Manchmal teilt die Leipziger Verwaltung zwar bedauernd mit, dass man leider gerade keine neue Straße oder ein neues Plätzchen hätte, das man mit einem schicken neuen Namen versehen könnte. Aber so alle halben Jahre gibt es dann doch wieder eine Vorschlagsliste mit Neubenennungen für den Stadtrat. Diesmal ist sogar ein Fußballer dabei. Aber ein ganz alter.

Und wahrscheinlich kennen den wirklich nur noch jene Leipziger, die sich mal mit der Geschichte des mehrfachen deutschen Fußballmeisters VfB Leipzig beschäftigt haben. Der Bursche heißt Camillo Ugi, wurde 1884 geboren und spielte (nachdem er für drei Jahre beim Leipziger Ballspielclub das Leder getreten hatte) seit 1905 beim VfB Leipzig, mit dem er 1906 Deutscher Fußballmeister wurde, 1911 auch noch mal Vizemeister. Von 1909 bis 1912 durfte er in der deutschen Nationalmannschaft mitspielen, war in 15 Partien dabei, in neun davon als Spielführer. Und Höhepunkt war dabei ganz sicher die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1912 in Stockholm. Gewonnen haben damals die Engländer mit 4:2 gegen Dänemark.

Die deutsche Mannschaft schaffte zwar in der ersten Runde ein 16:0 gegen Russland, hatte am Ende mit 18 Toren auch noch die meisten Bälle ins Netz gepackt, wurde aber trotzdem nur (zusammen mit Italien und Schweden) Neunter. Aber dabei sein ist alles. Und jetzt bekommt Ugi auch noch seinen eigenen Winkel – den Ugiwinkel. Natürlich in Probstheida, wo der VfB Leipzig 1922 sein neues Stadion bezog, das heutige Bruno-Plache-Stadion. Gleich um die Ecke, an der Dösner Straße, wird eine Gewerbefläche jetzt in eine Eigenheimsiedlung umgebaut.

Und so begründet es jetzt die Vorlage der Stadtverwaltung: „Südlich der Dösner Straße, auf einer brach gefallenen Gewerbefläche, wird unter Einbeziehung eines Teiles der als Gartenland genutzten Grundstücke ein neuer Eigenheimstandort für Einzel- bzw. Doppelhausbebauung mit einer neuen Erschließungsstraße entwickelt. Eine Benennung der Straße ist aufgrund der geplanten Anzahl Anlieger aus Ordnungs- und Orientierungsgründen notwendig. Für die neue Straße wird der Name Ugiwinkel vorgeschlagen. Nordwestlich des neuen Wohngebietes befindet sich das Bruno-Plache-Stadion, seit 1922 Spielstätte des ehemaligen VfB Leipzig, heute 1.FC Lokomotive Leipzig.“

Ein Ring für Therese Benedek

Unter Fußballern nicht ganz so berühmt ist die  Psychiaterin und Psychoanalytikerin Therese Benedek. Aber ihr Schicksal ist umso markanter für das durchwachsene 20. Jahrhundert: „1920, nach der Niederschlagung der ungarischen Räterepublik, emigrierte sie mit anderen Mitgliedern der Ungarischen Psychoanalytischen Vereinigung nach Deutschland, wo sie sich dem Berliner  Psychoanalytischen Institut anschloss.“ Mit ihrem Mann Tibor übersiedelte sie dann nach Leipzig, wo sie „eine Arztpraxis eröffneten, sie als erste Psychoanalytikerin in Leipzig“, außerdem war sie Gründerin der „Leipziger psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft“. 1936 aber war sie gezwungen, in die USA auszuwandern, ließ sich in Chicago nieder, war als Analytikerin und  Dozentin tätig und verfasste noch einige aufsehenerregende Arbeiten.

Ihren Namen wird man künftig auf einem Teilstück der General-Olbricht-Kaserne in Gohlis finden.

„Auf dem Gelände des 1908 in Betrieb genommenen Lazarettes werden die denkmalgeschützten Gebäude mit ergänzenden Neubauten zu Wohnungen, Dienstleistungs- und Gewerbeeinrichtungen umgebaut. Seit seiner Inbetriebnahme bis zum Abzug der GUS-Streitkräfte 1992 fungierte das Gebäudeensemble als Lazarett bzw. Krankenhaus für Militärangehörige. Aus diesem Grund wird für die bereits damals angelegte Ringstraße aus dem Themenbereich ‚Mediziner‘ der Name Benedekring vorgeschlagen“, heißt es im Vorschlag der Verwaltung. In das neu gestaltete Gelände kommt man übrigens durch eine Zufahrt von der Max-Liebermann-Straße her.

Nun offiziell benannt: Wassertorbrücke am Lindenauer Hafen. Foto: Ralf Julke
Nun offiziell benannt: Wassertorbrücke am Lindenauer Hafen. Foto: Ralf Julke

Kleiner Bauboom in Lützschena

Ein richtig süffiges Stück Geschichte bekommt nun auch in Lützschena einen Namen: Dort wird ein Teilstück des Radefelder Weges umbenannt in „Zur alten Brauerei“. Damit wird an die alte Sternburg Brauerei erinnert, die bis Anfang der 1990er Jahr in Lützschena produzierte, bevor die Bierproduktion nach Reudnitz verlagert wurde. Das Gebäude der Brauerei ist noch immer so etwas wie das Wahrzeichen von Lützschena.

Und dass es jetzt noch eine Straßenbenennung gibt, liegt an der Nummerierung im Radefelder Weg: „Für das Gebäude auf dem Flurstück 54 a der Gemarkung Quasnitz, Radefelder Weg 2 B, wurde ein Bauantrag zum Umbau in 3 Reihenhäuser gestellt. Aufgrund der historisch gewachsenen Hausnummerierung des Radefelder Weges ist eine eindeutige Adressvergabe an dieser Stelle nicht mehr möglich. Aus Ordnungs- und Orientierungsgründen wird eine Teilumbenennung vorgeschlagen. Der Ortschaftsrat hat in seiner Sitzung am 09.12.2015 beschlossen, für den Straßenabschnitt zwischen Hallesche Straße und Bahnweg den neuen Namen Zur Alten Brauerei vorzuschlagen.“

Ebenfalls in Lützschena wird es künftig eine neue Straße Heidegraben geben und eine Verlängerung der Straße Zum Kalten Born. Auch dort wird – wie in Probstheida  – eine neue Eigenheimsiedlung gebaut: „Private Eigentümer beabsichtigen, westlich der Straße Zum Kalten Born eine Wohnsiedlung für Ein- und Zweifamilienhäuser zu entwickeln. Die Siedlung wird durch eine neue Straße erschlossen. Der Ortschaftsrat schlägt den Straßennamen Heidegraben nach dem dort befindlichen Lützschenaer Heidegraben vor. Die neue Straße erhält eine Anbindung an die Straße Zum Kalten Born. Diese Anbindung bildet mit der Straße Zum Kalten Born einen durchgängigen Verlauf. Aus diesem Grund wird die Verlängerung vorgeschlagen.“

Marianne Pauline aus der berühmten Familie Thiriot

Und ebenso ein neues Wohngebiet wird in Schönefeld gebaut, wo nun ein Abzweig von der Robert-Blum-Straße den Namen Thiriotstraße bekommen soll. Das berühmteste Mitglied dieser Leipziger Kaufmannsfamilie war übrigens eine gewisse Marianne Pauline Mende, geb. Thieriot, gest. 15.01.1881: Sie hat den eindrucksvollen Mendebrunnen auf dem Augustusplatz gestiftet.

Und eigentlich eher etwas für die Stadtpläne wird dann die Benennung der neuen Fußgängerbrücke am Lindenauer Hafen als Wassertorbrücke. Da wohnt ja niemand und die Post würde sich wundern, wenn auf dem Adressfeld Wassertorbrücke 1 in Leipzig stünde: „Die im Sommer 2015 fertiggestellte Kanalbrücke für Fußgänger und Radfahrer verbindet das zukünftige Wohngebiet mit dem westlich des Kanals gelegenen Schönauer Park. Die Bezeichnung ‚Wassertor‘ wurde bereits im Planungsverfahren für den südlichen Bereich des Wohngebietes verwendet.“

Und natürlich bekommt auch die Erikenbrücke dann den Namen Erikenbrücke, wenn sie demnächst als Fußgängerbrücke über die Weiße Elster gebaut wird und den Weg von Hartmannsdorf zum Zwenkauer See verkürzt.

Die Vorlage mit Karten und Begründungen.

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