vorgaben machen, an die sie sich halten können. Und ihnen auch deutlich machen, dass auch ihr Grundstück Teil einer im Sommer aufgeheizten Stadt ist und auch dieses Grundstück das kostbare Wasser zurückhalten muss durch lebendige Vegetation.

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