Eigentlich braucht man in Leipzig nur zu warten. Irgendein richtig saftiges Jubiläum zur Buchstadt Leipzig kommt demnächst immer. Ein richtig schönes ist der 100. Geburtstag der berühmten Insel-Bücherei. Offizieller Geburtstag ist der 23. Mai. Die Leipziger Buchwissenschaft plant dazu im Sommer eine große Plakataktion und eine Ausstellung.

Am 23. Mai 1912 kündigte der 1901 gegründete Insel Verlag durch ein Rundschreiben und in Nr. 118 des Börsenblatts für den Deutschen Buchhandel den Start der neuen Reihe an, die nicht mit der Reclamschen Universalbibliothek konkurrieren sollte, trotzdem hochwertige Lesegenüsse zu einem volkstümlichen Preis verschaffen sollte. Schon 1902 hatte Anton Kippenberg, der den Insel-Verlag seit 1906 leitete, preiswerte 2-Mark-Bücher auf den Markt gebracht, 1911 ließ er die “Bibliothek der Romane” folgen, die für 3 Mark in den Buchhandel kamen.

Geistiger Mitinitiator der Insel-Bücherei war kein Geringerer als Stefan Zweig. Von vornherein war eine “freundliche” Ausstattung der Bändchen geplant und die gezielte Auswahl kleinerer Werke wie Novellen, Gedichtgruppen, Essays, teilweise auch “zu unrecht vergessene” Arbeiten und Autoren. 50 Pfennig für ein hochwertig gestaltetes Bändchen, an dem man nicht wochenlang kauen musste und das einem trotzdem hochrangige Literatur von erstklassigen Autoren an die Hand gab? – Das faszinierte schon bald viel mehr Sammler als Leser.

Eine erste Ankündigung für die Reihe gab es schon 1910. Seine “Lieblingsschöpfung” nannte Katharina Kippenberg diese Reihe und meinte Anton damit, auch wenn es um die geistige Urheberschaft mit Stefan Zweig wohl noch einigen Dissenz gab. Nur über eines nicht: Dass die Reihe tatsächlich das Geschenk an die Leser war, das sich die beiden Erfinder erhofft hatten. Gleich die Nr. 1 in der Reihe, Rilkes “Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Rilke”, wurde zu einem der meistverkauften Titel der Reihe. Aber auch Zweigs “Sternstunden der Menschheit” gehören zu den Bestsellern der Insel-Bücherei.Und man kann sich die Vorfreude der Leser vorstellen, als die ersten zwölf Titel angekündigt wurden, auch wenn Bismarcks Reden zur äußeren Politik oder die politischen Schriften Friedrichs des Großen heute eher was für Spezialisten wären. Aber Flaubert, Verhaeren oder auch Bürgers “Münchhausen” für 50 Pfennige in schöner Aufmachung zu erwerben, das reizt auch jemanden, der’s nicht so dicke hat. Rilkes “Cornet” hat bis 2006 – wie aus Wikipedia zu erfahren – 54 Auflagen erlebt und es wurden über 1,14 Millionen Exemplare abgesetzt.

Nach dem 2. Weltkrieg war der Preis dann schon auf 1,50 bis 2,25 RM gestiegen. Dafür gab’s dann – nachdem Anton Kippenberg in Wiesbaden eine Zweigstelle gegründet hatte, nach 1945 nicht nur zwei Insel-Verlage, sondern auch zwei Insel-Büchereien. Und auch DDR-Bürger bekamen für 1,25 Mark, später 2,50 Mark nicht nur “sozialistischen Realismus”, sondern klassisch schöne und nahrhafte Insel-Titel bis zur “Wende”.

1990 wurde nicht nur der Insel-Verlag wieder verschmolzen, sondern auch die Insel-Bücherei wurde wieder zusammengeführt. Es erschienen auch weiterhin zwölf Titel pro Jahr. Aber mittlerweile für 13 Euro das Stück. Der Insel Verlag, der mittlerweile zum Suhrkamp Verlag gehört, hat seinen Sitz mittlerweile wie ebendieser auch in Berlin. Und natürlich würdigt er in seiner Verlagsgeschichte auch die Entstehung der “Insel Bücherei” 1912: “Auf einen Vorschlag von Stefan Zweig hin gründet Anton Kippenberg die Insel-Bücherei. Konzeption und Gestaltung, insbesondere die farbigen Überzugspapiere werden zum Alleinstellungsmerkmal der Reihe. Zweig schreibt: ‘Hier beginnt der Insel-Verlag, der aristokratisch angefangen und es im Sinne der Haltung bis heute geblieben ist, durch die Tat demokratisch zu werden.'”

Der Verlag würdigt das 100jährige auch in seinem neuen Katalog. Auch den “Cornet” gibt es in einer limitierten Geburtstagsausgabe, illustriert von Karl Georg Hirsch. Mit Hermann Hesses “Wege nach Innen. 25 Gedichte”, erreicht die Reihe die Nummerierung 1365. Da gerade in der Zeit der deutsch-deutschen Teilung viele Nummern doppelt vergeben wurden, gab es Ende 2011 tatsächlich schon 1.672 Insel-Bücherei-Titel.

Der Insel-Verlag legt zum 100jährigen auch eine komplette Bibliographie aller Titel vor: “Die Insel-Bücherei. Bibliographie 1912-2011”. Wer sich im Buchladen oder Antiquariat eindecken will, hat alle Möglichkeiten und Orientierungshilfen.

Die Leipziger können sich auf den Sommer freuen und eine Stadt voller Insel-Bücherei-Jubiläumsplakate.

Die Insel-Bücherei bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Insel-B%C3%BCcherei

Der Insel-Verlag im Suhrkamp-Portal: www.suhrkamp.de/insel_verlag_67.html

Buchwissenschaft Leipzig: www.uni-leipzig.de/~buchwiss/

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