Frank Bröker ist nicht nur Musiker bei "The Russian Doctors", Herausgeber und Pratajev-Bibliothekar, er ist auch erklärter Eishockey-Anhänger. Und Liebhaber von Eishockey-Berichterstattung. Die sich noch ein wenig von - sagen wir mal - Fußball-Berichterstattung unterscheidet. Sie ist noch kürzer, schneller und bildverliebter. Ist nur die Frage: Kann man ein ganzes Buch in diesem Ton schreiben?

Kann man. Hier liegt es. Auf 330 Seiten versucht es, ungefähr 100 Jahre deutsche Eishockey-Geschichte nachzuerzählen wie ein Eishockey-Spiel – vom Aufwärmen der Mannschaft (Warm Up) über drei Kapitel Bundesliga bis zum “Overtime” und zum “Penalty”. Das alles in einem Stakkato-Tempo, bei dem dem Leser schwindlig wird. Die Unterkapitel sind denkbar knapp und so geschrieben, als müssten sie schnell noch in der nächsten Eishockey-Zeitung in einer schmalen Spalte untergebracht werden.

Eishockey ist – wie so manche andere Mannschaftssportart auch – ein Import. Das Mutterland war Kanada – und ist es auch bis heute geblieben, auch wenn in den letzten Jahren eher Mannschaften aus Russland, Tschechien oder Schweden das Tempo auf dem Eis angaben. Anfangs gab es die Urform Bandy, die sich dann ziemlich bald in die wesentlich schnellere Form des Eishockey verwandelte. Beides wurde auch schon vor 1900 auf deutschen Teichen, Tümpeln und Wassergräben gespielt. Hin und wieder. Denn Deutschland mit seinen in der Regel recht milden Wintern eignet sich denkbar schlecht für diese Natursportart. In Kanada, Skandinavien und Russland war das schon immer anders. Aber auch dort freute man sich, als ein deutscher Erfinder die Kunsteisbahn praxistauglich machte. Was dann auch den nächsten Schritt ermöglichte: künstliche Eisflächen in Hallen zu bespielen.Das kleine Manko dabei: Es ist nicht ganz billig. Und weil das so ist, war der Weg zu bespielbaren Hallen nicht nur anfangs ein beschwerlicher. Er blieb es auch später. Kleine Gemeinden, die sich wie selbstverständlich einen Fußballplatz bauten, hatten für solche Eis-Abenteuer kein Geld. Und auch in Großstädten war es eher eine Wette auf einen hübschen Verlust. Denn während Fußball ganz selbstverständlich mit der Zeit ein Massenpublikum (und damit auch entsprechende Einnahmen) generierte, blieb das Eishockey-Publikum immer recht überschaubar. Auch dann, als die bespielbaren Hallen eine Abkopplung von den Launen des Winters möglich machten.

Das war nicht nur vor Gründung der Bundesliga so, das blieb auch danach so, auch wenn es immer wieder Zeiten zu geben schien, in denen sich der Spielbetrieb stabilisierte und damit auch die Grundlage geschaffen schien, den Nachwuchs für ein international konkurrenzfähiges Team auf die Beine zu stellen.

Der Leser merkt es selbst, wenn es ab Seite 75 in den Spielbetrieb geht und sich die Bundesliga-Kapitel mit den kurzen Kapiteln zu EM, WM und Olympia abwechseln: Die Ruhe trog immer. Oft genug hing der Erfolg eines Vereins (und der Verbleib in der Bundesliga) an wenigen begnadeten Spielern und an zahlungsfreudigen Sponsoren, an Sendezeit im deutschen Fernsehen sowieso. Ging das eine oder andere verloren, stand ziemlich schnell ein Minus in der Bilanz. Eine Situation, die sich im Lauf der letzten Jahrzehnte immer weiter verschärfte, weil mit der zunehmenden Professionalität der auch zunehmend internationalen Spieler auch die Gehälter stiegen.

Einem Land war das Ganze sowieso schon viel zu teuer – der DDR und ihrem dirigierenden DTSB, der das Eishockey im Land nur so lange unterstützte, wie man damit in der gesamtdeutschen Olympiamannschaft Mitspracherecht erlangen konnte. Als das in den 1960er Jahren nicht mehr der Fall war und die devisenklamme DDR alle Sportarten auf ihre olympische Edelmetall-Tauglichkeit prüfte, flog Eishockey aus der Förderung, die Oberliga wurde eingedampft und es blieben für Jahre nur noch zwei Oberliga-Mannschaften übrig: Dynamo Berlin und Dynamo Weißwasser. Aus deren Kader wurden dann auch die Nationalteams zusammengestellt, die dann, wenn sie durften, auch durchaus eindrucksvolle Ergebnisse einfuhren. Meistens durften sie nicht, dann sagte die DDR auch schnell mal die Teilnahme an einer Weltmeisterschaft ab, weil man sich das Geld lieber für Eiskunst- und Eisschnelllauf sparte.Während im Osten also Winter für Winter die “kleinste Liga der Welt” ihre Meisterschaften austrug, erlebte der Westen praktisch jedes Jahr eine neue Umorganisation des Liga-Betriebs, Aufstieg und tiefen Fall (oft auch die alsbaldige Auflösung) berühmter Mannschaften, die Auftritte ausländischer Kufenhelden (und ihre teilweise recht blamable Verabschiedung, weil man bei der Staatsangehörigkeit ein bisschen geschummelt hatte).

Wirklich Ruhe eingekehrt ist in die Deutsche Eishockey-Liga bis heute nicht. Denn während die Honoratioren am Spielbetrieb bastelten, vergaßen sie immer wieder gern, stabile Strukturen für die Nachwuchsausbildung zu schaffen. Was dann die Nationalmannschaft in den letzten Jahren immer wieder dramatisch erfuhr, wenn sie in internationalen Wettbewerben wichtige Spiele verlor.

Am Ende ist das Penalty im Buch natürlich kein Penalty. Es gibt nach wie vor Sponsoren, die in Deutschland gern bereit sind, ihre Clubs zu unterstützen. Nicht immer ist der Rückenwind so groß, wie es sich die Vereine wünschen. Das hat ja auch Leipzig mit den diversen Versuchen erlebt, hier nach 1990 wieder einen Eishockey-Club zu installieren – eine entsprechende Tradition war recht kurz gewesen und in den 1960er Jahren befehlsmäßig beendet worden. Noch heute grummeln die Anhänger der Icifighters Leipzig darüber, dass die Stadt Leipzig ihnen die denkmalgeschützte Halle auf dem Alten Messegelände wegnahm und lieber einem baulustigen Möbelhaus zur Verfügung stellte.

Die Icefighters spielen deshalb heute in Taucha. Sie sind in der Oberliga Ost zu Hause, wo sie derzeit auf Rang 2 rangieren.

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Eishockey in Deutschland
Frank Bröker, Verlag Andreas Reiffer 2013, 15,90 Euro

Für jeden, der die letzten 100 Jahre Eishockey in Deutschland verpasst hat, ist Brökers Buch natürlich eine Einstimmung. Auch im Stil. Wer das Buch gelesen hat, geht wirklich nicht mit der Erwartung in die Eishalle, die Anhänger des Eissports wären leise oder gar zurückhaltend. Ein bisschen schwindlig wird dem Leser natürlich mit all den Namen von Clubs, Managern, Spielern und Offiziellen. Da wäre so etwas wie ein Namens-, ein Orts- und ein Tabellenregister ganz hilfreich.

Ansonsten ist ein heißer Beruhigungstee beim Lesen ganz gut. Denn bei Eishockey-Anhängern geht es immer recht flott von einem Extrem ins andere, vom Himmel in die Hölle und retour. Ein ausgeglichenes Völkchen ist das nicht.

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