Lange haben die Auguren nicht so sehr auf die neuen Arbeitsmarktzahlen gewartet wie jetzt im Januar 2015. Denn seit dem 1. Januar gilt der Mindestlohn - auch in Leipzig. Und es gab ja eine ganze Reihe von "Experten" und Instituten, die den Verlust tausender Arbeitsplätze angekündigt hatten. Die Arbeitslosenzahlen stiegen zwar im Januar. Aber daran ist nur die Saison schuld, heißt es auch aus der Arbeitsagentur Leipzig.

„Der deutliche Anstieg der Arbeitslosigkeit um 2.269 Menschen im Januar ist saisonal bedingt und kommt nicht überraschend”, erklärt Nadia Arndt, die Geschäftsführerin Operativ der Agentur für Arbeit Leipzig, zur jüngsten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in Leipzig. “Zum Jahresende laufen etliche befristete Arbeitsverträge aus und in den witterungsabhängigen Branchen kommt es zu winterbedingten Entlassungen. Diese Entwicklung ist typisch für den Monat Januar. In den zurückliegenden Jahren war der Januar-Anstieg aber erheblich größer. Im vorigen Jahr lag er bei einem Plus von 2.450, im Jahr 2013 bei 3.347 und im Jahr 2012 sogar bei 4.287. Trotz des Anstiegs der Arbeitslosigkeit gibt es im Vergleich zum Januar des Vorjahres 2.025 arbeitslose Menschen weniger in der Stadt Leipzig.”

Was zumindest deutlich macht, wie groß der Einfluss der kalten Jahreszeit auf die Beschäftigungslage ist. Einen Mindestlohn-Effekt aber kann man noch nicht bemerken.

In Leipzig stieg die Zahl der arbeitslos Gemeldeten von 26.241 im Dezember auf 28.510. Der Anstieg im Vergleich zum Dezember 2014 betrug 2.269 Personen. Im Vergleich zum Januar des Vorjahres ist die Zahl der Arbeitslosen um 2.025 zurückgegangen. Die Arbeitslosenquote in der Stadt Leipzig beträgt jetzt wieder 10,2 Prozent, nachdem sie im Dezember schon auf 9,4 Prozent abgesunken war. Im Januar 2014 lag sie noch bei 11,2 Prozent.

Und es ist wie immer in den vergangenen zwölf Monaten: Die Entwicklung trifft unterschiedliche Gruppen auch unterschiedlich.

Bei den jungen Menschen bis 25 Jahren stieg die Zahl der Arbeitslosen um 191 auf 2.113 (Vorjahr: 2.840).

Bei den Lebensälteren in der Altersgruppe ab 50 Jahren wuchs die Arbeitslosigkeit um 609 auf 8.821 Personen an (Vorjahr: 9.365).

Auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist im zurückliegenden Monat in Leipzig wieder gestiegen. Gegenüber dem Vormonat wuchs sie um 177 auf 9.107. Im Vergleich zum Januar 2014 gab es 374 Langzeitarbeitslose weniger.

Dominiert wird die saisonale Entwicklung im Januar aber eindeutig von der Bauwirtschaft. Deswegen entfällt der größere Teil der neu gezählten Arbeitslosen auf den Bereich des SGB III: Das sind die in der Arbeitsagentur betreuten Arbeitslosen.

Im Januar waren 6.792 Menschen im Rechtskreis SGB III in der Arbeitsagentur arbeitslos gemeldet. Das waren 1.221 mehr als im Vormonat und 631 weniger als im Januar 2014.

Im Rechtskreis SGB II – das ist das Jobcenter Leipzig – waren 21.718 Menschen arbeitslos registriert. Das waren 1.048 mehr als im Dezember 2014 und 1.394 weniger als vor einem Jahr.

Was aber auch bedeutet: Hier ist deutlich weniger Bewegung als im Bereich SGB III. Und das führt dazu, dass die Zahlen der in den Bedarfsgemeinschaften Betreuten viel, viel langsamer abschmelzen, als es sich die Leipziger Stadtspitze vorgestellt hat.

In Leipzig gab es im Januar wieder 41.841 Bedarfsgemeinschaften. Das sind 130 mehr als im Vormonat und nur 637 weniger als im Januar des Vorjahres. Das Jobcenter Leipzig betreut aktuell 51.995 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Im Vergleich zum Vormonat betrug der Anstieg 234. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl um 878 Personen.

Die Zahlen sind auch deshalb bedenklich, weil in den ostdeutschen Bundesländern eben gerade kein Stellenabbau stattfindet. Wahrscheinlich wird der Mindeslohn nicht einmal für einen kleinen Zeigerausschlag sorgen. Denn alle fünf Flächenländer im Osten haben mittlerweile mit einem gravierenden Fachkräftenachwuchsproblem zu kämpfen.

Das hat schon 2014 dazu geführt, dass die Arbeitslosenraten in allen fünf Ländern massiv gesunken sind. In Mecklenburg-Vorpommern um 8,5 Prozent, in Brandenburg um 7,9 Prozent und in Sachsen um 7,2 Prozent. Bis auf Bremen sind auch in allen westdeutschen Bundesländern die Arbeitslosenraten gesunken. Das hat zum Teil mit der stabilen wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik zu tun, mehr aber noch mit den Folgen der extrem niedrigen Geburtenraten in den 1990er Jahren, die jetzt bundesweit zu einem Nachwuchsproblem in der Wirtschaft führen. Im Osten noch dadurch verschärft, dass jetzt die Generation der Erwerbstätigen in Ruhestand geht, die nach 1990 die sich neu entwickelnde Wirtschaft getragen hat.

Und dass es ein echtes Nachwuchsproblem ist, das belegen die neuesten Berechnungen von Paul M. Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ), denn bei den unter 25-Jährigen sank die Arbeitslosenrate im Osten um über 20 Prozent. Hier ist es Brandenburg, wo die Quote um 25,9 Prozent am stärksten sank, Sachsen liegt auch hier an Rang 3 mit 20,1 Prozent. Die Jugend-Arbeitslosenquote liegt in Sachsen jetzt bei 7 Prozent.

Die gewachsene Nachfrage nach Arbeitskräften hat vor allem die Betroffenen im Rechtskreis des SGB III wieder in Arbeit gebracht. Was dann zu dem Effekt führte, dass der Anteil der Arbeitslosen im SGB II (“Hartz IV”) prozentual angestiegen ist von  67,4 auf 69 Prozent (sächsischer Durchschnitt), obwohl die Arbeitslosenzahl in Sachsen binnen eines Jahres von  213.623 auf 198.275 gesunken ist.

Die Berechnungen von Paul M. Schröder zeigen also an zwei Stellen deutlich, wie der Hunger nach Fachkräften in Sachsen weiter wächst. Und das wird auch 2015 so bleiben, wenn es zu keinem wirtschaftlichen Einbruch kommt. Und das wird sich auch beim Lohnniveau bemerkbar machen müssen, denn mit dem Mindestlohn ist jetzt in vielen Branchen auch ein Richtwert gesetzt, an dem sich auch die Arbeitsuchenden orientieren können und werden. Das ist eigentlich der Kummer so manches Unternehmers: Dass er mit den nun fast schon gewohnten niedrigen Lohnangeboten bei der Fachkräftesuche künftig das Nachsehen haben wird.

Aber noch ist Frostperiode und die Leipziger Arbeitsagentur dämpft die nahen Erwartungen: „Auch im Februar müssen wir wahrscheinlich mit einer weiter steigenden Arbeitslosigkeit rechnen. Der Anstieg wird aber wesentlich geringer ausfallen als im Januar“, prognostiziert Arndt.

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