Nach dem von CDU-Politiker Riedel geäußerten Vergleich von Wagenleben und betreutem Wohnen als "ambulante Wohnform" begaben sich vier Bewohner_innen der Fockestraße 80 in die Schongauerstraße 41, um der populistischen Ausspielung zweier sozialer Initiativen entgegenzutreten und mit den betroffenen Senior_innen über ihre Probleme zu sprechen. Bei der Begegnung im Altenwohnheim offenbarte sich die teils besorgte, teils kämpferische Haltung der Bewohner_innen im Hinblick auf die für April 2016 angekündigte Räumung der "Amalie".

Das seit 15 Jahren existierende Wohnheim sei für die Senior_innen eine letzte Insel, um den Lebensabend gemeinsam zu verbringen. Man greife sich hier gegenseitig unter die Arme und pflege einen liebevollen Umgang. Dass die Senior_innen das Wohnheim aufgrund einer fehlenden Baugenehmigung im April nächsten Jahres verlassen müssen, ist unmenschlich. “Man darf alten Leuten nicht die Wohnung nehmen. Es ist ein Stück ihres Lebens”, so ein Bewohner.

Hier muss ein Kompromiss gefunden werden, finden auch wir, die Bewohner_innen der Fockestraße 80. Der Vorstoß von Konrad Riedel, die Senior_innen sollten sich mit Bauwägen vor das Rathaus stellen, um ihre Rechte einzufordern, zeugt von wenig Sensibilität gegenüber der Situation der Amalie-Bewohner_innen. Vielmehr finden die Betroffenen, sollten die Politiker_innen bei einem Besuch vor Ort ihrer Aufgabe nachkommen und den Bewohner_innen in ihrer Problemlage zuhören und ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Konstruktive Lösungen unter Mitwirkung aller Beteiligten zu finden, ist auch unserer Meinung nach eher die Aufgabe von Politiker_innen als effektheischende Anfragen bezüglich der Wohnform des Wagenlebens im Stadtrat zu stellen.

Ähnliches würden wir uns auch in unserem Fall wünschen, wo das Liegenschaftsamt ohne Einbeziehung von uns als Wagenbewohner_innen kostspielige Baumaßnahmen durchführen will, die möglicherweise sogar in Eigenleistung durchgeführt werden könnten. Seit zwei Jahren plant das Liegenschaftsamt auf dem Gelände des Wohn- und Kulturprojekts “Focke 80” Abriss- und Entsiegelungsmaßnahmen mit undurchsichtigen Hintergründen. Die angekündigten Baumaßnahmen gehen weit über die zunächst genannte Verkehrssicherungspflicht hinaus. Was sich eigentlich hinter den von der Liegenschaftsamtleiterin vorangetriebenen Bauarbeiten und dem Konzept der Brachflächenrevitalisierung verbirgt, ist nach wie vor unklar.

Im Gegensatz zu den betagten Bewohner_innen der Amalie sind wir glücklicherweise noch eher in der Lage uns für unsere Belange selbst einzusetzen. Wird die zum April 2016 ausgesprochene Kündigung durchgesetzt, sitzen 130 alte Menschen auf der Straße. Viele der Bewohner_innen versuchen daher ein neues zu Hause zu finden, was sich aufgrund der langen Wartelisten kompliziert bis unmöglich gestaltet, da es für Senior_innen ohne Pflegestufe schwierig ist, einen Heimplatz zu finden. Einige der Bewohner_innen müssten sich bei einem Umzug zudem komplett neue Möbel zulegen. Die unsichere Situation der Amalie-Bewohner_innen ist in der Tat untragbar.

Wir wünschen den Senior_innen des betreuten Wohnheims in der Schongauerstraße viel Mut und den politischen Willen der Verantwortlichen in der Stadt, um die Räumung der Amalie abzuwenden.

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Wird die zum April 2016 ausgesprochene Kündigung durchgesetzt, sitzen 130 alte Menschen auf der Straße.

Hier wird überhaupt keiner auf der Straße sitzen. Längst hätte alles schon relativ reibungslos über die Bühne gegangen sein können, wenn der Betreiber den Heimbewohnern, deren Betreuern bzw. Angehörigen, den Medien und damit der Öffentlichkeit nicht das Blaue vom Himmel gelogen hätte. Die Verzögerungstaktik deshalb, um möglichst noch so viel Kohle wie möglich herauszuschlagen. Das Wohl der Heimbewohner ist für den Betreiber Nebensache. Scheinheiligkeit pur!

Es wird keine nachträgliche Legalisierung dieses jahrelangen illegalen Betriebes der Seniorenwohnanlage geben.

Ich würde es sehr begrüßen, wenn sich jemand finden würde, der im Auftrag aller/vieler Heimbewohner gegen die Betreibergesellschaft eine Klage zur Erstattung sämtlicher mit den Umzügen verbundener Kosten einreichen würde. Das deshalb, weil alle Heimverträge unter der Voraussetzung abgeschlossen wurden, dass sich der Betreiben an Recht und Gesetzt hält, was er nicht getan hat. Schon das Einreichen der Klage könnte wahrscheinlich Wunder bewirken.

Solche, wie die hier geschilderte Aktion, ist nicht hilfreich. Auch die Bemerkung des Herrn Riedel war undiskutabel. Weitere Politiker des Stadtrates sind ebenfalls in dieses Fettnäpfchen getreten, was kein gutes Licht auf deren Kenntnisse zu rechtlichen Regelungen zum Sachverhalt wirft. Mit Polemik ist das Problem nicht lösbar.

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