Das Projekt „Stolpersteine“ will an das Leid jüdischer Mitmenschen, politisch Andersdenkender, von Kinder und Erwachsenen mit Behinderungen, Sinti und Roma, Homosexuellen und allen anderen von den Nationalsozialisten Verfolgten und Ermordeten erinnern und im heutigen Alltag vergegenwärtigen. Vor dem letzten frei gewählten Wohnhaus werden „Stolpersteine“ mit dem Namen, dem Jahrgang und dem Schicksal der betroffenen Person ebenerdig im Gehsteig eingelassen.

Die Arbeitsgruppe „Stolpersteine in Leipzig“ koordiniert seit 10 Jahren die Verlegungen

Nach einem Beschluss des Leipziger Stadtrates startete am 3. April 2006 das Projekt in Leipzig mit der Verlegung von elf Steinen im Stadtgebiet. Die bewusst überparteilich arbeitende Arbeitsgruppe „Stolpersteine in Leipzig“ organisiert seitdem die Verlegungen, betreut interessierte Gruppen bei ihren Recherchen, koordiniert die Termine, kümmert sich um den Internetauftritt sowie die Öffentlichkeitsarbeit und hält Kontakt zu Angehörigen und Hinterbliebenen. In der Arbeitsgruppe wirken das Archiv Bürgerbewegung Leipzig, die Evangelische Jugend Leipzig, die Gedenkstätte für Zwangsarbeit in Leipzig und das Bürgerkomitee Leipzig e.V., Träger der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“. Diese Leipziger Vereine ganz unterschiedlicher Themensetzung haben das Projekt in den vergangen 10 Jahren getragen und im kollektiven Bewusstsein der Stadt etabliert.

Dafür braucht es bürgerschaftliches Engagement, braucht es die Unterstützung vieler Menschen. Zunächst müssen die Adressen von Bürgern der Stadt, die in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert worden waren, recherchiert werden. Religionsgemeinschaften, Ämter und Forschungseinrichtungen helfen dabei. Die Stolpersteine sollen somit nur ein Anstoß für möglichst viele Leipziger sein, sich unmittelbar mit der Geschichte ehemaliger Mitbürger, vielleicht sogar Nachbarn, auseinanderzusetzen.

Am 7. Mai 2016 werden 25 weitere Stolpersteine zur Erinnerung an jüdische Mitbürger und einen Gewerkschafter verlegt

Jede einzelne Person, deren Schicksal gedacht werden soll, hat eine ganz eigene Lebensgeschichte. Leopold „Leo“ Bartfeld, an dessen ehemaligen Wohnort in der Waldstraße 8 die Verlegungen an diesem Tag starten, war im jüdischen Fußballverein Bar Kochba Leipzig aktiv. Nach ihm und seinem Bruder ist das internationale Fußballbegegnungsfest „Max-und-Leo-Bartfeld-Pokal“ benannt. An Leo Bartfeld und seine Familie wird mit 4 Steinen erinnert.

Dem Leipziger Pelzhändler Bernhard Landesberg und seiner Frau Anna gelang es 1938 Visa für England zu besorgen. Da sie jedoch ihre Kinder nicht alleine zurück lassen wollten, blieben sie in Deutschland. Es gelang Ihnen in der Folge die Kinder in Sicherheit zu bringen, für die Eltern war es jedoch zu spät: beide wurden in Konzentrationslagern ermordet. Zwei Stolpersteine erinnern an dieses tragische Schicksal.

Fast ähnlich liest sich das Los der Familie Schmulewitz/Grünbaum. Insgesamt 7 Stolpersteine erinnern an drei Generationen dieser Familie, die gemeinsam in einem Haus in der Löhrstraße 13 wohnten. Einzig die Enkelkinder der Familie konnten in Sicherheit gebracht werden. Den Eltern gelang es im Sommer 1939 ihre Töchter mit Kindertransporten nach England in Sicherheit zu bringen. Zur Verlegung sind Verwandte der Opfer aus den USA und Holland anwesend. Die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V., Regionalgruppe Leipzig ist Pate für diese Verlegung.

Hermann Sommerfeld war mit einer Nichtjüdin verheiratet. Um den gemeinsamen Sohn den Besuch einer weiterführenden Schule zu ermöglich, ließ sich das Paar 1941 scheiden. Der Schulbesuch scheiterte dennoch, Hermann Sommerfeld wurde aber nun der Rassenschande angeklagt, da er noch immer im Kontakt zu seiner Frau stand. Margarete Sommerfeld versuchte vergeblich die Scheidung rückgängig zu machen. Hermann Sommerfeld wurde zu 6 Monaten Haft verurteilt und kann danach ins Konzentrationslager Auschwitz, wo er 1944 ermordet wurde.

Der Gewerkschaftsfunktionär und SPD-Mitglied Richard Peukert machte aus seiner Ablehnung des Nationalsozialismus und des Krieges keinen Hehl. Nach einer Denunziation wurde er vom Volksgerichtshof wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tode verurteilt und in Dresden hingerichtet. Pate für diese Verlegung ist die IG Metall Jugend Leipzig.

Stolpersteine und Stolperschwelle erinnern an Opfer der Euthanasie-Verbrechen

Im Fall der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Leipzig-Dösen stößt das Projekt an seine Grenzen. Hier wurden von 1933 bis 1945 mindestens 624 angeblich lebensunwerte behinderte Kinder im Rahmen der NS-Euthanasie ermordet, 604 erwachsene Menschen zwangssterilisiert sowie 860 psychisch und/oder physisch kranke Menschen in die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein deportiert. Über 2.000 Stolpersteine, wären hier zu verlegen. Deswegen entwarf der Initiator des Stolpersteine-Projekts der Kölner Künstler Günter Demnig eine Stolperschwelle. Diese wird am 7. Mai 2016 um 15.15 Uhr als Erinnerungsmal für alle bekannten und unbekannten Opfer der Euthanasie-Verbrechen in Leipzig-Dösen vor der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt in den Gehweg eingelassen. Paten sind die Diakonie am Thonberg und das Erich-Zeigner-Haus e.V.

Einige der in Leipzig-Dösen ermordeten Kinder lebten zuvor in einem Kinderheim in der damaligen Elisabethstraße 153, dem heutigen Haus der Demokratie Leipzig. Harry Arnold, die Zwillinge Olaf und Wolfram Eder, Robert Hutterer, Martin Nagel und Harry Zanger wurden aufgrund nur zum Teil dokumentierter Erkrankungen oder Behinderungen wie Epilepsie oder „Schwachsinnszustand“ in die Heil- und Pflegeanstalt Leipzig-Dösen oder die Landesheil- und Pflegeanstalt Großschweidnitz überwiesen. Nur Martin Nagel überlebte die NS-Euthanasie. Ab dem 7. Mai 2016 um 14.00 Uhr erinnern 6 STOLPERSTEINE im Gehweg an das Schicksal der Kinder. Pate ist das Haus der Demokratie e.V.

Das Projekt Stolpersteine braucht Paten

Diese Verlegung von Stolpersteinen ist wieder nur mit der regen Unterstützung von Paten und Spendern möglich. Neben Privatpersonen sind dies oft auch Initiativen und Vereine oder Schulen. Um die Geschichte weiterer individueller Schicksale aus Leipzig in Erinnerung zu rufen, braucht es auch künftig die Unterstützung vieler Menschen. Für jeden Stolperstein werden Paten gesucht: Privatpersonen oder Vereine, Stiftungen, Parteien etc. können das für die Herstellung und Verlegung nötige Geld (120 € pro Stein) spenden

(Konto der Stadt Leipzig: Ktnr. 1010001350, BLZ 86055592, Sparkasse Leipzig, Verwendungszweck/Zahlungsgrund – unbedingt angeben VG 5.0451.000007.0).

Anliegen des Projekts ist es, im öffentlichen Stadtraum, unmittelbar vor den früheren Wohnstätten von Opfern des Nationalsozialismus, auf deren Schicksal aufmerksam zu machen. Der Kölner Bildhauer Gunter Demnig, der ähnliche Projekte in zahlreichen anderen Städten betreut, fertigt dazu Betonsteine mit verankerter Messingplatte in einer Größe von 10x10x10 Zentimetern und lässt diese in die Gehwege vor den ehemaligen Wohnhäusern der Deportierten ein. In die Messingtafel des Steins sind die Worte „Hier wohnte“ und darunter Name, Jahrgang und Schicksal der betreffenden Person eingestanzt.

Weitergehende Informationen zu den einzelnen Schicksalen können Sie auf unserer Homepage www.stolpersteine-leipzig.de nachlesen.

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