Irgendwie ist die sächsische FDP in den letzten Tagen wieder munter geworden. Die letzten Umfragen sahen die Partei, die bis 2014 im Land mitregierte, bei 2 Prozent und damit weit unter jeder Chance, wieder in den Landtag zurückzukehren. Jetzt versucht man irgendwie mit allen Mitteln, wieder Aufmerksamkeit zu erringen. Wie am Dienstag, 13. Dezember, der JuliA-Vorsitzende.

Da ist auch die größte Zahl nicht groß genug: „In den kommenden Tagen wird der sächsische Landtag einen neuen Rekordhaushalt mit einem Volumen von über 37,1 Milliarden Euro beschließen. Das sind fast 7% mehr als beim Vorgängerhaushalt und das obwohl Inflation und Wirtschaftswachstum zusammen deutlich unter den Mehrausgaben liegen“, teilt der Landesverband der Jungliberalen Aktion mit.

37 Milliarden Euro? Da wäre Sachsen ein Geberland. So, wie es sich die FDP immer gewünscht hat. Tatsächlich ist es die Gesamtsumme für den Doppelhaushalt 2017/2018, die Jahreshaushalte betragen nur 18,4 bzw. 18,7 Milliarden Euro. Was aber trotzdem jeweils 1 Milliarde Euro mehr als 2015 und 2016 sind.

Aber dass damit auch mehr Personal bezahl werden soll, findet der Landesvorsitzende der Jungliberalen Aktion Sachsen, Philipp Hartewig, unmöglich: „Der Haushalt des Freistaates bläht sich immer weiter auf. Dieses Jahr sind es ca. 1,4 %, die wir mehr ausgeben, ohne dieses Geld durch Wirtschaftswachstum wirklich erwirtschaftet zu haben. In den letzten Jahren war das erklärte Ziel, den Stellenabbau in der Verwaltung voranzutreiben. Das ist nicht passiert. Statt alternativ beim Thema digitale Verwaltung aufzurüsten, ist der Haushaltsentwurf der erste seit Ende der DDR, bei dem das Heer der Staatsbediensteten wächst. Das soll sich bis 2022 nicht ändern. Damit hat Sachsen durchschnittlich mindestens 2 Staatsstellen mehr pro 1.000 Einwohner als andere Bundesländer.“

Heer der Staatsbediensteten?

Das mit dem „nicht erwirtschaftet“ stimmt freilich nicht. Denn für den Anstieg sorgen vor allem die steigenden Steuereinnahmen des Freistaats, die von 12 auf 13 Milliarden Euro angestiegen sind. 2018 erwartet selbst der pessimistische sächsische Finanzminister 14 Milliarden Euro. Das ist Geld, das die Sachsen tatsächlich erwirtschaftet haben.

Und das mit den Staatsstellen ist mittlerweile auch ein FDP-Märchen. Es wird nicht wahrer, wenn es die jungen Liberalen nachplappern. Irgendwie leben wir zwar alle im Trump-Zeitalter und jeder wirft mit Behauptungen um sich, die er nicht belegen muss.

Aber wer mag, kann sich ja bei Statistischen Bundesamt die Zahlen besorgen. Oder bei den einzelnen Landesämtern.

Die viel gelobten westlichen (oder alten) Bundesländer beschäftigen 2 Millionen Landesbedienstete. Die ostdeutschen übrigens nur 340.000.

Wer rechnen mag: Im Westen sind das 305 Landesbedienstete auf 10.000 Einwohner, im Osten 208.

Wer allein die sächsischen Zahlen nimmt, bekommt 112.000 Landesbedienstete auf 4,05 Millionen Einwohner als Zahlen geliefert – das ergibt 276 auf 10.000.

Warum liegt Sachsen über dem ostdeutschen Schnitt? Weil davon fast rund 31.000 an den Hochschulen Beschäftigte sind. Und Sachsen hat im Osten nun einmal die größte Hochschuldichte (die übrigens ein Hauptgrund für die Zuwanderung sind). Und nicht nur das. Zieht man die Hochschulbediensteten ab, hat man nur noch 79.500 Landesbedienstete – 196 also auf 10.000 Einwohner.

Man kann es also drehen, wie man will – Sachsen hat längst eine unterdurchschnittliche Ausstattung mit Personal. Selbst der Finanzminister hat das so langsam mitbekommen.

Und so recht weiß auch Philipp Hartewig nicht, ob er nun loben oder tadeln soll. Denn: „Zudem erhält das Kultusministerium 330 Millionen Euro mehr für Bildung. Das ist ein gutes Zeichen für die Zukunft, auch wenn die Kultusministerin noch zeigen muss, dass sie damit dem Lehrermangel effektiv entgegenwirken kann. Zudem wurden die notwendigen Einstellungen im Bereich Sicherheit vorgenommen.“

Ja, aber genau das bedeutet ja wieder einen Anstieg des Personals im „Heer der Landesbediensteten“, den Hartewig schrecklich findet.

Und dann wird der JuliA-Mann ganz forsch und schlägt vor: „Streichung von unnützen Stellen (10 Millionen €), Zusammenlegen von Ämtern wie Verfassungsschutz oder Statistikämtern in Mitteldeutschland (15 Millionen €), sowie ein Überdenken staatlicher Kirchenförderung und eine Nachverhandlung der Kirchenstaatsverträge (30 Millionen €).“

Welche „unnützen Stellen“ er ausgemacht hat, hat er noch nicht verraten. Lehrer und Polizisten können es nicht sein.

Das Wort „Generationengerechtigkeit“ nehmen wir der FDP sowieso nicht mehr ab. Sparen und Kürzen allein stellen keine Gerechtigkeit her, wenn darunter Bildung, Sicherheit, Justiz und Investitionen leiden. Hartewig lobt zwar die „hohe“ Investitionsquote von 16 Prozent, aber die 2,9 Milliarden Euro, die Sachsen hier verbucht, sind eine Art Gemüseladen, in dem z.B. 500 Millionen für Bautätigkeit des Landes stecken, 343 Millionen Euro Wirtschaftsförderung, 146 Millionen für die Landwirtschaft, 199 Millionen Forschungsförderung, aber z.B. nur 121 Millionen für den ÖPNV und 59 Millionen für Schulbau.

Die schlichte Wahrheit ist: In Wirklichkeit sind die sächsischen Investitionsausgaben in den letzten Jahren stetig gesunken – von 3,7 Milliarden im Jahr 2008 auf nun 2,9 Milliarden. Und diese Summe ist in Gänze viel zu niedrig für ein Land wie Sachsen. Da kann man sich die 16 Prozent schöngucken – es hilft nichts: Sachsen hat zu wenig Geld zum Investieren. Und das bremst vor allem wichtige Zukunftsinvestitionen.

Aber Philipp Hartewig gab uns mit seinem Einwurf wenigstens den Anlass, noch einmal in die Finanzplanung des sächsischen Finanzministers zu schauen. Und da sehen dann 18 Milliarden Euro im Jahr doch ziemlich knapp aus.

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