Wie kommuniziert man das, wenn man einen großen Kürzungsunfug gerade ausgebremst hat und endlich mal ein bisschen Luft holen kann? Für Holger Mann war die neue Hochschulvereinbarung in Sachsen eine Zeitenwende. „Die Vereinbarung leitet einen Richtungswechsel an den sächsischen Hochschulen ein. Ein über 20 Jahre dauernder Stellenabbau an den Hochschulen findet damit endgültig ein Ende.“

Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD im Herbst 2014 war schon verankert: „Unter der Voraussetzung, dass sich die staatlichen Hochschulen mit dem Freistaat Sachsen auf eine entsprechende ‚Hochschulentwicklungsplanung 2025‘ bis zum Ende des Jahres 2016 verständigen, ist die Koalition zum Abschluss einer langfristigen Zuschussvereinbarung mit einer Laufzeit bis 2025 bereit und wird auf den geplanten Stellenabbau von 754 Stellen ab 2017 verzichten.“

Das ist jetzt geschehen. Damit ist der größte Teil der 2011 beschlossenen Kürzungen erst mal vom Tisch.

Holger Mann, hochschulpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion: „Die Hochschulplanung 2025 bietet nun einen verlässlichen inhaltlichen Rahmen für die nächsten acht Jahre. Wir gehen in dieser neuen Entwicklungsplanung zudem erstmals die Themen Gleichstellung und Inklusion an den Hochschulen an. Darüber hinaus sind damit die Voraussetzungen geschaffen, dass die Hochschulen in Zukunft langfristig Personalplanung und Profilbildung betreiben können“, so Mann.

Aber Kritik aus der Opposition gibt es trotzdem.

Woran auch der Sprecher für Hochschul- und Wissenschaftspolitik der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, Falk Neubert, in der vergangenen Woche erinnerte: „Die unzureichende Finanzierung sächsischer Hochschulen schafft, um nur eine Auswirkung anzusprechen, ein akademisches Prekariat. Das sind Dozenten und Assistenten, wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiter/-innen und Lehrkräfte für besondere Aufgaben, die zwar den Hochschulbetrieb am Laufen halten, aber dafür keine entsprechende Bezahlung und keine dauerhafte Stelle erhalten. Auch aus diesem Grunde forderten die Sachverständigen in der Anhörung im Ausschuss für Hochschule und Wissenschaft auf Antrag der Linksfraktion zum Hochschulentwicklungsplan 2025 einhellig eine höhere Grundfinanzierung. Die Grundmittelfinanzierung entscheidet über die Fähigkeit einer Hochschule, dauerhaft Infrastrukturen für den Lehr- und Forschungsbereich bereitzustellen. An der Struktur der öffentlichen Mittelvergabe an die Hochschulen und Forschungseinrichtungen in den vergangenen Jahren lässt sich eine deutliche Verschiebung zugunsten von Drittmitteln und zulasten von Grundmitteln ablesen. Die Grundausstattung gerät damit in ein schiefes Verhältnis zum Finanzierungsbedarf der Hochschulen.“

Und dann ist da noch die bundesweite Besorgnis, die Studierendenzahlen könnten einbrechen – irgendwann nach 2020.

Was Sachsens Regierung zur Kürzung der Zielzahl bewog.

Neubert: „Genauso einhellig wie gegen die unzureichende Finanzierung wandten sich die Sachverständigen in der Anhörung gegen eine Senkung der Studierendenzahl von derzeit rund 105.000 auf 95.000 im Jahr 2025. Diese Vorgabe der Staatsregierung ist unrealistisch, weil von den Hochschulen weder umsetzbar noch gewünscht.“

Auch Dr. Claudia Maicher, hochschulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, kritisiert diese perspektivische Kürzung. „Für eine Jubelveranstaltung gibt es keinen Anlass. Zwar ist es positiv, dass die Hochschulen in Sachsen endlich für die nächsten acht Jahre von Haushaltskürzungen und Stellensperren ausgespart werden sollen. Allerdings ist diese Planungssicherheit teuer erkauft: die Hochschulen müssen sich verpflichten, ab dem Jahr 2021 ‚geeignete Schritte‘ zu unternehmen, um die Studierendenzahlen zu kürzen und damit die Axt an ihr Kerngeschäft – die Ausbildung junger Menschen – zu legen.“

Die Staatsregierung sitzt am längeren Hebel.

„Das Argument der Staatsregierung, den Hochschulen allein wegen der ‚Aufrechterhaltung des Qualitätsanspruchs‘ den Abbau auf sachsenweit insgesamt 95.000 Studenten vorzuschreiben, ist eine reine Schutzbehauptung. Die Qualität der Lehre hat weniger etwas mit Studierendenzahlen zu tun, als mit der Ausstattung der Hochschulen“, sagt Maicher. „Eine ausreichende Grundfinanzierung der Hochschulen ist deutlich wirkungsvoller für die Qualität als eine mutwillige Studierendenzahlabsenkung, für die keine Notwendigkeit besteht. Besonders weil die Hochschulen gleichzeitig mehr Studierende im Lehramt und im juristischen Bereich ausbilden sollen, stellt sich die Frage, in welchen anderen Fächern sie sparen sollen. Bei der Psychologie in Chemnitz konnte man schon mal einen Vorgeschmack bekommen, auf das, was auf die Hochschulen zukommt: dort hätten um ein Haar nicht mehr genügend Masterplätze für die Bachelorstudierenden zur Verfügung gestanden. Die TU Chemnitz hat sehr deutlich gemacht, dass diese Entscheidung unmittelbar mit dem staatlich verordneten Studierendenrückgang zusammengehangen hat.“

Den Grund, warum Sachsens Regierung den Zielkorridor verringert, obwohl es nicht einmal verlässliche Prognosen über die Studierendenzahlen ab 2020 gibt, hatte Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) in einer Antwort an die Linksfraktion gegeben: „Die Staatsregierung sieht keine Möglichkeit, die ab 2020 auslaufenden Bundesmittel des Hochschulpaktes zu kompensieren.“

Man hat also nur einen belastbaren Planungshorizont bis 2020. Der Hochschulentwicklungsplan soll aber Bedingungen bis 2025 definieren. Eigentlich geht das nicht.

„Die Hochschulen hatten gar keine andere Wahl als dem Hochschulentwicklungsplan 2025 zuzustimmen – sonst hätten sie weitere 754 Stellen abbauen müssen“, meint Claudia Maicher dazu. „Zudem erhalten sie weiterhin nicht die früheren, sächsischen BAföG-Mittel in Höhe von ca. 56 Mio. Euro pro Jahr direkt. Eigentlich gedacht für eine Verbesserung der Grundfinanzierung und Daueraufgaben der Hochschulen, werden sie jetzt nur ‚im Hochschulbereich, einschließlich Hochschulbau‘ eingesetzt. Das hat bisher nicht wirklich funktioniert, im noch laufenden Haushalt ist bis Mitte 2016 über die Hälfte des Geldes liegen geblieben. Ich fordere dagegen, diese Gelder den Hochschulen direkt in ihre Grundbudgets zu geben und für Daueraufgaben einzusetzen – nicht für Beton.“

Aus ihrer Sicht ist eine Reduzierung von 11.000 Studierenden in Sachsen im Jahr 2025 im Vergleich zum heutigen Stand drastisch. „Auch Sachsen ist dringend darauf angewiesen, ausreichend hochqualifizierten Nachwuchs auszubilden. Dass die Zielzahlen bei den Studierendenzahlen für die einzelnen Hochschulen einen Korridor von Plus/Minus zehn Prozent vorsehen, kann die Folgen dieser politischen Fehlentscheidung auch nicht wettmachen.“

Das Problem abarbeiten müssen aber nun die Hochschulen selbst, merkt Falk Neubert an: „Wie zukünftig die Absenkung der Studierendenzahl umgesetzt werden soll, bleibt laut Staatsregierung den Hochschulen überlassen. Die Rektorinnen und Rektoren werden gezwungen, den Numerus Clausus zu erhöhen, damit werden die Hürden des Zugangs zur Hochschule für viele Studieninteressierte unüberwindbar. Außerdem wird wohl noch mehr als sonst auf die Einhaltung der Regelstudienzeit gedrungen, zur Not auch mit der Erhebung von Langzeitstudiengebühren.“

Was dann den Trend zu Verschulung und Schmalspurstudium weiter verstärkt.

Sachsen fährt weiter auf ein Hochschulsystem zu, das auf Effizienz getrimmt ist, die Universalität aber irgendwann einbüßt.

Falk Neubert: „Die Kompensation der fehlenden Grundmittel durch die Erhöhung der Einwerbung von Drittmitteln verschärft die Konkurrenz unter den Hochschulen weiter. Exzellenz und Effizienz stehen im Vordergrund, Fächervielfalt, demokratische Mitbestimmung, Schaffung von planbaren Karriereperspektiven an den Hochschulen haben keinen Platz mehr.“

Die erste Antwort auf Falk Neuberts Frage nach den Studierendenzahlen. Drs. 5687

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