Marcellus war es und nicht Hamlet. Aber im „Hamlet“ steht es natürlich: „Something is rotten in the state of Denmark.“ - „Etwas ist faul im Staate Dänemark.“ Und der Satz ist so treffend, dass er immer wieder gern zitiert wird, wenn ein Staatsapparat seltsame Krankheiten zeigt. So wie der sächsische, der nach Jahren der rücksichtslosen Sparpolitik ernsthafte Verschleißerscheinungen zeigt. Bei seinen Polizeibeamten zum Beispiel.

Ein Thema, das den innenpolitischen Sprecher der Linksfraktion im Landtag, Enrico Stange, nun seit Jahren beschäftigt. Immer wieder fragt er nach Soll- und Ist-Stärken, nach Altersabgängen, Krankheitsausfällen, Überstunden und Bezahlung, all den Dingen, die die Polizisten natürlich direkt in ihrem Arbeitsalltag zu spüren bekommen. Und zumindest Stange fragt sich: Wie wirkt sich diese regide Verknappunspolitik eigentlich auf die Motivation der Polizisten aus?

Erst recht, wenn sie ihre Überstunden nach all den Daueraufmärschen von PEGIDA und LEGIDA nicht mal abbauen können und Urlaubstage verfallen, ohne dass es dafür eine finanzielle Entschädigung gibt? Das Dauer-Marschieren von 2015 ist zwar beendet. Aber die Personalsituation in den Polizeidirektionen hat sich natürlich nicht entspannt. Die Aufstockung in der Ausbildung wird sich erst in den nächsten Jahren bemerkbar machen. Aber auch noch nicht als echte Entlastung, denn der Zuwachs an jungen Polizisten kann die jetzt schon existierende Lücke von 1.000 Polizeibeamten nicht schließen.

„Die sächsischen Polizeibeamten sind weiterhin überlastet. Besserung ist nicht in Sicht“, stellt denn auch Enrico Stange nach einer ganzen Reihe neuer Anfragen an die Staatsregierung fest. „Die Zahl der angehäuften Überstunden der Polizeibeamten ist im ersten Quartal 2016 wieder deutlich angestiegen. Von Dezember 2015 wurden 84.400 Überstunden in den Januar 2016 übertragen. Bis zum März 2016 hatten sich nunmehr schon 99.700 Stunden angesammelt. Das ist ein Zuwachs von 18 Prozent in nicht einmal drei Monaten. Zugleich musste der Innenminister einräumen (Drucksache 6/4737), dass im ersten Quartal 2016 insgesamt 3.500 Überstunden sächsischer Polizeibeamter entschädigungslos verfallen sind.“

Bei den Polizeidirektionen, wo besonders viele Mehrstunden auf diese Weise ohne Entschädigung blieben, ist die Polizeidirektion Leipzig ganz vorne dran. Das hat nicht nur mit den zahlreichen Kundgebungen zu tun, sondern auch damit, dass die Kluft zwischen Soll- und Ist-Stärke hier besonders groß ist. Wobei Soll-Stärke noch lange nicht heißt, dass die Polizei tatsächlich ausreichend Personal für ihre Aufgaben hat.

Aber wenn nicht mal die Mehrarbeit gewürdigt wird, schlägt das logischerweise auf die Arbeitsmotivation durch.

„Der Umgang des sächsischen Dienstherrn mit seinen Polizeibeamten ist skandalös. Sie kommen wegen der durch die CDU-geführte Staatsregierung verursachten Personalnot kaum noch aus den Stiefeln. Zum Dank wird ihnen auch noch der Ausgleich für zahlreiche Überstunden verweigert. Diese Form der ‚Sparpolitik‘ hat im Freistaat leider System“, stellt Stange nun nach Auswertung der jüngsten Antworten fest. „So verfielen bereits 2015 insgesamt 3.147 Urlaubstage, weil sie nicht fristgerecht genommen werden konnten.“

Und 2016 geht das munter so weiter. Mit heftigen Folgen fürs Personal.

„Der Überstundenberg wächst, und es fällt den Beamtinnen und Beamten immer schwerer, den ihnen zustehenden Urlaubsanspruch geltend zu machen. Infolgedessen steigt der Krankenstand bei der sächsischen Polizei auf ein Niveau, das den Krankenstand anderer Berufszweige weit hinter sich lässt. 2015 waren 8,4 % der Beamten über das gesamte Jahr hinweg krank“, nennt Stange eine Zahl, die eigentlich auch bedeutet, dass fast jeder zehnte Polizist nicht einsatzfähig war.

Logisch, dass Stange noch einmal betont, dass 400 oder 500 neue Polizisten pro Jahr nicht ausreichen. Um das schon aufgestaute Dilemma zu lösen, müssen es deutlich mehr sein. Enrico Stange: „Wer die Polizei entlasten und die Beamten gesund erhalten will, muss endlich den Einstellungskorridor bei der Polizei auf mindestens 800 Auszubildende für 2016 und 2017 ausweiten. Die vom Ministerpräsidenten und vom Innenminister versprochenen 500 Auszubildenden in diesem Jahr kompensieren lediglich die Altersabgänge. Das befördert den Verschleiß.“

Anfrage „Krankenstand der sächsischen Polizei in 2015 – Nachfrage zu Kleinen Anfragen Drs. 6/2021 und Drs. 6/3153“. Drs. 3793

Anfrage „Überstunden der sächsischen Polizei im Dezember 2015“. Drs. 3669

Anfrage „Angesparte und verfallene Urlaubstage von Beamten der sächsischen Polizei“. Drs. 3670

Anfrage „Überstunden der sächsischen Polizei im März 2016“. Drs. 4736

Anfrage „Verfall Mehrarbeits- und Überstunden bei der sächsischen Polizei im l. Quartal 2016“. Drs. 4737

In eigener Sache

Jetzt bis 13. Mai (23:59 Uhr) für 49,50 Euro im Jahr die L-IZ.de & die LEIPZIGER ZEITUNG zusammen abonnieren, Prämien, wie zB. T-Shirts von den „Hooligans Gegen Satzbau“, Schwarwels neues Karikaturenbuch & den Film „Leipzig von oben“ oder den Krimi „Trauma“ aus dem fhl Verlag abstauben. Einige Argumente, um Unterstützer von lokalem Journalismus zu werden, gibt es hier.

Überzeugt? Dann hier lang zu einem Abo …

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar